Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
13. Sitzung vom 8. November 1979
460
Thomas
(A) Interessenausgleichs nach wie vor möglich sind und wie sich
gegenwärtig zeigt, in verstärktem Umfang möglich werden. Man
kann im Prinzip davon ausgehen, daß zwischen der Bundesrepu
blik Deutschland und der DDR keine übereinstimmenden Inter
essen bestehen. Unser Interesse am Ausbau der Linderung
menschlicher Probleme im gespaltenen Deutschland korrespon
diert nicht mit einem entsprechenden Interesse der Regierung
der DDR. Ihr Interesse an den innerdeutschen Verhandlungen
beschränkt sich auf eine Kompensation für die Schwächen des
sowjetkommunistischen Wirtschaftssystems auf deutschem Bo
den. Hier finden wir dann eben jenen Ausgleich, wie er auch in
dieser Vereinbarung zustandegekommen ist. Dabei sollten wir
durchaus mit einiger Berechtigung die Frage nach der Ange
messenheit der Höhe unserer Aufwendungen stellen. Keiner von
uns wird mit letzter Sicherheit sagen können, ob der Verhand
lungsspielraum in dieser — wie in anderen Fragen — voll ausge
schöpft worden ist. Weder das eine, noch das andere kann mit
letzter Sicherheit behauptet werden. Eines aber dürfte feststehen:
Der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der
Regierung der DDR erfreut sich nicht von ungefähr der breiten
Zustimmung aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Die Mitglieder des Ausschusses für Bundesangelegenheiten konn
ten dies immer wieder gelegentlich der Sitzung des Innerdeut
schen Ausschusses feststellen. Herr Gauss zeichnet sich durch
ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick und Beharrlichkeit in
der Wahrnehmung unserer und ich sage, darüber hinaus, in der
Wahrnehmung der Interessen aller Deutschen aus. Von daher
meine ich dann schon, daß das uns jetzt vorgelegte Ergebnis inso
weit akzeptiert werden kann, als der Mann, der dieses Ergebnis
erzielt hat, sich der allgemeinen Zustimmung in unserem Land
erfreut.
Wir sollten einen nüchternen Tatbestand in diesem Haus fest
stellen. Es ist gelungen, mit Geld Linderungen zu erkaufen. Und
dies ist der qualitive Fortschritt in der Deutschlandpolitik. Die 50er
und 60er Jahre waren leider von der Tatsache bestimmt, daß die
Bundesbürger, einschließlich der Bürger dieser Stadt, gezwungen
waren, für immer mehr Schikanen der mitteldeutschen Behörden
(B) mehr zu zahlen. Gott sei dank haben wir den Punkt erreicht, wo
es möglich ist, für das Geld, das wir ausgeben, Verbesserungen
zu erlangen. Insoweit gilt es nicht nur diese Vereinbarung im
Abgeordnetenhaus von Berlin zu begrüßen, sondern darüber hin
aus festzustellen, daß sich die Bundesregierung, der Senat von
Berlin und all jene politischen Kräfte, die insgesamt die Ergebnisse
unterstützen, auf dem richtigen Weg befinden.
< Beifall >
Stellv. Präsident Baetge; Als Nächster hat der Abgeordnete
Dr. Lehmann-Brauns das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Lehmann-
Brauns, Sie haben das Wort.
Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich möchte mich dem anschließen, was mein Vor
redner gesagt haben und nochmals klarstellen, daß wir den Geist
und auch das Ergebnis dieser Verhandlungen befürworten. Den
noch ein paar generelle Bemerkungen zu dem Stand der Verhand
lungen, an deren Ende ich dem Senator für Bundesangelegen
heiten zwei Vorschläge machen will, die die weitere Verhandlung
betreffen.
Wir sind hier in der Berlin- und Deutschlandfrage insoweit einig,
daß diese weder durch Sonntagsreden noch durch Kraftmeierei
bewältigt werden kann. Wir sind allerdings auch darüber einig,
daß Anpassung und Selbstverleugnung nicht zum Ziel führen. Es
gibt einen ganz schmalen Weg für diese Verhandlungen. Zyniker
könnten diesen Grat vielleicht mit der Formel beschreiben: Du
hast keine Chance, nutze sie! Was uns zu den Verhandlungen
treibt, ist das Bewußtsein einer Amputation, ist das Bewußtsein,
daß wir durch diese Teilung bereits zu einer Art Rest-Schweiz
verformt worden sind. Aus dieser Situation wollen wir heraus
kommen und sind bereit, dafür zu zahlen.
