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Volume Nr. 17, 14. Dezember 1979

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1979, 8. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
17. Sitzung vom 14. Dezember 1979 
710 
Hiersemann 
(A) sie eben in erheblichem Maße überholt und überlebt sind, 
wiederhergestellt werden? Und so auch In der Familien 
politik. 
Die CDU geht von einem überkommenen Familienbild aus, 
von der sogenannten heilen Familie, die man erhalten bzw. 
wiederherstellen muß. 
< Boehm (CDU): Sie werden lachen, Herr Hiersemann, so 
etwas gibt’s wirklich! > 
Und um Ihre Ziele zu erreichen, werden Sie nun interessan 
terweise, nachdem man vorher so ideal und so idealistisch 
war, wieder völlig materialistisch. Da müssen jetzt materielle 
Mittel eingesetzt werden, wie zum Beispiel das Erziehungs 
geld. 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Erziehungs 
geld ist ja auch in der CDU/CSU recht umstritten, sowohl 
aus gesamtwirtschaftlichen wie auch aus ideologischen Grün 
den, und die Reihe der ablehnenden Stimmen reicht von 
Herrn Lummer, der sich offenbar korrigiert hat, über den 
Heiner Geisler bis zu Herrn Strauß hin. Es ist doch, mal ab 
gesehen davon, wie Sie sonst dazu stehen, völlig abwegig 
zu meinen, mit bestimmten Geldmitteln die Probleme der 
heutigen Familie einfach lösen zu können. Wir sind für die 
Familie, wir sind für den Artikel 6 des Grundgesetzes, wir 
stehen dazu, aber wir sind für die Familie wie sie heute 
ist. Wir sind für die Menschen, für die Eltern, Kinder und 
Jugendlichen, so wie sie heute sind und nicht für irgend 
welche imaginären Vorstellungen, die Sie da in dieser Frage 
haben. 
< Frau Wiechatzek (CDU): Mein Gott! > 
Wir meinen, daß viele Familien die Hilfe und den Rat und 
zusätzliche Angebote brauchen und daß es sich der Staat 
viel zu leicht machen würde, wenn er sich auf eine ungezielte 
Geldausschüttung, so wie das ja immer letzten Endes bei 
dem Erziehungsgeld ist, beschränken würde. 
Und nun zu Ihrem speziellen Antrag, meine Damen und 
Herren von der CDU. Ich darf Ihnen vorab sagen, daß ich 
(B) namens meiner Fraktion die Überweisung des Antrags an 
den zuständigen Fachausschuß für Familie und Jugend und 
an den Hauptausschuß beantragen werde, da dieser Antrag 
speziell mit diesem Haushalt nicht in direktem Zusammen 
hang steht. Aber ich will mich dennoch mit ihm auseinander 
setzen. 
Es sieht so aus: Wenn man Ihren Antrag durchliest, dann 
werden da zwei Alternativen dargeboten, von denen die eine 
Alternative — und da werden Sie mir sicherlich zustimmen — 
absolut die Familien mit einem guten Einkommen bevorzugt. 
Das ist ganz offenbar, zumal wenn man dann noch den Null 
tarif für die Krippen abschafft. Das ist ein ganz einfaches 
Rechenexempel, was ich hier nun wirklich nicht wiederholen 
möchte. Aber selbst wenn man — und Sie sprechen in Ihrer 
Alternative b davon — soziale Einkommensgrenzen schaffen 
würde, wobei dann die Frage ist, wo die liegen, dann be 
finden sich die einkommensschwachen Familien immer noch 
im Nachteil, denn man wird doch wohl die Frage stellen 
dürfen: Was geschieht dann nach den drei Jahren, in denen 
das Erziehungsgeld gezahlt wird? Wo ist die Wiedereinstel 
lungsgarantie der Wirtschaft für die vorher berufstätige 
Mutter? Haben Sie das mit der Wirtschaft abgesprochen, 
sind da schon irgendwelche Vorgaben? Die sind doch nicht 
da. Und wenn das nicht so ist, dann muß man doch davon 
ausgehen, daß die finanzielle Belastung, die während dieser 
drei Jahre abgemildert worden ist, dann besonders stark 
durchschlägt. Ist es nicht so, daß hier versucht wird, mit 
einer vorübergehend gewährten finanziellen Zuwendung — 
um nicht von einem Anreiz oder sogar einer Verlockung zu 
sprechen — die berufstätigen Mütter von der Arbeitswelt 
abzukoppeln, um sie wieder zu den berühmten drei K — 
Kinder, Küche, Kirche — zurückzuführen, wie das ja die 
Familienministerin von Baden-Württemberg, Frau Griesinger, 
noch ihn Frühsommer dieses Jahres direkt gesagt hat, um 
damit den Arbeitsmarkt zu entlasten? 
