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Volume Nr. 13, 8. November 1979

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1979, 8. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
13. Sitzung vom 8. November 1979 
475 
Dr. Dittberner 
(A) sprechende Entscheidungen zu treffen. Insofern kann es gar keine 
fortschrittliche Politik sein, hier Wildwuchs zu ermöglichen, Wild 
wuchs, der möglicherweise die Schwierigkeiten, die wir in der 
Medienlandschaft der Bundesrepublik schon lange haben, nur 
noch verstärkt. 
Ich habe den Eindruck, daß Teile der CDU in der Bundes 
republik insgesamt offensichtlich gewillt sind, den Weg zu einer 
noch stärkeren Konzentration, den Weg zu einer noch geringeren 
Zugangsschwelle für die Medienlandschaft in der Bundesrepublik 
insgesamt gehen zu wollen. Jedenfalls würde ich das zunächst 
einmal vermuten bei der Position, die Herr Albrecht in den Ver 
handlungen in der Lüneburger Heide eingenommen hat, nicht so 
der andere der CDU angehörende Ministerpräsident. 
So gesehen geht es offenbar auch gar nicht allein um den 
NDR, ein Problem, das in der Tat wichtig genug ist und über das 
hier auch einiges gesagt worden ist, sondern offensichtlich ver 
sucht man doch, sich eine Option oftenzuhalten, auch für eine 
weitere Kommerzialisierung und Konzentration in der medien 
politischen Landschaft überhaupt. 
Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, daß wir, wenn 
wir über neue Medien sprechen, dies natürlich im Zusammen 
hang mit den alten Medien sehen müssen. 
< Feilcke (CDU): Alte Mädchen! > 
Wir müssen sehen, daß hier eine Ergänzung möglich ist, daß hier 
eine Infrastruktur erweitert werden kann und daß wir nicht sagen, 
wir hätten sozusagen ein ganz neues Terrain, das wir hier be 
treten, auf dem wir sozusagen von Anfang an neu denken und 
entscheiden können. Der Zusammenhang mit den alten Medien, 
der Zusammenhang zum Beispiel mit dem Zeitungssterben, das 
wir alle bedauern, das wir auch in dieser Stadt beobachten 
können, ist zu sehen, 
< Zurufe von der CDU > 
was zum Beispiel gelegentlich dazu geführt hat, daß man in Land- 
. kreisen der Bundesrepublik eben nur noch eine Zeitung - und 
’ ' fragen Sie mich nicht, welche — beziehen kann. 
< Feilcke (CDU): Die liberale Zeitung natürlich! > 
- Die bestimmt nicht! — Dieses Zeitungssterben ist ein Faktor, 
der auch bei der Diskussion über neue Medien mit berücksichtigt 
werden sollte. Ich bin der Meinung, wir sollten versuchen, sicher 
zustellen, daß nach der Konzentration auf dem Zeitungsmarkt 
durch den Einsatz neuer Medien und geeigneter neuer Medien, 
die durch Techniken dann vermittelt werden, eine Dekonzentration 
stattfindet, die dann zum Beispiel durch Medien, wie das, was wir 
Bildschirmtext, Videotext oder Kabelfernsehen oder Kabel 
kommunikation nennen, ermöglicht werden könnte. 
Weiterhin sollten wir uns überlegen, wie wir die neuen Tech 
niken einsetzen können, damit wir der Verapparatung der Medien, 
die wir doch wohl zu bedauern haben, denn es sind ja teilweise 
riesige Anstalten geworden, überschaubare Einheiten entgegen 
setzen können, überschaubare Einheiten, in denen auch Infor 
mationen im kleinen Bereich, im kommunalen Bereich oder im 
sachlich begrenzten Bereich und Kommunikation in solchen Be 
reichen ermöglich wird. 
Dies scheint mir der Weg zu sein, der dahin führt, daß man 
die Informafionschancen in der Demokratie und für die Demo 
kratie erhöht und vielleicht ein wenig näher der Verfassungs 
norm kommt, wie sie im Artikel 5 des Grundgesetzes nieder 
geschrieben ist. Herr Senator Dr. Sauberzweig hat hier ein Zitat 
von Paul Seethe gebracht. Es ist doch wohl so, daß dieser Artikel 5 
hinsichtlich der Zugänglichkeit zu den Medien bei uns, bisher 
jedenfalls, noch nicht voll erfüllt wird. Die neuen Medien werden 
dies auch nicht ermöglichen, aber vielleicht kommen wir in dieser 
Richtung einen Schritt weiter. 
Deswegen ist natürlich die Frage der Organisation der neuen 
Angebote auf dem Mediensekfor von besonderer Bedeutung 
und von besonderer Wichtigkeit, und man sollte sich bei der Dis 
kussion über die Möglichkeit neuer Techniken und der 
Faszination, die vielleicht neue Techniken bieten können, nicht 
den Blick dafür verstellen lassen, daß die Organisation das Ent 
scheidende ist, daß die Organisation das ist, worüber wir hier (C) 
politisch zu diskutieren und zu entscheiden haben. 
