Abgeordnetenhaus von Berlin - 8- Wahlperiode
40. Sitzung vom 27. November 1980
1737
Wronski
i) Und auch eine Weisheit, die uns bekannt ist: Das Tarifgefüge
selbst in Berlin ist für den Benutzer erheblich billiger als in den
verglichenen Städten, durchschnittlich um 20%. Und ich sage
Ihnen, daß dies allein noch nicht die Erhöhung derTarife um diese
hier zitierten 14% rechtfertigt, denn der Berichterstatter hat sehr
richtig darauf hingewiesen, daß in der Beratung im Ausschuß
gefragt wurde: Warum sind eigentlich die sogenannten
Randbedingungen, von denen aus die BVG in Berlin ihre Tarife
aufbaut, so und nicht anders?
In Kürze und hoffentlich auch für den Laien verständlich einige
Fakten, über die ich nachzudenken bitte: Es ist zu ergründen,
warum das Leistungsverhältnis unseres Berliner Nahverkehrs
betriebs erheblich ungünstiger als das anderer großer Nahver
kehrsbetriebe und ob es sinnvoll ist, in Berlin bei der Entwicklung
- vermutete Nachfrage bei sinkender Bevölkerungszahl - Nah
verkehrsplanung so langfristig anzulegen, wie es aus der Konzep
tion des Nahverkehrsbetriebs - gesteuert und betreut durch den
Bausenator - heute geschieht. Das sind zwei Überlegungen mit
großer kommunalpolitischer und finanzieller Auswirkung, die ich
Ihnen heute nochmals vortragen wollte. - Ich danke für ihre
Aufmerksamkeit.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsident Baetge; Nächster Redner ist der Abgeord-
nete Staffelt. Bitte sehr!
Staffelt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
muß zunächst meinem Erstaunen Ausdruck verleihen, daß offen
sichtlich der Zusatz, den wir im Ausschuß für Betriebe diskutiert
und schließlich auch gemeinsam beschlossen haben, kaum noch
notwendig zu sein scheint, da Herr Wronski inzwischen schon
sämtliche Vergleichszahlen auf dem Tisch hat
[Landowsky (CDU): Er ist ein guter Mann!]
und schon heute weiß, was bei dem Betriebsvergleich unter dem
I) Strich herauskommt. Ich finde das jedenfalls sehr merkwürdig.
[Beifall bei der SPD - Landowsky (CDU): Ich finde
das gut! - Feilcke (CDU): Ich finde es bemerkenswert!]
- Jaja, Herr Feilcke, vieles ist bemerkenswert, was von Ihnen
kommt.
[Beifall bei der CDU]
Ich möchte mich zur Sache kurz äußern. Die Zeit ist fort
geschritten, aber dennoch: Wir haben schon vor einiger Zeit über
die Erhöhung gesprochen. Die Gründe sind klar; einmal die
Steigerung der Energiekosten, die Steigerung der Löhne und
» Gehälter, im übrigen die Verstärkung des Leistungsangebots,
und schließlich auch die Kosten, die durch die Neufassung des
Schwerbehindertengesetzes auf die BVG zugekommen sind.
Andererseits sind wir den 40% verpflichtet, die in den tarifpoli
tischen Leitlinien des Senats stehen. Wir haben aber - das darf
man nicht vergessen - mit dieser Tariferhöhung die 40% nicht
erreicht und dies bewußt nicht getan, um auf Rabattierungen nicht
verzichten zu müssen, Rabattierungen, die letzten Endes den Oft-
Fahrern, darüber hinaus aber auch den Schülern, Senioren, den
sozial Schwachen zugute kommen. Wir bleiben uns also mit
dieser Tariferhöhung auch der sozialen Verpflichtung treu, die ein
Betrieb wie die BVG hat.
Im übrigen möchte ich kurz auf die Rationalisierung eingehen -
das ist Punkt 1 des Zusatzes, den wir im Ausschuß für Betriebe
der Beschlußvorlage angefügt haben. Senator Ristock hat in der
letzten Diskussionsrunde sehr überzeugende Zahlen im Zusam
menhang mit den Rationalisierungsanstrengungen der BVG
kundgefan. Ich will das nicht wiederholen, ich meine aber, daß wir
darauf achten müssen, daß es nicht zu einer Art Rationalisie
rungshysterie kommt, die dann zur Entlassung von Kollegen bei
der BVG führt oder in ein provinzielles öffentliches Nahverkehrs
system ausartet, nur weil die Betriebswirtschaftler einschlägige
Vorgaben machen. An dieser Stelle müssen wir sehr vernünftig
Vorgehen, und ich sage für die SPD-Fraktion, daß wir allen Ver-
I suchen entgegenstehen werden, die auf eine Ausgliederung
bestimmter Teile der BVG abzielen und damit eine Privatisie
rungstendenz bei der BVG einleiten wollen. Wir erwarten aller- (C)
dings vom Senat im Zusammenhang mit Punkt 1 dieses Zusatzes,
daß eine übersichtliche und lesbare Berichterstattung über die
Rationalisierungsbestrebungen erfolgt, denn wir haben - das
möchte ich kritisch anmerken - leider zu oft erlebt, daß die Zahlen
nicht entschlüsselbar waren. Ich sage das nicht nur in Richtung
BVG, ich meine damit auch andere Eigenbetriebe.
