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Volume Nr. 70, 10. November 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
70. Sitzung vom 10. November 1977 
Ich bin mit der Fraktion der CDU — ich gehe mal eine Weile 
von Lummer weg —, mit der Mehrheit der Fraktion einer 
Meinung, daß wir im Interesse unserer parlamentarischen 
Demokratie das, was wir gemeinsam als „Filz" aufspießen, 
auch gemeinsam wegschaffen müssen. 
(Zuruf von der CDU: Wir haben ja keinen 
gemeinsamen „Filz"!) 
Ich spreche ja gar nicht von der Bayerischen Regierung. Wenn 
da nicht irgend etwas stinkt, ist es ja gar nicht ganz in 
Ordnung — das ist dort Landesstil. Geschenkt! Und wenn 
Strauß irgendwo genannt wird, dann wissen wir, daß da irgend 
etwas ist, was — — aber vielleicht gehört es zur Orginalität 
eines derartigen Urviechs. Ich richte da gar nicht. Ich sage nur: 
Hier in diesem Land, meine Herren von der Opposition — die 
Damen nehme ich einmal aus —, müssen Sie sich darüber im 
klaren sein, daß der Versuch, wieder eine alte Platte aufzu 
legen, nicht zieht, der Versuch, gegen diesen Regierenden 
Bürgermeister vorzugehen, so wie Sie es vielleicht auf Ihrer 
Klausurtagung beschlossen haben, und mit der gewissen 
windigen Listigkeit, die sich sicher in den Vorschlägen des 
Kollegen Lummer niederschlug, mit dieser listigen Pfiffigkeit 
glauben Sie nun, dem neuen Mann am Zeuge flicken zu 
können. Ich darf das mal berlinisch sagen; Sie werden sozu 
sagen glatt an der Schuhsohle langrutschen. Sie werden auch 
nicht das Geringste erreichen, und Sie werden vor allen 
Dingen nicht erreichen, daß Sie diese Koalition in irgendeiner 
Weise auseinanderdividieren. 
(Abg. Lummer: Das klingt genauso, als wenn Schütz 
noch da wäre! — 
Zuruf von der SPD; Jetzt trauern Sie ihm nach!?) 
Lassen Sie mich noch einen letzten Satz auf Ihre Klausur 
tagung verwenden. Wissen Sie, ich habe Mitleid mit Ihnen. Ich 
gebe das zu. 
(Oh! bei der CDU) 
— Doch, den politischen Gegner muß man auch manchmal be 
dauern, wenn er nämlich erkennt, daß er die Früchte, die er mit 
einer bestimmten Art von Politik zu ernten glaubte — und die 
haben Sie hier bis zum Rücktritt von Schütz getrieben, und das 
war ein schreckliches Gehabe, was Sie immer wieder artikuliert 
haben, Herr Kollege Lummer —, doch nicht bekommt und nun 
sehen muß, daß der Wind umgeschlagen hat; er weht Ihnen ins 
Gesicht. Nun steht die CDU vor der Frage: Geht sie den 
lummerschen Weg belummert weiter oder findet sie einen 
neuen? Ich rate Ihnen in Ihrem Interesse: Gehen Sie einen 
anderen Weg! Das ist gut für dieses Haus, ich glaube sogar, gut 
für die CDU. 
(Abg. Wronski; Ihre eigenen Leute haben den Schütz 
umgebracht — hier, der Neubauer!) 
Aber es steht mir nicht an, Ihnen Ratschläge zu geben,- denn 
ich selbst w'ünsche ja nicht, daß Sie stärker werden, sondern 
daß Sie schwächer werden — das ist doch klar. 
So, nun Kollege Lummer, zum Fleisch und zum Gerippe — 
ich habe ja das erste Mal die Möglichkeit, das auch in der 
Öffentlichkeit so zu sagen, und da müssen Sie noch ein 
bißchen zuhören, oder im Protokoll müssen Sie es zumindest 
nachlesen: Da gab es die Geschichte mit den Rohren, die Sie 
völlig zu Recht aufgespießt haben. Das ist legitim, das tut die 
Koalition genauso wie Sie. Da gibt es überhaupt keinen 
Zweifel. 
(Frau Abg. Greift: Den Eindruck hat man heute aber nicht!) 
Da haben Sie versucht — übrigens das erste Mal, das gebe ich 
zu —, den Ristock in seiner Funktion als Bausenator mit dem 
zu verbinden, was Sie sozusagen wie einen Teerkleister jedem, 
der der Koaltion angehört, irgendwo an die Jacke oder unter 
die Schuhe kleben. Das haben Sie hier auch versucht, vielleicht 
versuchten Sie sogar, es mir an die wenigen Haare zu kleben. 
(Allgemeine Heiterkeit — Abg. Lummer: Das ist eine 
echte Gemeinsamkeit, die wir haben! — 
Abg. Schmitz: Eine Perücke müssen Sie sich schon 
selbst kaufen, Herr Senator!) 