Was könnte bei den kommenden Verhandlungen noch erreicht
werden, ohne von der DDR Prestigekonzessionen zu erwarten
und ohne aus dem bisherigen Verhandlungsgefüge herauszu
gehen? Ich habe zwei Vorschläge zu machen: und
Nummer eins wäre, die Mehrtagesbesuche über die Besucher- (C)
büros, statt — wie derzeit — über eine Kontaktperson in der DDR
abzuwickeln. Das würde die Wartezeit derartiger Kontakte von
sechs Wochen auf drei Tage verkürzen.
Zweitens, Erteilung von Sofortvisa an den Übergangsstellen
bei Vorlage des Mehrfachberechtigungsscheins. Es erspart die
lästige Formalität, die Besucherbüros jeweils nochmals aufzu
suchen. Die Besucherbüros sind ja auch nicht immer offen. Vor
schlag eins würde die Besucherbüros mehr belasten, Vorschlag
zwei würde sie entlasten. Beides wäre deshalb meiner Ansicht
nach auch in technischer Hinsicht ausgewogen. — Ich danke
Ihnen!
< Beifall bei der CDU >
Stellv. Präsident Baetge: Als Nächster hat Herr Senator Hei-
mann das Wort. Bitte schön, Herr Heimann, Sie haben das Wort.
Heimann, Senator für Bundesangelegenheiten: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte durch einen eigenen
Beitrag nicht verlängern. Ich stelle nur fest, daß die Einigkeit, die
wir haben, in Ihrer Fraktion, Herr Lummer, doch wohl noch ein
bißchen schwierig ist. wie ich aus der Vielzahl der weiteren Wort- ,
meldungen gesehen habe.
< Führer (CDU): Nee, Nee! >
Aber trotzdem. Es bleibt wohl bei dem, was ich vorher gesagt
habe.
< Thomas (SPD); So ist es! >
Ich habe mich gemeldet, um auf eine Frage, die Herr Führer ge
stellt hat, konkret zu antworten und die eben auch noch einmal
in einer Reihe von einzelnen Punkten in anderer Weise hier formu
liert worden ist. Ich möchte Ihnen sagen und ganz klar auf Ihre
Frage antworten: All das, was Sie vorgetragen haben, sind alte,
gemeinsame, auch alle Forderungen, die im Ausschuß für Bundes- (D)
angelegenheiten von uns allen immer wieder gemeinsam erhoben
worden sind.
< Thomas (SPD): So ist es! >
Der Senat kennt sie, aber er kennt sie nicht nur - und das muß
ich jetzt so sagen, damit es auch haarscharf richtig ist. Wenn Sie
fragen, ob das in die Verhandlungen einbezogen worden ist, dann
sage ich korrekterweise: Das war nicht Gegenstand der Verhand
lungen, aber ich füge hinzu: mit ganz großem Nachdruck hat unser
Verhandlungsführer auf diese Punkte und andere Punkte dieser
Art hingewiesen und unser Interesse deutlich gemacht. Dies ge
schieht gleichermaßen auf der Berliner Ebene, auf der Ebene der
Besuchsbeauftragten der beiden Seiten. Ein Ergebnis mag sein,
über das wir uns hier gemeinsam gefreut haben, daß 1,2 Millionen
Menschen mehr in den kleinen Grenzverkehr einbezogen worden
sind.
< Wohlrabe (CDU); War aber schon gesagt! >
Andere Ergebnisse, die wir gemeinsam weiterverfolgen, sind
bisher nicht erreicht.
Stellv. Präsident Baetge: Meine Damen und Herren! Weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat die Aktuelle Stunde
ihre Erledigung gefunden.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 2, Drucksache 8/195:
I. und II. Lesung der Vorlage - zur Beschlußfassung —
über Gesetz zur Übernahme von Gesetzen