Zu Punkt 2 - Betriebsvergleich: Sie haben, Herr Wronski - ich
sagte das eingangs -, die Zahlen schon in der Tasche. Wir sind
da anderer Auffassung. Wir möchten Klarheit an diesem Punkte
haben.
[Wronski (CDU): Wenn Sie mit diesen Zahlen zufrieden
sind, dann staune ich aber!]
- Sie haben sie uns schon oft genug mitgeteilt.
[Wronski (CDU): Das ist doch nur der äußere Rahmen,
Wir wollen es genauer wissen!]
- Ah ja; das ist auch sehr schön. Wenn Sie das so meinen, dann
hört sich das schon etwas anders an; Sie haben das vorhin als
feststehende Erkenntnisse vorgetragen.
(Wronski (CDU): Das hat doch fast jeder verstanden!]
-Fast jeder! Wahrscheinlich nur auf dieser Seite des Hauses.
[Zurufe von der CDU]
- So, jetzt ist es gut, jetzt möchte ich wieder ein bißchen reden. -
[Beifall bei der SPD -
Rösler (CDU); Zuhören ist auch gut!]
Wir wollen uns also Klarheit schaffen, und wir wollen uns auch
deshalb Klarheit schaffen, damit endlich die ständigen, bisher
völlig unbelegten Behauptungen der CDU zurückgewiesen
werden können. Ich erinnere Sie nur daran, daß Sie über Monate
hinweg behauptet haben, daß die Hamburger wesentlich effek
tiver arbeiten als die Berliner, ich erinnere an Ihren berühmten (D)
Werkstattvergleich, der, obwohl Sie mit dem Senator und den
BVGern gesprochen haben, überhaupt nicht zutrifft. An dieser
Stelle können uns die verlangten Zahlen endlich zu Klarheit in der
Diskussion verhelfen. Ich glaube aber auch, daß der Senat uns im
Zusammenhang mit dem Punkt 2 nicht auf den Sankt-Nimmer
leins-Tag vertrösten darf. Wir wollen sehr bald einen konkreten
Bericht auf dem Tisch haben, um beraten zu können.
Schließlich zum Punkt 3: Auch hier scheint uns ein ganz wichti
ger Ansatz vorzuliegen. Wir hatten im Ausschuß Differenzen.
Dennoch meine ich, Herr Wronski, daß sowohl Ihre Fraktion wie
auch die Koalititonfraktionen keine Möglichkeit hatten, auf einer
vernünftigen Basis miteinander zu reden, weil das Material nicht
vorhanden war. Auch hier brauchen wir eine Aufarbeitung.
Insofern sind diese drei Zusatzpunkte sehr hilfreich; auf dieser
Grundlage können wir gemeinsam die BVG-Tariferhöhung
beschließen.
Eines liegt mir allerdings - auch wieder im Zusammenhang mit
Ihrer Rede, Herr Wronski - auf der Zunge. Sie haben vorhin
beispielsweise festgestellt, daß BVG-Personal habe zugenom
men. Sie stellen das einfach in den Raum, ohne eine Begründung
dafür zu geben. So entsteht natürlich der Eindruck, als würde die
BVG nicht rationalisiert haben. Sie wissen aber sehr genau, daß
es eine Erweiterung des Leistungsangebots mit der Notwendig
keit, mehr Personal einzustellen, gegeben hat, und Sie wissen
auch sehr genau, daß der Sicherheitsaspekf in der Diskussion
eine große Rolle gespielt hat. Nehmen Sie das doch mal zur
Kenntnis.
[Wronski (CDU): Lassen Sie doch das Polemisieren.
Das bringt überhaupt nichts!)
Im übrigen also; Die SPD-Fraktion wird dieser Tariferhöhung
zustimmen. - Ich polemisiere überhaupt nicht, Herr Wronski, das
hören Sie nur so.
[Wronski (CDU): Dann diskutieren Sie an der
Oberfläche!]