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Volume Nr. 5, 14. Juni 1979

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1979, 8. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
5. Sitzung vom 14. Juni 1979 
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Dr. von Weizsäcker 
(A) ebenso berührt wie ihre nationale und ihre internationale Aus 
strahlung. 
< Beifall bei der CDU > 
Diese Feststellungen der Enquete-Kommission sind unverändert 
zutreffend. Es ist zwingende Grundlage einer Regierungspolitik, 
dem Rückgang der deutschen Bevölkerung in Berlin zu wehren. 
Wir können auch nicht einfach auf die Entwicklung in anderen 
Millionenstädten hinweisen. Berlin hat kein Umland. Daher stellt 
sich die Aufgabe in Berlin anders als in gleichgroßen anderen 
Städten. 
< Beifall bei der CDU > 
In diesen erweiterten Zusammenhang gehören die Maßnahmen 
der Arbeifsmarktpolitik, der Anziehungskraft unserer Erziehung 
und des Bildungswesens, des Freizeitwertes unserer Stadt. Hier 
sind die wohnungsbaupolitischen Maßnahmen von entscheidender 
Bedeutung. Und hier haben wir überdies mit' Interesse in der 
Regierungserklärung einige Akzente zum wohnungspolitischen 
Programm gelesen, die freilich wesentlich stärker an Wahl 
kampfaussagen der Berliner CDU als an diejenigen der Koalition 
erinnern. 
< Beifall bei der CDU — Papenfuß (SPD); Können Sie 
denen denn zustimmen? > 
Ich wollte Ihnen ja nur sagen: Selbst wenn der Grips sich erst 
nach der Wahl einstellen sollte, ist er uns willkommen, 
< Beifall bei der CDU > 
Ich erwähne die Verstärkung der Neubaupolitik, die Förderung 
der Eigentumsbildung, die Erleichterung des Ausbaus der Dach 
geschosse und insbesondere die Familiengerechtigkeit der Woh 
nungen. Familienförderung ist unter allem die wichtigste Maß 
nahme. Die Entscheidung über Elternschaft und Kinderzahl liegt 
allein in der Verantwortung der Eltern. Darüber sind wir uns alle 
einig. 
< Beifall bei der F.D.P. > 
Politische Aufgabe aber ist es, dazu beizutragen, daß eine Ent- 
Scheidung zugunsten von Kindern materiell zumutbar wird 
< Beifall bei der CDU > 
und daß sie auch im Sinne sozialer und immaterieller Wert 
maßstäbe erstrebenswert wird. Es gilt, durch langfristige Maß 
nahmen dafür zu sorgen, daß es in Berlin keine Strafe ist, Kinder 
zu haben, und daß es vor allem Freude macht, ein Kind in dieser 
Stadt zu sein. 
< Beifall bei der CDU > 
Es gilt, Kinderfeindlichkeit zu überwinden, und dazu gehört es 
auch, Mütterfeindlichkeit zu überwinden. Ein Erziehungsgeld für 
Eltern ist dafür ein bedeutsames Mittel. Im übrigen darf es nicht 
so bleiben, daß kinderlose Paare sich einen doppelten Renten 
anspruch erwerben können, während kinderreiche Familien unter 
eigenen materiellen Verzichten die Verantwortung in unserer 
Gesellschaft dafür tragen müssen, daß der Generationsvertrag 
langfristig funktioniert. 
< Beifall bei der CDU > 
Das haben wir zwar nicht von Berlin aus zu entscheiden, aber 
darauf haben wir von Berlin aus einen Einfluß, und den müssen 
wir auch nehmen. 
< Beifall bei der CDU > 
Die Regierungserklärung aber schweigt sich in diesem ent 
scheidenden Themenbereich aus. 
Ein weiteres für die Zukunft Berlins entscheidendes Thema wird 
von der Regierungserklärung stiefmütterlich behandelt; die 
Planung und die Entwicklung der Stadt. Gerade jetzt stehen wir 
in Berlin vor einer entscheidenden Weichenstellung für die 
nächsten Jahrzehnte. Neben Bundesgartenschau, Preußen-Aus 
stellung, Schinkel-Jubiläum, 750-Jahr-Feier ist es vor allem die 
Internationale Bauausstellung, die den Auftrag, die Chance und 
die Mittel für weitreichende Entscheidungen bietet. Es geht vor 
allem darum, den Freiraum im Zentrum der Stadt und am Rand 
der Mauer in einer Form zu gestalten, die für die kommende Zeit 
prägend wird. Was wir dazu zunächst brauchen, ist ein Wett 
bewerb, nicht im Bauen, sondern im Planen. Die Stadt Paris hat 
für die Bebauung ihrer ehemaligen berühmten Hallen einen welt 
offenen Bebauungswettbewerb ausgeschrieben. Das finde ich 
eine bessere Maßnahme, als Herrn Jordan hierherzuberufen. 
