Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
14. Sitzung vom 22. November 1979
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Diepgen
|l(A) Drogenfragen sozusagen beraten und belehren wollte, sondern
hier geht es darum, daß durch die politischen Führungskräfte
dieser Stadt auch einmal ein Problem deutlich gemacht wird, daß
nämlich klar wird, daß wir uns alle der Problematik wirklich
bewußt sind. Deswegen, Herr Kollege Mertsch, ist eine Fülle der
kritischen Anmerkungen, die Sie zur Begründung dieser Großen
Anfrage vorgetragen haben, einfach falsch am Platz.
Mir geht es darum, bei dieser Bemerkung eines herauszu
stellen. Ich glaube, wir sind uns der Bedeutung der Gesamt-
problemafik bewußt und sogar darin einig — und da zitiere ich
erneut den Kollegen Mertsch —, daß der richtige Ansatz in der
Bekämpfung der hiermit zusammenhängenden Schwierigkeiten
der sozialpädagogische Ansatz ist. Das ist ausdrücklich von allen
hier gesagt worden. Ich habe allerdings Zweifel, ob aus dieser
durchaus richtigen Übereinstimmung in diesem Hause die not
wendigen und richtigen Schlußfolgerungen gezogen werden.
Gerade in dem letzten Beitrag der Senatorin für Familie, Jugend
und Sport wurde wieder darüber diskutiert, ob es denn richtig sei,
in der Familienpolitik sozusagen das Allheilmittel zu sehen. Hier
geht es nicht darum, ein Allheilmittel in dem einen oder anderen
Punkt zu sehen, sondern hier geht es beispielsweise auch bei der
Familienpolitik darum, daß man bessere Ausgangspositionen für
die Jugendlichen, für die Kinder schafft, damit sie mit den
Problemen fertig werden. Es geht also hier nicht darum, irgend
einen ideologisch verklemmten Ansatz weiterzuverfolgen und
dann die alten Schlagworte und die Themen, die wir in der Tat in
diesem Hause zur Genüge kennen, sozusagen wieder vor dem
Hintergrund der Drogenproblemafik aufzuarbeiten.
Aber, Frau Senatorin, wenn es richtig ist, daß wir die not
wendigen Maßnahmen im Bereich der Drogenproblemafik in der
Sozialpädagogik sehen, dann liegt dieser Ansatz eben, wie der
Kollege Bock ausgeführt hat, in der Familie, auch in der Frage,
wie hältst du es im Umgang mit den Kindern, ob sie in Krippen in
Kindertagesstätten oder sonst etwas kommen. Dann ist es eine
Frage des Freundeskreises, dann ist es eine Frage des Freizeit
bereichs, dann ist es eine Frage des Jugendschutzes, dann ist es
CB) eine Frage, die damit natürlich — bei aller Anerkennung des
Primats der freien Träger —, auch in bezirkliche Zuständigkeiten
gehört. Das ist eine Aufgabe der Jugendhilfe, und zwar im Sinne
der Vorbeugung. Und hier setzt meiner Ansicht nach die Schwie
rigkeit ein, daß ich jedenfalls aus den Diskussionsbeiträgen nicht
die Schlußfolgerung ziehen konnte, daß Sie Vorbeugung in dem
Maße richtig auch bei den staatlichen Stellen in den Bezirken
ansetzen, wie dies notwendig ist. Da hilft es nicht, auf inter
nationale Probleme zu verweisen, auf die wertvolle Arbeit der
freien Träger in den Beratungsstellen und dergleichen, sondern da
geht es darum, daß wir im Bereich der bezirklichen Jugendhilfe,
überall da, wo mit Jugendlichen gearbeitet wird, in der Schule, in
den Freizeitheimen, in all den breiten Bereichen, in denen
bezirkliche Mitarbeiter der Jugendverwaltung tätig sind, bis hin
zum Bereich Soziales, aber auch zu dem Bereich der Kontakt
bereichsbeamten — den wollen wir mal nicht auslassen —,
vorbeugend tätig werden müssen. Das ist das Entscheidende.
Wenn Sie aber den gesellschaftspolitischen Ansatz, daß wir die
Entfremdungsproblematik aufarbeiten wollen durch Familien- und
Gesellschaftspolitik, einfach vernachlässigen und sozusagen mit
einer Handbewegung wegwischen wollen, dann habe ich den
Eindruck, daß Sie falsch liegen. Sie liegen falsch, weil Sie die
notwendige Schlußfolgerung aus der eigenen Erkenntnis, daß
Sozialpädagogik das richtige wäre, was wir hier machen müssen,
nicht ziehen.
