Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
11. Sitzung vom 11. Oktober 1979
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Wahl
|A) zur Spielmöglichkeit — und darüber herrscht ja hier im Hause
weitgehend Einigkeit, daß zu den Notwendigkeiten für Kinder
ihre Spielmöglichkeiten gehören. Ich habe so zum Beispiel
danach gefragt, welche rechtlichen Möglichkeiten der Senat sieht,
die Spielverbotsschilder, die wir aut vielen Wohnhöfen noch
haben — und dabei gibt es sehr viele Wohnhöfe, die sehr wohl
zum Spielen gut geeignet wären —, zu entfernen.
< Wronski (CDU): Milder Kneifzange! Nägel rausziehen! >
Der Senat hat, rechtlich möglicherweise korrekt, zumindest wenn
man es aus dem Zivilrecht herleitet, geantwortet, daß er grund
sätzlich keine rechtlichen Möglichkeiten sieht, diese Verbots
schilder zu entfernen. Diese Antwort vom Justizsenator wird
aber lobenswerterweise, muß ich an dieser Stelle sagen, da
durch abgeschwächt, daß er in der Fortsetzung der Antwort
bereits sehr deutlich darauf hinweist, daß der Senat von Berlin
auch einige Erkenntnisse umzusetzen versucht und daß es einen
besonderen Schwerpunkt in der am 1. Juli 1979 in Kraft getrete
nen novellierten Berliner Bauordnung gibt, nämlich die Vor
schrift, die die Kinderspielplätze betrifft. Danach ist nicht nur bei
der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen,
sondern auch bei bestehenden Gebäuden die Herstellung und
Unterhaltung von Spielplätzen zu verlangen, wenn nicht im
Einzeltall schwerwiegende Belange des Eigentümers entgegen
stehen. Dafür ist natürlich der Justiz grundsätzlich zu danken,
wenn sie im Rahmen einer derartigen Antwort sehr deutlich
macht, daß es auch Möglichkeiten gibt.
< Wronski (CDU): Gehört in den Bauausschuß;
der hat die Bauordnung gemacht! >
— Auch der Ausschuß für Jugend hat zumindest an diesem
Paragraphen der Bauordnung mitgewirkt. Und diejenigen, die an
den Debatten und Diskussionen teilgenommen haben, werden
sich noch sehr deutlich daran erinnern, wie intensiv wir die
Umformulierung des § 10 Absatz 4 besprochen haben, bis wir sie
erreicht hatten.
Und damit komme ich zur zweiten Problematik, nämlich daß
(B) in dieser Bauordnung aus der Kann- eine Sollvorschrift geworden
ist. Es gibt nun natürlich bei den Juristen eine sehr genaue
Auslegung, aber es ist doch wohl so, daß bei einer Sollvorschrift
ein durchschnittlich vernünftiger Mensch davon ausgeht, und
auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich ja dieser Meinung
angeschlossen, daß eben eine derartige Sollvorschrift in der
Regel wie eine Mußvorschrift zu behandeln ist, wenn nicht eben
der Ausnahmetall eintritt, daß besondere Umstände vorliegen.
Da ist die Verwaltung aber offensichtlich nicht in der Lage, diese
Gedankengänge auch in die Praxis umzusefzen. Ich erinnere
noch einmal daran, es geht ja hier bei dieser Debatte im
Augenblick darum: Wie verhält sich die Verwaltung generell und
ganz besonders im Jahr des Kindes gegenüber Kindern? Die
Bewußtseinsbildung in der Verwaltung ist eben in der Vergangen
heit offensichtlich noch nicht erfolgt. Das ist es, was ich bedauere!
Ich habe nämlich genau wegen der unterschiedlichen Auf
fassung gefragt, warum die Bauverwaltung von den Möglich
keiten, die ihr zugunsten der Kinder eingeräumt wurden, noch
nicht den entsprechenden Gebrauch macht. Ich habe eine sehr
unbefriedigende Antwort von der Bauverwaltung bekommen, die
nur eigentlich den Schluß zuläßf, daß die Bauverwaltung nicht
bereit ist, sich mit der besonderen Problematik besonders
intensiv auseinanderzusetzen. Und dieses — noch einmal wieder
holt — auch im Jahr des Kindes nicht.
Ich habe nachgefragt, warum diese Schwierigkeiten bestehen,
und ich habe eine Zwischenantwort bekommen, aus der ich
eigentlich nur schließen kann, daß ich nicht nur die Bauverwal
tung mit meiner Frage in Schwierigkeiten gestürzt habe, sondern
die Berliner Verwaltung insgesamt, denn es ist mir in dieser
Zwischenantwort — die endgültige Antwort liegt immer noch nicht
vor - mitgeteilf worden, daß der Senat die Kleine Anfrage leider
nicht termingerecht beantworten kann, weil Rechts- und Aus
legungstragen grundsätzlicher Art aufgetreten sind. Es wird daher
um Fristverlängerung gebeten.