Nun sage ich Ihnen den Hergang: Am 12. August 1976 — ich 
sage das auch, wenn Sie Zwischenrufe machen, das ist nur die 
Aufzählung von Fakten — gab es eine mündliche Unterrich 
tung des Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Wasserwerke, 
daß es dort eine Unterschlagung gegeben habe. Ich habe am 
gleichen Tag einen schriftlichen Bericht angefordert, der ist am 
17. August 1976 eingegangen. Ich habe die Rechtslage über 
prüfen lassen und dann eine Sitzung (Le-< Verwaltungsrats 
anberaumt; er tagte am 23. August 1976. An diesem Tag ist 
folgendes auf meinen Antrag hin passiert: Keinen Vergleich 
mit der am Unterschlagungsfall beteiligten Firmen schließen — 
damals war die Höhe des Schadens noch nicht genau zu 
sehen, dann sowohl gegen den bereits am 5. April 1976 fristlos 
entlassenen Mitarbeiter als auch gegen die Firma Strafanzeige 
erstatten; dieses wurde dann auch beschlossen. Darauf ist die 
Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden — und wo gehen wir 
denn hin bei Kriminalfällen, da hat doch der Kollege Dr. Rieb- 
schläger völlig recht, wollen wir denn einige der Direktoren, 
die hier auch in Ihren Reihen sitzen, wenn so etwas passiert, 
ehrenrührig behandeln? Wo kommen wir dann hin? Machen 
wir uns doch hier nicht gegenseitig kaputt! 
(Abg. Lummer: Darum gehfs doch gar nicht!) 
— Nein? Ja, was haben Sie denn geredet? 
(Abg. Lummer: Das Strukturproblem!) 
Nein, nein! Ich habe keine Probleme. 
(Zurufe von der CDU: Ach! — 
Wiederholen Sie doch bitte mal!) 
Ich persönlich habe nach dem, was ich Ihnen aufzeige, mit mir 
und meiner politischen Verantwortung keine Probleme. 
(Zuruf von der CDU: Lauter!) 
— Ein richtiger Zwischenruf war eben da: Ich soll nicht so laut 
reden. Das stimmt, das nehme ich als Kritik hin. 
(Abg. Franke: Das war aber mal ein schönes Wort!) 
Aber Lummer sehen und ihn reden hören, bringt einen 
manchmal auch in die Tonstärke, die man nur in ganz großen 
politischen Auseinandersetzungen hat! — Am 24. August 1976, 
also wenige Tage nach Kenntnisnahme, hatte ich sowohl den 
Verwaltungsrat zu einer Beschlußfassung gebracht, die wohl 
von niemand beanstandet wird, als auch die Staatsanwaltschaft 
eingeschaltet, denn nur sie kann in diesem Staat und in dieser 
Gesellschaft in der wir leben — Gott sei dank — kriminelle Fälle 
aufklären. Und dann hat die Geschäftsleitung mit meinem 
Einverständnis zusätzlich eine interne Unlersuchungskommis- 
sion in den Wasserwerken eingerichtet. Dann haben wir die 
ersten Zwischenergebnisse von der Staatsanwaltschaft gehört. 
Später erst haben wir, aber wir — ich — den Rechnungshof 
präzise gebeten, 
(Abg. Wronski: Na bitte!) 
und dieses Institut ist dazu da — der Rechnungshof — uns, der 
Berliner Verwaltung, zu helfen, unsere Fehler aufzuspüren, 
oder uns zu helfen, Fehler aufzudecken, die wir aus unserem 
Sachverstand allein nicht in der Lage sind zu beschreiben. Wir 
haben den Rechnungshol mit einem bestimmten Aullrag 
gebeten, er möge die Organisation der Wasserwerke unter 
suchen 
(Abg. Wronski: Sehr gut!) 
und unter anderem auch, ob die Organisationsstruktur so 
gegliedert ist, daß derartige Unterschlagungen erneut auf 
tauchen können. Und wir baten um einen Vorschlag, der 
gestern bei mir eingegangen ist, sehr präzise; und wir werden 
dem Rechnungshof hier voll folgen, wo er genau beschreibt, 
wie wir die Struktur verändern können. Und da sind wir 
durchaus bei dem Zurückliegenden, Herr Lummer, um das jetzt 
wieder auf die Sachebene zu bringen, und mit Ihnen einer 
Meinung, daß das so gründlich wie möglich sein muß. Da hat 
aber auch der Kollege Dr. Riebschläger recht; Damit sind solche 
Fälle noch immer nicht ausgeschlossen. Davor wird uns 
niemand bewahren können, aber wir müssen den Versuch 
machen — und da sind wir dann einig —, 
(Abg. Lummer; Na also, das hoffe ich!) 
soweit wie möglich eine Struktur zu schaffen, die uns vor 
solchen Vorfällen bewahrt. So darf ich zu dem, was Sie 
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