Ich hoffe, daß wir das alles in den späteren Debatten noch ein
wenig vertiefen können. Nehmen Sie bitte als eine Schlußfolge
rung aus dieser Diskussion mit; Wir haben hier im Haus eine
Gesamtverantwortung; wir können etwas tun, indem wir An
regungen geben zur Aufarbeitung, und wir können etwas tun,
indem wir auch die personellen und sächlichen Mittel zusätzlich
zur Verfügung stellen. Herr Kollege Bock hat schon gesagt: Wir
warfen auf Ihren Prophylaxe-Bericht, und ich kann hier sagen, daß
wir auch noch im Haushalt 1980 die notwendigen Aufstockungen
vornehmen würden, denn wenn man dies auf einen Nachtrags
haushalt oder auf die Haushaltswirtschaft verlagert, dann motiviert
man nicht diejenigen, die im Wege der Selbsthilfe das Problem
selbst angepackt haben. Das ist doch ein entscheidendes Pro
blem: Die sollen aus dieser Debatte erkennen, daß wir wissen, (C)
welch schwierige Arbeit sie leisten.
< Beifall bei der CDU >
Zum anderen hilft der Hinweis auf die Haushaltswirtschaft ja auch
nicht immer. Wir jedenfalls sind bereit, zusätzliche sächliche und
personelle Mittel einzusetzen. Wir erwarten von Ihnen in Ihrer
Verantwortung die notwendigen Anregungen und Anträge.
Uns ging es darum — und ich hoffe, daß das für die
Öffentlichkeit sichtbar geworden ist — aufzuzeigen, daß das
Problem sehr vielschichtig ist. Man muß es in seiner Vielschichtig
keit begreifen, anpacken und vom gesellschaftspolitischen Ansatz
her notwendig bekämpfen. - Vielen Dank!
< Beifall bei der CDU >
Stellv. Präsident Baetge: Meine Damen und Herren! Weitere
Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit hat die Große Anfrage
ihre Erledigung gefunden.
Ich rufe auf die
lfd. Nr. 5:
Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses
Das Wort hat Frau Abgeordnete Greift.
Frau Greift (CDU), Berichterstattern: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Mit Sicherheit gehört der Petitionsausschuß
zu den Gremien des Hauses, die die Zeit und die Arbeitskraft
des Plenums am wenigsten in Anspruch nehmen. Die Natur seiner
Aufgaben bringt es mit sich, daß der Petitionsausschuß seine
recht erhebliche Arbeitsleistung fast ausschließlich im Verborge
nen aufbringen muß. Zweimal im Jahr allerdings verpflichtet uns
unser Petitionsgesetz, hier vor dem ganzen Hause selbst Rechen- '
schaft abzulegen über das, was wir in den zurückliegenden sechs
Monaten im Auftrag wie im Namen des Berliner Parlaments getan
haben.
Meine Damen und Herren, wir können in diesen Tagen ein
Jubiläum begehen, das nicht nur für den Petitionsausschuß,
sondern für das Abgeordnetenhaus von Berlin als Ganzes von
großer Bedeutung ist. Vor 10 Jahren, am 25. November 1969,
hat das Abgeordnetenhaus das Petitionsgesetz und zugleich ein
Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin verabschiedet,
mit denen die parlamentarischen Kontrollbefugnisse des Petitions
ausschusses Gesetzes-, ja sogar Verfassungsrang erhalten
haben. Mit diesem Gesetz ist nicht nur ein bedeutender Teil der
Parlamentsreform Wirklichkeit geworden. Dem Abgeordnetenhaus
und seinem Petitionsausschuß ist damit auch ein Instrumentarium
an die Hand gegeben worden, mit dem berechtigten Beschwerden
von Bürgern über Maßnahmen der Berliner Verwaltung so wirk
sam nachgegangen werden kann wie nirgendwo sonst in Deutsch
land. Die Begriffe „Bürgernähe“ und „Bürgerfreundlichkeit" wer
den heute überall in der Verwaltung und auch anderswo so sehr
betont und strapaziert, wie ich meine, daß sie schon fast wieder
zu Schlagworten zu erstarren drohen. Damals, als dieses Gesetz
entstand, war das noch ganz anders. In den ersten Jahren seiner
Arbeit hatte der Petitionsausschuß zum Teil erhebliche Mühe,
bei Verwaltungsbehörden, bei Dienststellenleitern, aber auch
manchmal bei anderen Abgeordneten Verständnis dafür zu finden,
daß er letztlich nur im Interesse des Bürgers tätig wurde, wenn
er Auskünfte, Aktenvorlage oder Ortsbesichtigungen verlangte.
Nun, dies ist heute zum Glück Vergangenheit. Nach zehn Jahren
Arbeit unter den Bedingungen, die das Abgeordnetenhaus mit dem
Petitionsgesetz geschaffen hat, ist der Petitionsausschuß in Berlin
eine etablierte Institution, die weder als Kontrollinstrument des
Parlaments noch als Hilfsorgan für den Bürger wegzudenken ist.
Auch der Petitionsausschuß der 8. Wahlperiode wird auf diesem
Wege weitergehen, im Dienste des Verständnisses und des guten
Miteinander zwischen Parlament und Exekutive. Im Dienste an
unserem demokratischen Staatswesen und damit an unseren
Bürgern.