Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
12. Sitzung vom 25. Oktober 1979
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Swinne
(A) gemacht —, daß dieser Zeitraum zu lang ist. Und in diesem Fall
würde ich ihm recht geben, daß die Verwaltung, wenn sie diesen
Konflikt sieht, ein wenig schneller handeln sollte,
< Lummer (CDU): Genau das ist es! >
Aber bei dieser Angelegenheit gibt es doch einen bitteren
Beigeschmack, und zwar, wie die Angelegenheit in die Öffentlich
keit kam. Ich muß Sie daran erinnern — das wissen Sie von der
CDU ja auch —, daß am 12. Oktober dieses Jahres der berühmte
Brief des Hauptpersonalrats kam, der aufgrund einer ganz
anderen Angelegenheit dort war. Wie ich erfahren habe und wie
Sie ja alle wissen, ist er dort gewesen, um eine Sozialfrage an
dieser Arbeitsstelle zu klären, weil die dort Beschäftigten gefor
dert haben, sie wollen einen festen Bau haben, befestigte und
beheizte Räume, Sozialräume, wo sie im Winter und im Sommer
Unterkommen können. Und das wurde zum Anlaß genommen,
auch über die sonstige Situation zu sprechen. Dieses Schreiben,
das vom Hauptpersonalrat an den Regierenden Bürgermeister
gerichtet war — es ist ja an sich ein internes Schreiben —, war auf
einmal in der Öffentlichkeit. In dem Schreiben wurde es so
dargestellt, daß nun ein großer Skandal auf das Land Berlin
zukommt.
Dieses Schreiben sehe ich auch im Zusammenhang mit
anderen Vorgängen in dieser Stadt, wie beispielsweise jüngst die
Aussprache — wie man lesen konnte, ich glaube, am Dienstag
oder Mittwoch — die auch Personalräte in dieser Stadt mit dem
Regierenden Bürgermeister hatten. Dort haben die Personalräte
wiederum geschimpft, daß bestimmte Journalisten in dieser Stadt
Informationen aus den Eigenbetrieben geben. Das gefiele ihnen
nicht. Man hat doch den Eindruck, daß auf der einen oder anderen
Seite jeder auf seinen Lukas einhaut, mit der Vorstellung, daß
doch mit diesen Indiskretionen aufgehörf werden solle. Und der
Meinung bin ich auch, daß man nicht auf dem öffentlichen Markt
die internen Probleme der Verwaltung auf diese Weise austrägf.
Das finde ich bedauerlich. Dieser Beigeschmack ist bei dieser
ganzen Sache doch vorhanden, daß man glaubt, daß hier die
Personalräte und andere Leute ihre Süppchen mitkochen wollen.
B)
Stellv. Präsident Baetge: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Swinne (F.D.P.): Bitte schön, Herr Lummer!
Stellv. Präsident Baetge; Herr Lummer, bitte schön. Sie haben
das Wort.
Lummer (CDU): Herr Kollege! Unbeschadet Ihres berechtigten
Verständnisses für den Beigeschmack möchte ich Sie fragen:
Glauben Sie, daß nach so vielen Monaten jetzt eine Lösung vom
Senator vorgelegt worden wäre, wenn es nicht zu diesen Indiskre
tionen gekommen wäre?
Swinne (F.D.P.): Ich kann keinen Gegenbeweis antrefen. Von
dem tatsächlichen Geschehensablauf muß ich Ihnen im großen
und ganzen recht geben. Ich meine, die Opposition hat ja formal
einen Erfolg gehabt. Sie kann ja sagen, sie hat das Problem an
die Öffentlichkeit gebracht, es wurde hier im Abgeordnetenhaus
erörtert, und der Senat hat erklärt, daß dieser Schaden, der
besteht, abgeschafft wird. Aber ich muß auch dem Senat recht
geben, daß der Senator für Inneres durchaus sehr ehrenwert
gehandelt hat. Er hat sich nicht zurückgezogen, eingekastelt und
gesagt, dieser Skandal muß irgendwie verdeckt werden, sondern
er ist mit den Journalisten am gleichen Tag vor Ort gegangen und
hat diese Frage der Öffentlichkeit vorgestern. Und hier muß ich
dem Senator meinen Dank aussprechen, daß er eine Verfahrens
weise gezeigt hat, wie man auch in der Öffentlichkeit scheinbar
schwierige Fragen sachlich und ehrenwert lösen kann, so daß
sich die Öffentlichkeit nicht verschaukelt fühlt.
< Beifall bei der F.D.P. und der SPD >
In dieser Frage ist in Berlin nicht der Eindruck entstanden, daß
irgend jemand verschaukelt worden ist. Und dafür gilt diesem
Innensenator Dank, daß er das geschafft hat. - Danke schön!
< Beifall bei der F.D.P. und der SPD >
Stellv. Präsident Baetge; Das Wort hat der Abgeordnete (C)
Schmitz. — Bitte schön, Herr Schmitz!
Schmitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es ist manchmal erstaunlich, wie Debatten in diesem Hause ge
führt werden, wenn es um Belange der Sicherheit geht. Ich kann
eigentlich nur meiner Meinung Ausdruck geben, Herr Kollege
Gollnick, daß Ihnen in der SPD-Fraktion nicht die Bericht
erstattung zuteil wurde, die wir in der CDU-Fraktion in der
Zwischenzeit uns verschafft haben, denn sonst sind Ihre Aus
führungen schlichtweg unverständlich. Daß der Senator hier
versucht hat, eine nicht zu bestreitende Gesamtsituation durch
eine breit ausgefächerte Beantwortung zunächst abzuschwächen
und dann eine Abwägung vorzunehmen, die schon vom Aus
gangspunkt her schief sein muß, und dann noch zu dem Ergebnis
kommt, es wäre alles so bestens gelaufen, ist zwar menschlich
verständlich und vielleicht auch politisch noch akzeptierbar, bloß
daß Sie, Herr Kollege Gollnick, der Sie ja lange genug im Sicher
heitsausschuß sitzen und es besser wissen, das auch noch auf
greifen, war für mich völlig unverständlich.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, daß in einem mir vor
liegenden Vermerk der Direktion Polizeitechnische Unter
suchungsanstalt vom 18. Juli 1979 darauf hingewiesen wird, daß
auf diesem Sprengplatz häufig Diebstahlsdelikte Vorkommen,
und nun heißt es wörtlich;
Angesichts der völlig unzureichenden Sprengplafzsicherung
sind auch gegenwärtig wieder aufgeschnittene Zäune fest
gestellt worden, letztmalig am 9. Juli 1979.
< Wronski (CDU); Noch mal für Herrn Gollnick! >
Das war am 18. Juli 1979, also etwa acht oder neun Monate nach
dem berühmten Diebstahl vom September 1978. Daß mit diesen
Sachbeschädigungen Munitionsdiebstähle in Verbindung stehen,
ist sehr wahrscheinlich, aber - wie bereits erklärt — nicht immer
nachweisbar, weil es nämlich in praxi eine Totalkontrolle der dort
lagernden Bestände überhaupt nicht gibt. Und wer genau zu- |
gehört hat, meine Damen und Herren, wird auch gehört haben, * D '
daß zwar in einem besonders geschützten Bereich Sprengstoff
und Sprengkapseln lagern, daß aber daneben in einem nicht
besonders geschützten Bereich über dreißig Tonnen Granaten und
Bomben gelagert sind, die einmal im Jahr zur Sprengung kommen,
und daß es auch ungefähr 150 Gewehre und Pistolen dort gibt,
die meist unbrauchbar sind, aber es sind nicht alle unbrauchbar.
Wer die Praxis der Strafverfolgung von Bürgern dieser Stadt mit-
erlebf, die sich eine teils brauchbare oder vielleicht sogar un
brauchbare Waffe zugelegt haben, der wird wissen, daß das, was
sich hier abgespielt hat, wirklich ein bodenloser Skandal ist.
< Wronski (CDU): Sehr richtig! — Beifall bei der GDU >
Hier geht es nun in diesem Bericht weiter: Da weisen die
Beamten darauf hin - fachkundige Beamten -, daß trotz ständiger
Berichtsarbeit über die unverantwortliche und unzureichende
Sicherheitslage auf dem Gelände dieser Zustand seit Einrichtung
dieses Platzes andauert und es bisher lediglich erreicht werden
konnte, daß das Sprengstofflager, über das ich eben sprach, eine
etwas bessere Sicherung erfuhr. Es müsse daher seitens dieser
Fachbeamten angenommen werden, daß den politisch verant
wortlichen Führungskräften die sehr bedenkliche Situation völlig
unbekannt ist, die nicht nur die eingesetzten Beamten zu ständi
gen Gesetzesverstößen zwingt — was ausgeführt wird: Lager
verordnung zum Sprengstoffgesetz usw. —, sondern in vielen
denkbaren Fällen den politischen Verantwortungsträger außer
ordentlich belasten kann.
Das sind Unterlagen aus dem Juli dieses Jahres. Was ist
daraufhin geschehen? Nichts, meine Damen und Herren! Es ist
eigentlich dann erst etwas passiert, nachdem die Sache in der
Öffentlichkeit bekanntgeworden ist und man nun Stacheldraht
angefahren hat. Die Antwort des Senats, Herr Innensenator,
konnte nur deshalb so ausfallen, weil Sie — das können wir alle
nur begrüßen — das Glück haben, daß nicht mehr passiert ist,
als daß mit den gestohlenen Sprengmitteln lediglich einmal eine
Mauer bei der französischen Besatzungsmacht hochgegangen
ist und lediglich einmal ein Auto gebrannt hat. Ich stelle die
Frage: Was wäre geschehen, wenn hinter dieser Mauer lebende