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Volume Nr. 12, 25. Oktober 1979

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1979, 8. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
12. Sitzung vom 25. Oktober 1979 
404 
Dr. Hassemer 
(A) Sie haben daneben — und das ist eine weitere Ebene — den 
Flächennutzungsplan. Der ist eigentlich in Berlin besonders wich 
tig, denn die Flächennutzungsplanung, Herr Kollege Wartenberg, 
das wissen Sie wohl auch, ist eigentlich die Ebene, die hier in 
Berlin Landes- und Raumplanung nach dem Raumordnungsgesetz 
sein sollte. Man sollte also meinen, Ihr Arbeit würde sich auf den 
Flächennutzungsplan beziehen. Es ist aber nicht so, denn Sie 
haben im Zusammenhang mit dem räumlichen Entwicklungs 
modell und der Flächennutzungsplanung nun die Bereichs 
entwicklungsplanung erfunden. Die Bereichsentwicklungsplanung 
ist immer dann sinnvoll, wenn man mal eine übergreifende Pla 
nung hat, doch ich wäre dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, 
wo Sie die raumscharfe, orfsscharfe Planung für den Gesamt 
bereich Berlins haben, in die dann die Bereichsentwicklungs 
planung hineingebaut werden könnte. 
Herr Regierender Bürgermeister, ich glaube, es wäre falsch, 
hier den Vorwurf an die einzelnen Verwaltungsstellen zu geben. 
Denn es ist gar keine Frage, daß die Luftreinhalter oder die, die 
sich mit Abwasser und mit Lärm beschäftigen, die Landschafts 
und Naturschützer im einzelnen ganz sicher nicht in der Lage sind, 
diese Aufgabe zu bewältigen. Die sehen nämlich mit Recht tradi 
tionell ihren Einzelbereich. Was Sie tun müßten, ist, eine quer 
schnittsorientierte Planung, eine querschnittsorientierte Aufgabe 
zu definieren, die im einzelnen tatsächlich in der Lage wäre, Teil 
der Stadt- und Landesplanung in Berlin zu sein; daran fehlt es. 
— Ich zitiere nur aus der Zeitung, Herr Momper. Herr Ristock war 
in der schwierigen Situation, nachdem schon sein für Umwelt 
schutz zuständiger Kollege Pätzold einen Beirat hatte, einen Be 
griff zu finden, bei dem man nicht gleich merkt, daß das eine 
Doppelung von Organisation ist, was hier stattfindet. Und da kam 
er leider offenbar nur auf den Begriff „Meckerecke“. Und das 
Schlimme ist, Herr Momper: Das stellt die Situation haarscharf 
richtig dar. Die Umweltleute sind im Verhältnis zur Stadtplanung, 
im Verhältnis zu dem, was beim Bausenator passiert, die 
Meckerer; das sind die, die nicht einverstanden sind mit diesem 
„Vernünftigen", was in Berlin so gestaltet wird, mit dem, was an 
Beton über Berlin ergossen wird. Die meckern immer, die Um 
weltschützer! 
< Momper (SPD); Nun lesen Sie doch einmal vor, was in 
der Zeitung gestanden hat, damit wir wissen, wovon Sie 
überhaupt reden; denn das weiß ja anscheinend keiner 
— auch der Bausenator nicht! — 
Diepgen (CDU); Nicht schütteln! Der Korken knallt 
sowieso gleich! > 
-■ Herr Momper, wenn der Bausenator bei bestimmten Sachen 
nicht mitkommt, muß das noch nicht heißen, daß ich nicht 
objektiv recht habe. 
< Beifall bei der CDU — Momper (SPD); Da kommt 
ja außer Ihrer Fraktion keiner mit! — Zuruf von der CDU: 
Mompers Meckerecke! > 
- Ich meine, Herr Momper, wir sollten dafür sorgen, gerade Sie 
und ich, die wir ein bißchen Umweltschutz machen, daß die Um 
weltleute weder meckern in Zukunft, noch in der Ecke stehen. 
< Beifall bei der CDU und Zuruf; Noch mompern! > 
Zur Sache nur: Was wir inzwischen also haben, ist nicht nur eine 
Verdoppelung von Senatsorganisationen, sondern auch eine Ver 
doppelung von Beiräten von Umweitleuten. Die Leute werden 
heute da und morgen da eingeladen und werden dann vielleicht 
von einem Senator auf den anderen vertröstet. Das ist die Kon 
sequenz daraus, daß sich mindestens zwei Senatoren hier in 
Berlin für Umweltschutz zuständig fühlen — zwei, die ja auch nicht 
unbedingt ständig hervorragend miteinander auskommen. 
Zu unserer zweiten Frage meinen wir — und das betrifft auch 
den Begriff „Meckerecke“ —, daß Umweltschutz heute eben nicht 
in einer Verwaltung organisiert werden darf, die sich prinzipiell 
mit dem Heilen von Schäden beschäftigt, die Leute wieder gesund 
machen will, also versuchen will, Gesundheit nur herzustellen 
und nicht mehr, sondern daß Umweltschutz heute organisiert 
werden muß in einer vorsorgend planenden Behörde, die von 
vornherein schon in der Lage ist, durch die Zuordnung von 
Funktionen in der Stadt Schäden zu vermeiden, und die nicht 
darauf ausgerichtet ist, erst einmal Schäden entstehen zu lassen, 
um sie anschließend wieder zu kurieren. 
