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Volume Nr. 16, 13. Dezember 1979

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1979, 8. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
16. Sitzung vom 13. Dezember 1979 
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Sen Rasch 
(A) hier ganz offen Probleme ansprechen — auch ich - das habe ich 
mehrfach öffentlich gesagt — sehe ja, daß die Grundschule nicht 
problemlos läuft. Ich sehe zum Beispiel, daß die Zahl der Nicht- 
versetzlen trotz der Aufrückungsregel — das muß micht nach 
denklich stimmen, Sie wahrscheinlich auch —, wenn auch 
minimal, aber doch zunimmt. Ich sehe, daß hier Probleme sind, 
wo der Lehrer sich nur dadurch zu helfen weiß, indem er sagt: 
Ich lasse das Kind lieber wiederholen! - Das Verfahren ist ja 
aus guten Gründen etwas komplizierter geworden. Da muß man 
fragen, woran das liegt. Ich sehe auch, daß wir — und zwar 
bundesweit, das ist kein Berliner Phänomen — in der Festigung 
von Grundfertigkeiten und Grundfähigkeilen Probleme haben, 
nicht nur in der reinen Wissensvermittlung. Es gibt viel äußere 
Einflüsse und Angriffe auf das Kind und auf die Schule, die wir 
kompensieren müssen. Herr Abgeordnete Ulzen hat zum Beispiel 
auf das Fernsehen hingewiesen. Ich verweise auf die völlige 
Veränderung unserer Sprache, die durch das Fernsehen auch bei 
unseren Kindern und Jugendlichen entstanden ist und entsteht. 
Hier gibt es Probleme, und wir müssen darauf adäquat reagieren. 
Wir meinen, daß wir mit der Einführung der kleinen Gruppen 
- anfangs die Fünfzehnerfrequenz - einen Beitrag dazu liefern; 
darüber kann man sich pädagogisch streiten. Aber Sie sehen 
darin das Bemühen des Senats, ein Problem gerade in der 
ersten Phase der Festigung, der Grundlegung von Grundfertig 
keiten, zu lösen. 
I < Abg. Zemla (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage > 
- Herr Abgeordneter Zemla, lassen Sie mich das erst mal kurz 
ausführen, sonst kommen wir hier nicht weiter. 
Ich meine auch, daß wir uns verstärkt mit der Frage aus 
einandersetzen müssen: Wie sieht es eigentlich in unserer 
Orientierungsstufe, der 5. und 6. Klasse, aus? — ein Thema, das 
ich auch in diesem Hause schon mehrfach vorgetragen habe. 
Das ist nicht nur ein organisatorisches Thema, sondern ein 
eminent inhaltliches, pädagogisches Thema. Ich weise darauf 
hin, damit Sie merken, daß wir hier, unabhängig von dem, was 
^ im einzelnen im SEP III steht, gewisse Schwerpunkte sehen. 
Wir werden die Sekundarstufe I — die mittlere Schulstufe — 
weiterentwickeln. Und. Herr Abgeordneter Ulzen, ich darf 
vielleicht zu Beginn meiner Ausführungen dazu — — Ich habe 
leider nicht einmal das Ohr des Abgeordneten Ulzen, sonst 
konnte ich das noch ertragen, Herr Präsident! — Herr Abgeord 
neter Ulzen, Sie haben deutlich gemacht, daß zum Beispiel im 
SEP II steht, wir würden die Sekundarstufe I integrieren. Der 
Schulentwicklungsplan III ist mir sehr viel Bedacht formuliert. 
Darin steht, „die curruculare organisatorische Entwicklung einer 
gemeinsamen Mittelstufe für die Klassen 7 bis 10 der Berliner 
Schule als Basis für weitere Bildungsgänge in Schule und 
Berufsausbildung bleibt langfristig das Ziel der bildungspolitischen 
und pädagogischen Maßnahmen“. 
< Ulzen (CDU): Wo ist das denn anders? Das war doch 
die Frage vom Kollegen Lehmann-Brauns! > 
— Darf ich noch mal sagen; Langfristig bleibt diese An 
gleichung das Ziel, übrigens auch voll in Übereinstimmung mit 
dem Bildungsgesamtplan I. Und es steht weiter darin, „daß unter 
den gegenwärtigen Voraussetzungen und Bedingungen über die 
schulpolitische Zielvorstellung allerdings begrenzt auf einen Pro 
zeß der Angleichung von unterschiedlichen Schularten und Schul 
zweigen, Stundentafel, Rahmenplänen und ähnliches mehr. . .“ 
Sie müssen also sehen, mit welchem Bedacht hier der SEP III 
formuliert worden ist in der Frage der Entwicklung der Gesamt 
schule und der mittleren Schulstufe insgesamt. Sie sollten nicht 
mit der Formulierung kommen, als würden wir im nächsten Jahr 
die Sekundarstufe I voll und ganz integrieren, das heißt, die 
Gesamtschule zur alleinigen Regelschule machen wollen. Dies 
tritt nicht zu, ist die gemeinsame Überzeugung der Koalition. 
Insofern Ist meiner Ansicht nach das Problem in diesem Punkt 
ausgeräumt. Aber — und der Abgeordnete Hauff hat darauf hin 
gewiesen — wir werden die Gesamtschule weiterentwickeln 
müssen, und wir treten nach unserer Vorstellung im nächsten 
Jahr in eine dritte Phase ein. Da werden natürlich genau die 
Punkte eine Rolle spielen, bei denen wir Probleme sehen. Wir 
sehen zum Beispiel in der Gesamtschule Probleme bei den Fragen 
der sozialen Beziehungen der Schüler untereinander und auch (C) 
in der Frage der Lehrer als Bezugspersonen. 