Die Frage ist letzten Endes: Wer wird Programmverantwor 
tung tragen? Und hier ist unsere eigentliche Position — und nun 
müßte gesagt werden, warum das anders sein könnte und wie man 
das im Grunde anders begründen kann —: Die Programmver 
antwortung soll eben nicht kommerziell, nicht privat, sondern 
öffentlich-rechtlich sein. 
Die Netzträger — und hier wäre vielleicht in der weiteren Dis 
kussion einiges zu dem zu sagen, auch was Herr Senator 
Dr. Sauberzweig über die Rolle der Bundespost ausgeführt hat - 
sollen auch nicht inhaltlich Gestaltende sein, sondern sie sollen 
in der Tat nur Techniken zur Verfügung stellen. Dies muß die 
Linie sein. Und der Zugang zu den Medien sollte eben — wie ge 
sagt — für viele offen sein. 
Wir werden demnächst über das Bildschirmprojekt sprechen. 
Wir haben ja hierzu — auch das ist angesprochen worden — einen 
Gesetzesvorschlag. Ich möchte einiges zu dem Problem Pilot 
projekt Kabelfernsehen sagen, daß in Berlin auf uns zukommen 
wird. Hier haben wir nämlich die Situation sehr deutlich und sehr 
plastisch vor Augen. Es ist hier von Herrn Lummer gesagt worden, 
es sei doch eigentlich eine sehr reaktionäre Politik, die Verkabe 
lung von Städten in der Bundesrepublik zu stoppen. Auf der ande 
ren Seite ist aber allgemein und jedermann bekannt, daß wir nicht 
nur in Berlin, aber eben auch in Berlin, Pilotprojekte durch 
führen werden, die die Möglichkeit der Verkabelung und die Ge 
fahren, die mit einer solchen Verkabelung der Kommunikations 
systeme verbunden sind, überhaupt erst einmal testen und über 
prüfen sollen. Mir scheint eine verantwortliche und - wenn Sie 
so wollen — auch liberale Politik zu sein, daß man nicht jede 
Technik einfach wild wachsen läßt, sondern erst einmal in über 
schaubaren Bereichen überprüft, wie das eingesetzt werden 
kann wie das funktionieren kann und welche politischen Ziel 
setzungen man damit verfolgen kann. Bei dieser Gelegenheit 
möchte ich einiges sagen: Wenn man dafür eintritt, daß die neuen 
Medien in Ergänzung der alten zu einer größeren Öffnung der 
Kommunikationsstruktur in unserer Gesellschaft überhaupt führen ( D ) 
sollen, dann muß man sich wohl auch in Zukunft darum bemühen, 
eine Sprache zu gebrauchen, Begriffe zu verwenden, die die 
Menschen überhaupt verstehen. Ich spreche über den geplanten 
Pilotversuch Kabelfernsehen in Berlin. Ich erinnere mich noch 
sehr deutlich, an einer Versammlung von Bürgern teilgenommen 
zu haben, die als Interessanten, als Konsumenten und möglicher 
weise auch als Aktive nachher für ein solches Kabelfernsehen 
bei und in Berlin in Frage kommen. Diese Menschen verstehen 
im Grunde gar nicht, worum es geht, was ihnen da sozusagen 
ins Haus gesetzt werden soll. Sie haben schlicht Furcht vor den 
neuen Medien. Hier besteht eine Aufgabe, durch Sprache und 
durch Information zunächst einmal zu verdeutlichen, worum es 
geht. Sie haben auch Furcht davor, daß Kosten auf sie zukom 
men könnten, deren Folgen nicht abzusehen sind, und sie haben 
Furcht davor, daß so etwas erfolgen könnte wie ein geheimnis 
volles Eindringen in ihre Privatsphäre. In diesem Zusammenhang 
wird dann auch darauf hingewiesen, daß doch eigentlich genügend 
Informationen zur Verfügung stehen würden, das Thema der Reiz 
überflutung. Auch hier ist schon gesagt worden: Der Tag hat 
24 Stunden, Es besteht für jeden in unserem Tagesablauf nur eine 
bestimmte Zeitmöglichkeit zum konsumieren von Massenmedien, 
wenn man so will, und zum aktiven Reagieren darauf. Man muß 
in der Tat sagen, daß wir gerade versuchen sollten, diese Zeit 
möglicherweise sinnvoller anzuwenden, für diese Zeit sinnvollere 
Angebote zu machen. Zum Beispiel Angebote zu machen, die sich 
auf Informationen und Probleme im kommunalen Bereich be 
ziehen. 
über diese Möglichkeiten, die Techniken bieten, müssen wir 
also die Bürger weiter informieren. Das scheint mir wichtig zu 
sein. Deswegen bedeutet der Hinweis darauf, daß eine Verkabe 
lung nun nicht sozusagen im Augenblick hier und jetzt erfolgen 
wird, sondern zunächst einmal gestoppt wird, ja nicht, daß sie für 
alle Ewigkeiten aufgehoben wird. Das ist ein sinnvoller Hinweis, 
und die Entscheidung, die dahinter steht, ist für mich eine sinn 
volle Entscheidung. Denn dann haben wir die Möglichkeiten, diese 
Autobahnen, von denen Herr Dr. Kunze gesprochen hat, nach 
einem Strukturplan zu bauen und sinnvoll zu nutzen.
	        
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