< Beifall bei der CDU > 
Wir sollten auch — und das tun wir auch, wenn wir Umweltschutz 
mit Stadtplanung in einem Ressort organisieren — dafür sorgen, 
daß sich die Stadtplaner bewußt machen, daß jeder Eingriff in 
die Umwelt, jede raumwirksame Maßnahme nicht nur Positives, 
das man damit erreichen will, mit sich bringt, sondern daß die 
Medaille auch immer eine andere Seite hat und die andere Seite 
eben sein kann, daß möglicherweise erhebliche Nachteile für die 
Umwelt eintreten. Wenn das die Stadtplanung nicht beachtet, 
werden wir im Bereich des vorsorgenden Umweltschutzes auf 
Dauer keinen Schritt weiterkommen. 
< Beifall bei der CDU > 
Der dritte Punkt: Der Umwelfsenator sollte in Zukunft nach 
unserer Auffassung etwa so organisiert sein, daß er sich tat 
sächlich auch als derjenige, der den wichtigen Haushalt Umwelt 
zu verwalten hat, durchsetzen kann. Jeder weiß in Berlin — wir 
haben es gerade vorhin wieder gesehen —, daß wir für die finan 
ziellen Aspekte dieser Stadt, für das knappe Gut Finanzen einen 
beachtlichen, einen starken Senator haben. Wir meinen, daß das 
knappe Gut Ökologie einen ähnlich starken Budgetverwalfer ver 
trägt, was nicht unbedingt eine Attacke sein muß gegen Ver 
kehrsplanung oder Wirtschaftsplanung oder Bauplanung. Was wir 
Ich komme nun zu dem, was an möglichen Antworten hinter 
den Fragestellungen unserer Großen Anfrage steht. Wir fragen 
zunächst allgemein, ob Berlin sich leisten kann, daß nur eine 
Abteilung in einem Senatsressort den Begriff „Umweltschutz“ 
führt; ob Berlin als ein Land mit den Problemen, wie ich sie vorhin 
geschildert habe, mit Recht sagen kann, wenn Umweltschutz nur 
im Namen einer einzigen Abteilung der Gesundheifsverwaltung 
steht, daß es den gestiegenen Ansprüchen des Umweltschutzes 
gerecht wird. Wir fragen auch danach, ob Sie angesichts der Tat 
sache, daß Sie Umweltschutzzuständigkeiten anderer Art verteilt 
haben auf andere Ressorts, nicht auch der Auffassung sind, daß 
in einer solchen Organisationsform des Nebeneinanderherarbei- 
tens, des Sich-auch-zum-Teil-im-Wege-Stehens, nicht genau 
diese grundsätzlichen Fehler der Verwaltung und damit auch die 
Verschleuderung von Personen, Geldern und Idee impliziert sind. 
Ich habe da ein ganz interessantes Bespiel: Vor zwei Tagen 
konnte ich der Presse entnehmen, daß — nachdem wir schon die 
traditionell gute Einrichtung des Umweltbeirats beim Senator für 
Gesundheit und Umweltschutz haben — nun auch der Senator 
für Bauwesen eine solche Sache eingerichtet hat. Das Ganze 
heißt aber jetzt nicht Beirat, sondern heißt: Meckerecke. Herr 
Senator Ristock, zu diesem Begriff zunächst einmal einige Worte. 
Wer heute noch den Umweltschützern sagt: Das, was ihr macht, 
was ihr uns gegenüber beitragt — ihr, die ihr mit uns sprecht, ihr 
kommt aus der „Meckerecke“!, der ist meiner Meinung nach auf 
einem absolut falschen Dampfer. 
< Beifall bei der CDU — Wohlrabe (CDU); Das sind 
Sozialisten, das ist sozialistisches Verständnis! — 
Momper (SPD): Was ist denn das für eine „Meckerecke“? — 
Sen Ristock: Das hat Ristock aber nie gesagt! > 
Sie haben also eine Menge von sich summierenden Planungen, 
ohne daß Sie das Planungskonzept haben. Sie haben eine Menge 
von Planungen, ohne daß wir in der Sache tatsächlich einen 
Schritt im Sinne der Zielsetzung, geordnete Stadtplanung in Berlin, 
weitergekommen sind. 
Die Frage ist: Wie sollen eigentlich, wenn die stadtplanerischen 
Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann die ökologischen Kri 
terien für die Stadtplanung in Ihre nicht vorhandene Planung ein 
gebaut werden? Es ist doch kein Wunder, daß sich die Bürger 
immer wieder fragen: Was ist Umweltschutz hier in Berlin? Ist 
Umweltschutz und Umwelt eigentlich der Bauplatz für Einrichtun 
gen unterschiedlicher Art? Ist Umweltschutz immer nur dazu da, 
zwei Schritte zurückzugehen, oder ist Umweltschutz auch eine 
vorsorgende, in die Offensive gehende Planung? 
Ich glaube, eine Planungssystematik, wie wir sie in Berlin 
haben, läßt nicht zu, daß ökologische Kriterien eingespielt werden, 
weil die Planung in sich unschlüssig ist.
	        
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