Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
13. Sitzung vom 8. November 1979
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Dr. Dittberner
(A) sprechende Entscheidungen zu treffen. Insofern kann es gar keine
fortschrittliche Politik sein, hier Wildwuchs zu ermöglichen, Wild
wuchs, der möglicherweise die Schwierigkeiten, die wir in der
Medienlandschaft der Bundesrepublik schon lange haben, nur
noch verstärkt.
Ich habe den Eindruck, daß Teile der CDU in der Bundes
republik insgesamt offensichtlich gewillt sind, den Weg zu einer
noch stärkeren Konzentration, den Weg zu einer noch geringeren
Zugangsschwelle für die Medienlandschaft in der Bundesrepublik
insgesamt gehen zu wollen. Jedenfalls würde ich das zunächst
einmal vermuten bei der Position, die Herr Albrecht in den Ver
handlungen in der Lüneburger Heide eingenommen hat, nicht so
der andere der CDU angehörende Ministerpräsident.
So gesehen geht es offenbar auch gar nicht allein um den
NDR, ein Problem, das in der Tat wichtig genug ist und über das
hier auch einiges gesagt worden ist, sondern offensichtlich ver
sucht man doch, sich eine Option oftenzuhalten, auch für eine
weitere Kommerzialisierung und Konzentration in der medien
politischen Landschaft überhaupt.
Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, daß wir, wenn
wir über neue Medien sprechen, dies natürlich im Zusammen
hang mit den alten Medien sehen müssen.
< Feilcke (CDU): Alte Mädchen! >
Wir müssen sehen, daß hier eine Ergänzung möglich ist, daß hier
eine Infrastruktur erweitert werden kann und daß wir nicht sagen,
wir hätten sozusagen ein ganz neues Terrain, das wir hier be
treten, auf dem wir sozusagen von Anfang an neu denken und
entscheiden können. Der Zusammenhang mit den alten Medien,
der Zusammenhang zum Beispiel mit dem Zeitungssterben, das
wir alle bedauern, das wir auch in dieser Stadt beobachten
können, ist zu sehen,
< Zurufe von der CDU >
was zum Beispiel gelegentlich dazu geführt hat, daß man in Land-
. kreisen der Bundesrepublik eben nur noch eine Zeitung - und
’ ' fragen Sie mich nicht, welche — beziehen kann.
< Feilcke (CDU): Die liberale Zeitung natürlich! >
- Die bestimmt nicht! — Dieses Zeitungssterben ist ein Faktor,
der auch bei der Diskussion über neue Medien mit berücksichtigt
werden sollte. Ich bin der Meinung, wir sollten versuchen, sicher
zustellen, daß nach der Konzentration auf dem Zeitungsmarkt
durch den Einsatz neuer Medien und geeigneter neuer Medien,
die durch Techniken dann vermittelt werden, eine Dekonzentration
stattfindet, die dann zum Beispiel durch Medien, wie das, was wir
Bildschirmtext, Videotext oder Kabelfernsehen oder Kabel
kommunikation nennen, ermöglicht werden könnte.
Weiterhin sollten wir uns überlegen, wie wir die neuen Tech
niken einsetzen können, damit wir der Verapparatung der Medien,
die wir doch wohl zu bedauern haben, denn es sind ja teilweise
riesige Anstalten geworden, überschaubare Einheiten entgegen
setzen können, überschaubare Einheiten, in denen auch Infor
mationen im kleinen Bereich, im kommunalen Bereich oder im
sachlich begrenzten Bereich und Kommunikation in solchen Be
reichen ermöglich wird.
Dies scheint mir der Weg zu sein, der dahin führt, daß man
die Informafionschancen in der Demokratie und für die Demo
kratie erhöht und vielleicht ein wenig näher der Verfassungs
norm kommt, wie sie im Artikel 5 des Grundgesetzes nieder
geschrieben ist. Herr Senator Dr. Sauberzweig hat hier ein Zitat
von Paul Seethe gebracht. Es ist doch wohl so, daß dieser Artikel 5
hinsichtlich der Zugänglichkeit zu den Medien bei uns, bisher
jedenfalls, noch nicht voll erfüllt wird. Die neuen Medien werden
dies auch nicht ermöglichen, aber vielleicht kommen wir in dieser
Richtung einen Schritt weiter.
Deswegen ist natürlich die Frage der Organisation der neuen
Angebote auf dem Mediensekfor von besonderer Bedeutung
und von besonderer Wichtigkeit, und man sollte sich bei der Dis
kussion über die Möglichkeit neuer Techniken und der
Faszination, die vielleicht neue Techniken bieten können, nicht
den Blick dafür verstellen lassen, daß die Organisation das Ent
scheidende ist, daß die Organisation das ist, worüber wir hier (C)
politisch zu diskutieren und zu entscheiden haben.