< Beifall bei der CDU > 
Für uns muß jetzt ein großer Ideenwettsfreit aut dem Programm 
stehen, wie unsere Stadt im Zentrum aussehen soll, und das muß, 
Herr Regierender Bürgermeister, ein offener Wettbewerb sein, ein 
Wettbewerb, von dem Maßsfäbe ausgehen, die in der ganzen Welt 
als Modell beachtet werden. Die Weichenstellungen sind viel 
zu bedeutungsvoll, als daß sie der Verwaltung oder einer Partei 
oder einer Denk- und Bauschule überlassen bleiben könnten. 
Deshalb brauchen wir auch eine offene Jury, denn kein Wett 
bewerb ist zu besseren Resultaten fähig, als es der Horizont der 
Jury erlaubt. 
< Beifall bei der CDU > 
1984, der Termin der Bauausstellung, darf kein Endtermin sein. 
Es geht überhaupt um mehr als um eine Ausstellung. Es geht um 
mehr als um Stadtreparatur, wir der Senat sich so häufig aus 
drückt. Es geht um die Darstellung eines Beispiels für Stadt 
entwicklung in die weite Zukunft, in das nächste Jahrtausend 
hinein. 
< Wartenberg (SPD): Das haben Sie alles in der Senats 
vorlage gelesen! > 
In Ihrer Regierungserklärung, Herr Regierender Bürgermeister, 
bechränken Sie sich auf die zutreffende Feststellung, daß Sie sich 
jetzt dem Stadtzentrum widmen wollen, aber in welcher Richtung 
und nach welchen Richtlinien, daß bleibt dunkel. Besonders wenig 
sagen Sie zur Internationalen Bauausstellung selbst. Hier treffen 
Sie lediglich die wahrhaft umwerfende Feststellung, das Wagnis 
dieses Vorhabens entspreche dem Selbstverständnis dieses 
Senats. 
< Heiterkeit bei der CDU > 
Man kann nur sagen: Komik wirkt immer dann am besten, wenn 
sie unfreiwillig ist. 
< Beifall bei der CDU > 
Es bleibt festzuhallen: Der Senat hat kein Konzept, um Stadt 
entwicklung und Umweltschutz einander so zuzuordnen, daß die 
Bürger zu ihrem Recht kommen und daß nachträgliche Gerichts 
korrekturen der Senatsmaßnahmen endlich wieder überflüssig 
werden. 
< Beifall bei der CDU > 
Die CDU hat mit ihrer Forderung nach einer Senatsverwaltung für 
Stadtentwicklung und Umweltschutz den Weg gewiesen. Er wird 
auch in anderen Bundesländern beschriften, zum Teil mit gutem 
Erfolg. Die Koalition aber hat die Weichen wieder falsch gestellt, 
und diesmal überdies auch im Abgeordnetenhaus selbst. Wir 
bedauern und wir halten es für falsch, daß der Ausschuß für 
Planung und Stadtentwicklung einfach ersatzlos gestrichen 
worden ist. 
< Gollnick (SPD): Das hat Ihnen Herr Luster 
aufgeschrieben! > 
Es mag zwar sein, daß der Ausschuß in seiner bisherigen Form 
zu wenig leisten konnte, um seinem Anspruch gerecht zu werden. 
Aber ihn einfach zu streichen, das birgt natürlich die Gefahr für 
neue Fehlentwicklungen. 
< Beifall bei der CDU > 
Auf diese Weise fehlt nämlich im Parlament der entscheidende 
politische Ansatzpunkt der Stadfentwicklung überhaupt. 
< Hauff (SPD): Über wen reden Sie? > 
Der Umweltschutz aber wird wiederum wie bisher dorthin ver 
wiesen, wo sein politischer Hebel zu kurz ist. Die Folgen haben 
die Bürger, haben die Gerichte und hat die Stadt im ganzen zu 
tragen. 
Sie haben sich, Herr Regierender Bürgermeister, an zahlreichen 
Stellen Ihrer Regierungserkärung auf Bürgerwünsche, auf die 
Vorstellungen der kritischen Jugend und auf kulturelle Offenheit 
der Stadt bezogen. Dagegen ist nicht das Allergeringste ein-
	        
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