< Zurufe von der CDU: Unerhört! —
Wronski (CDU): Schon genehmigt! >
Wenn dieses nicht ein ganz bezeichnendes Beispiel dafür ist, daß
die Forderung des Jahres des Kindes, auch zu einer Bewußtseins
bildung in Verwaltung und anderen Institutionen zu kommen,
bisher nicht erreicht ist, dann weiß ich nicht, was es sonst noch
sein könnte.
Es gehl aber nicht nur um die Bauverwaltung oder andere Ver
waltungen, die ich in diesen Beispielen eben angesprochen habe,
von denen man noch gewissermaßen sagen könnte, daß sie
aufgrund ihrer Aufgabenstellung etwas entfernt von der Pro
blematik der Kinder sind. Ich habe noch einen Fall, der glaube
ich, genauso symptomatisch ist für das Nichtwollen oder Nicht
können von Verwaltungen, sich in besondere Problematiken im
Zusammenhang mit Kindern hineinzudenken. Ein Berliner Sender
hat vor einiger Zeit einen Fall aufgegriffen, bei dem eine junge
Frau ein Pflegekind aufnehmen wollte. Dieses Pflegekind durfte
sie nicht aufnehmen, weil ihre Wohnverhältnisse nicht ausreichend
seien. Es sind zwei Jugendämter an diesem Problem beteiligt. Ein
Jugendamt und das Landeswohnungsamt können sich nicht
einigen, und das Heim und das andere Jugendamt haben
unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben.
< Wronski (CDU): Nanu? - Diepgen (CDU); Unerhört! >
— Ja, jede Stellungnahme ist logisch, aber auf der anderen Seite
auch bedauerlich. Es war ja der Ausgangspunkt meiner Aus
führungen, daß ich behaupte, daß eine der Forderungen, die im
Katalog der Dinge, die im Jahr des Kindes durchzuführen
gewesen wären, eben nicht erfüllt worden ist.
Die Bewußtseinsbildung, die an mehreren Stellen gefordert
worden ist, ist offensichtlich noch nicht bis in alle Verwaltungs
stuben gekommen. Der Fall ist tatsächlich bis heute nicht ent
schieden, und ich befürchte, daß er auch bis zum Ende des Jahres
des Kindes nicht entschieden werden kann, weil Verwaltungen
tatsächlich nicht in der Lage sind und offensichtlich überfordert
sind, auch einmal Entscheidungen zu fällen, die lediglich ein
bißchen Verständnis verlangen und nicht nur das sture Festhalten
an Vorschriften.
Als letztes möchte ich einen weiteren Vorgang aufgreifen, der
sich im Vorfeld der Programmerstellung für das Jahr des Kindes
abgespielt hat. Aber auch diesen Vorgang halte ich für so be
zeichnend, daß er noch einmal in die Erinnerung zurückgerufen
werden sollte. Als das Senatspapier, was wir hier im Hause zur
Vorlage bekommen haben, sich im Mitzeichnungsverfahren be
fand, wurde es aufgrund eines dankenswerten Hinweises aus der
Senatsverwaltung für Gesundheit und Umweltschutz um einen
Punkt erweitert. Dieser Vorschlag der Senatsverwaltung für
Gesundheit und Umweltschutz sollte die Möglichkeit mobiler
Vorsorgeuntersuchungen bei zum Beispiel Kindertagesstätten
beinhalten. Dieser Punkt mußte aufgrund eines Einspruchs der
Senatsverwaltung für Finanzen aus dem Programm wieder her
ausgenommen werden, weil der Finanzsenator die Befürchtung
geäußert hat, daß aufgrund dieses Vorschlags der Gesundheits-
Verwaltung Folgekosten auf ihn zukommen könnten. Eine Ab
lehnung, obwohl im Programm zum Jahr des Kindes festgehalten
worden ist, es sollten auch im Jahr des Kindes bleibende Ver
besserungen für Kinder erreicht werden. Diese mögliche Ver
besserung für Kinder ist also schon im Ansatz getötet worden,
und ich möchte zusammenfassend sagen: Es ist verschiedentlich
und zumindest in diesem Punkt der Auftrag des Jahres des
Kindes nicht erfüllt worden!
< Beifall bei der F.D.P. — Zurufe von der CDU:
Das ist ja . . .! >
Stellv. Präsident Baetge: Nächste Rednerin, meine Damen und
Herren, ist Frau Senatorin Reichel. Bitte schön, Frau Reichel,
Sie haben das Wort.
Frau Reichel, Senatorin für Familie, Jugend und Sport: Herr
Kollege Wahl! Es ist natürlich so, daß die Aufgaben eines Jahres
des Kindes mit dem Jahr des Kindes nicht enden. Wir sind uns
klar darüber, daß noch eine ganze Reihe von Bewußtseins
veränderungen und -Verbesserungen notwendig ist. Aber wenn
Sie die Frage der bleibenden Werte ansehen, dann muß man
dabei auch sehen, daß die Änderung der Familiengründungs
darlehen, daß das Geld für den Null-Tarif immerhin schon ganz
(C)
(D)