Wie es die CDU wirklich mit der Familie hält, das wird 
daran deutlich, daß Ihr gemeinsamer Kanzlerkandidat wieder 
die Einführung von Freibeträgen für Kinder im Steuerrecht 
verlangt, obwohl jeder weiß — und das auch 1975 unbestrit 
ten war —, daß damit die einkommensstärkeren Familien be 
vorzugt werden. Aber, wie gesagt, 1975 ist schon vier Jahre (C) 
her. Und ich möchte ja nichts verallgemeinern, aber es wirft 
doch ein bezeichnendes Licht darauf, wie sich die CDU zur 
Familienpolitik verhält, wenn man sich die Worte noch ein 
mal ins Gedächtnis ruft, die der Kollege Diepgen, eine Ihrer 
Fraktionsspitzen, hier am 11.10.1979 von sich gegeben hat. 
Da hat er nämlich gesagt, daß die Mehrzahl der Anmeldun 
gen zu den Kindertagesstätten, die das erhebliche Anwach 
sen der Wartelisten bewirkt haben, nicht etwa im Interesse 
der Kinder erfolgt seien, sondern sie seien letzten Endes — 
jetzt wörtlich — den Egoismen der Erwachsenen zuzurechnen. 
< Diepgen (CDU); Nun zitieren Sie aber alles in dem 
Zusammenhang! > 
Dies ist ein auf der einen Seite derart ignoranter und auf 
der anderen Seite derart arroganter Schlag ins Gesicht von 
soundso vielen notwendigerweise berufstätigen Müttern, daß 
man es hier noch einmal vortragen mußte. Aus diesem 
Grunde habe ich es auch getan. — Schönen Dank! 
< Beifall bei der SPD > 
Stellv. Präsident Baetge: Das Wort hat nunmehr der Ab 
geordnete Wahl. Bitte schön, Herr Wahl. 
Wahl (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Ich habe mich ganz spontan entschlossen, dem ideologischen I 
Rundschlag des Kollegen Lorenz keine lange Erwiderung ' 
entgegenzusetzen, in der ich mich mit jedem einzelnen seiner 
Punkte etwa auseinandersetzen müßte. Ich will nicht darüber 
sprechen, wie wir die von ihm zitierten Versäumnisse erfas 
sen oder beurteilen können, ich will mich nicht auseinander 
setzen mit der Problematik der Randgruppen, und ich will 
auch nicht darauf eingehen, ob es Hauptaufgabe oder Ver 
säumnis der Familie ist, sich um die Kindererziehung zu 
kümmern. Es wäre gewiß reizvoll, das, was Sie, Herr Lorenz, 
heute gesagt haben, mit dem zu vergleichen, was gestern 
über Erziehung Ihr schulpolitischer Sprecher Ulzen gesagt 
hat. Ich bin der Meinung, Sie haben teilweise im Wider 
spruch zueinander gestanden. (D) 
< Widerspruch bei der CDU > 
Ich muß mich allerdings an dieser Stelle ganz energisch 
dagegen wehren, daß Sie in diesem Zusammenhang auch 
der liberalen Partei unterstellen, daß wir dafür seien, daß 
der Staat allein die Aufgabe der Kindererziehung zu über 
nehmen habe. Dieses können Sie aus keiner Äußerung, die 
wir hier oder an anderer Stelle, wo auch immer, getan haben, 
ablesen. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, daß nicht 
der Staat allein für die Erziehung unserer Kinder zustähdig 
ist. Wir sind immer dafür eingetreten, daß es eine Vielzahl 
von Angeboten auf dem Gebiet der Erziehung geben soll. 
Wir haben immer dem Pluralismus das Wort geredet. i 
< Beifall bei der F.D.P. > 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter, erlauben 
Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wruck? 
Dr. Wruck (CDU): Herr Kollege, können Sie konkretisieren, 
worin der inhaltliche Unterschied zwischen den Aussagen in 
der Schuldebatte gestern zu den Ausführungen von Peter 
Lorenz heute gestanden haben soll, was Sie hier behauptet 
haben, können Sie das konkret sagen? 
Wahl (F.D.P.): Lieber Kollege, ich glaube, Sie hätten bes 
ser aufpassen müssen, 
< Widerspruch und Gelächter bei der CDU > 
denn ich habe eingangs gesagt, ich will mich gerade nicht 
an dieser Stelle mit diesen Dingen auseinandersetzen. Und 
dieses können Sie jetzt auch nicht dadurch, daß Sie eine 
Zwischenfrage stellen, etwa erzwingen. 
< Boehm (CDU): Aber es behaupten und nicht beweisen 
können, das ist eine feine Methode! — Einfach 
draufhauen! > 
Ich möchte — und dieses ist eigentlich die Hauptaufgabe 
der Debatte — einfach die Sache ganz kurzentschlossen wie 
der auf Fragen des Haushalts zurückführen, und ich möchte
	        
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