Nun haben wir alle in den 60er Jahren die Debatte — ich war 
damals noch kein schulpolitischer Sprecher — über die Frage 
der Fachbezogenheit geführt. Da hat es ganz klare politische Vor 
stellungen gegeben, die auch von der CDU getragen wurden, 
Herr Abgeordneter Ulzen. Wir werden die Gesamtschule in 
diesem Bereich verbessern, wahrscheinlich sogar mit Ihrem 
Beifall und mit Ihrer Unterstützung, weil wir der Ansicht sind, daß 
hier etwas getan werden muß. 
< Ulzen (CDU): Da unterstützen wir Sie gern! > 
Und wir werden zum zweiten innerhalb der Gesamtschule die 
Organisafionsform lockern, indem wir Rahmenbedingungen for 
mulieren und der Schule selbst einen etwas größeren Spielraum 
geben, nicht der Willkür offene Türen schaffen, sondern der 
Schule eine stärkere Ausprägung geben, wobei ganz bestimmte 
Elemente verbindlich sind. Das ist eine gemeinsame Vorstellung, 
die nicht nur von meinem Haus, sondern auch von verschiedenen 
politischen Bereichen bis hin zu Verbandsbereichen durchaus 
begrüßt wird. Sie hatten meiner Ansicht nach darauf hingewiesen. 
Wir werden im nächsten Jahr einen sehr wichtigen dritten 
Komplex weiterführen, nämlich die Entwicklung, den Ausbau und 
die Erstellung der berufsteldbezogenen Oberstufenzentren. Ich 
will jetzt nichts zu den einzelnen Häusern sagen, die im nächsten 
Jahr gebaut werden - das ist ja alles zu entnehmen -, aber der 
Senat wird nach der Reduzierung des Programms um immerhin 
knapp 200 Millionen DM dieses Programm insgesamt weiter 
führen und an unserem Ziel der Annäherung und Verzahnung, 
das heißt, dem Grundgedanken der Konzeption, festhalten. 
Ich möchte aber nun noch auf einen weiteren, sehr wichtigen 
Aspekt kommen. Wir haben in den nächsten Jahren die Probleme 
der Ausländerintegration in einer Größenordnung vor uns, wie 
wir sie vor einem oder zwei Jahren nicht ahnen konnten. Wir 
müssen damit rechnen, daß noch einmal bis zu 15 000 aus 
ländische Kinder im Zuge der Familienzusammenführung nach 
Berlin kommen können. Was das für die Berliner Gesellschaft (D) 
insgesamt bedeutet, ist enorm und kaum vorstellbar und wird an 
uns alle große Anforderungen stellen, um die Aufgabe der 
Integration lösen zu können. Der Senat hat dazu ein Leitlinien 
konzept vorgetragen, und wir werden daraus einzelne Maß 
nahmen entwickeln müssen. Ich weise darauf hin, wir haben im 
letzten Jahr ein Mehr von 5 000 Schülern, das organisatorisch 
bewältigt werden muß. 
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich muß es bedau 
ern, daß bei dieser so entscheidenden Frage das Interesse sehr 
gering ist, so daß ich hier nichts mehr über Ausländerfragen sagen 
werde. Das ist eigentlich eine Stunde, wo man sich mit diesem 
Problem grundsätzlich beschäftigen müßte. 
< Feilcke (CDU): Dann sagen Sie doch mal etwas! > 
— Herr Feilcke, ich will das hier unterlassen, denn ich sehe, daß 
Ihre Fraktion praktisch nicht zuhört. 
Nun hat der Abgeordnete Ulzen sehr deutlich einen Komplex 
angesprochen, er nach meiner Überzeugung von der Grundfrage 
her überhaupt nicht strittig ist, nämlich die Frage, daß wir uns in 
stärkerem Maße den Erziehungszielen in der Berliner Schule und 
der Diskussion darüber zuwenden müßten; das ist eine bundes 
weite Diskussion. Sie ist gar nicht neu, der Senator für Schul 
wesen und die Koalitionsfraktionen haben seit langem die Frage 
der inneren Schulreform als einen wichtigen Gesichtspunkt 
erkannt, und wir haben es immer bedauert, daß die Organisations 
debatten allein im Vordergrund stehen. Hier sehe ich einen sehr 
interessanten Dialogpunkt, den wir aufgreifen und fortsetzen 
sollten, um festzustellen, was uns in dieser Frage trennt, aber 
auch, was uns in der Frage der Erziehungsziele eint. Sie sind 
gesetzlich normiert und fixiert, aber es gibt dazu und darüber 
hinaus auch abgeleitete Erziehungsziele, wie zum Beispiel die 
berühmten Tugenden der Disziplin und Ordnung. Auch darüber 
wird man, wenn man sie richtig einordnet, gewiß nicht streiten 
müssen. Aber ich würde davor warnen — das sage ich im 
Interesse aller Lehrer und aller Schüler —, hier den Eindruck zu 
erwecken, in der Berliner Schule würde nicht erzogen. 
< Ulzen (CDU): Das hat keiner gesagt! >
	        
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