Die Frage ist letzten Endes: Wer wird Programmverantwor
tung tragen? Und hier ist unsere eigentliche Position — und nun
müßte gesagt werden, warum das anders sein könnte und wie man
das im Grunde anders begründen kann —: Die Programmver
antwortung soll eben nicht kommerziell, nicht privat, sondern
öffentlich-rechtlich sein.
Die Netzträger — und hier wäre vielleicht in der weiteren Dis
kussion einiges zu dem zu sagen, auch was Herr Senator
Dr. Sauberzweig über die Rolle der Bundespost ausgeführt hat -
sollen auch nicht inhaltlich Gestaltende sein, sondern sie sollen
in der Tat nur Techniken zur Verfügung stellen. Dies muß die
Linie sein. Und der Zugang zu den Medien sollte eben — wie ge
sagt — für viele offen sein.
Wir werden demnächst über das Bildschirmprojekt sprechen.
Wir haben ja hierzu — auch das ist angesprochen worden — einen
Gesetzesvorschlag. Ich möchte einiges zu dem Problem Pilot
projekt Kabelfernsehen sagen, daß in Berlin auf uns zukommen
wird. Hier haben wir nämlich die Situation sehr deutlich und sehr
plastisch vor Augen. Es ist hier von Herrn Lummer gesagt worden,
es sei doch eigentlich eine sehr reaktionäre Politik, die Verkabe
lung von Städten in der Bundesrepublik zu stoppen. Auf der ande
ren Seite ist aber allgemein und jedermann bekannt, daß wir nicht
nur in Berlin, aber eben auch in Berlin, Pilotprojekte durch
führen werden, die die Möglichkeit der Verkabelung und die Ge
fahren, die mit einer solchen Verkabelung der Kommunikations
systeme verbunden sind, überhaupt erst einmal testen und über
prüfen sollen. Mir scheint eine verantwortliche und - wenn Sie
so wollen — auch liberale Politik zu sein, daß man nicht jede
Technik einfach wild wachsen läßt, sondern erst einmal in über
schaubaren Bereichen überprüft, wie das eingesetzt werden
kann wie das funktionieren kann und welche politischen Ziel
setzungen man damit verfolgen kann. Bei dieser Gelegenheit
möchte ich einiges sagen: Wenn man dafür eintritt, daß die neuen
Medien in Ergänzung der alten zu einer größeren Öffnung der
Kommunikationsstruktur in unserer Gesellschaft überhaupt führen ( D )
sollen, dann muß man sich wohl auch in Zukunft darum bemühen,
eine Sprache zu gebrauchen, Begriffe zu verwenden, die die
Menschen überhaupt verstehen. Ich spreche über den geplanten
Pilotversuch Kabelfernsehen in Berlin. Ich erinnere mich noch
sehr deutlich, an einer Versammlung von Bürgern teilgenommen
zu haben, die als Interessanten, als Konsumenten und möglicher
weise auch als Aktive nachher für ein solches Kabelfernsehen
bei und in Berlin in Frage kommen. Diese Menschen verstehen
im Grunde gar nicht, worum es geht, was ihnen da sozusagen
ins Haus gesetzt werden soll. Sie haben schlicht Furcht vor den
neuen Medien. Hier besteht eine Aufgabe, durch Sprache und
durch Information zunächst einmal zu verdeutlichen, worum es
geht. Sie haben auch Furcht davor, daß Kosten auf sie zukom
men könnten, deren Folgen nicht abzusehen sind, und sie haben
Furcht davor, daß so etwas erfolgen könnte wie ein geheimnis
volles Eindringen in ihre Privatsphäre. In diesem Zusammenhang
wird dann auch darauf hingewiesen, daß doch eigentlich genügend
Informationen zur Verfügung stehen würden, das Thema der Reiz
überflutung. Auch hier ist schon gesagt worden: Der Tag hat
24 Stunden, Es besteht für jeden in unserem Tagesablauf nur eine
bestimmte Zeitmöglichkeit zum konsumieren von Massenmedien,
wenn man so will, und zum aktiven Reagieren darauf. Man muß
in der Tat sagen, daß wir gerade versuchen sollten, diese Zeit
möglicherweise sinnvoller anzuwenden, für diese Zeit sinnvollere
Angebote zu machen. Zum Beispiel Angebote zu machen, die sich
auf Informationen und Probleme im kommunalen Bereich be
ziehen.
über diese Möglichkeiten, die Techniken bieten, müssen wir
also die Bürger weiter informieren. Das scheint mir wichtig zu
sein. Deswegen bedeutet der Hinweis darauf, daß eine Verkabe
lung nun nicht sozusagen im Augenblick hier und jetzt erfolgen
wird, sondern zunächst einmal gestoppt wird, ja nicht, daß sie für
alle Ewigkeiten aufgehoben wird. Das ist ein sinnvoller Hinweis,
und die Entscheidung, die dahinter steht, ist für mich eine sinn
volle Entscheidung. Denn dann haben wir die Möglichkeiten, diese
Autobahnen, von denen Herr Dr. Kunze gesprochen hat, nach
einem Strukturplan zu bauen und sinnvoll zu nutzen.