Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode
70. Sitzung vom 10. November 1977
wir wenden uns dagegen, daß man diese'Dinge mit übergroßer
Hektik betreibt. Selbstverständlich müssen wir die Senats
stellungnahme zu den angelaufenen Prüfungsberichten abwar-
teni selbstverständlich müssen wir wissen, was die Eigen
betriebe selbst dazu sagen, es muß also alles ein vernünftiges
und geordnetes Verfahren haben. Jede Hektik schadet dem
Bemühen, tragfähige Strukturen im Bereich der Berliner Eigen
betriebe dort zu schaffen, wo sie möglicherweise noch nicht
bestehen sollten.
Lassen Sie mich deswegen hier noch einmal nennen, welche
Grundsätze für uns wesentlich sind bei der Frage, wie wir das
Problem Eigenbetriebe in den nächsten Monaten einer Lösung
zuführen.
Erster Punkt muß sein: Die Eigenbetriebe sind für die Bürger
da. Das heißt konkret, sie müssen in einigen Bereichen
bürgerfreundlicher werden in bezug auf ihre Leistungen und
ihre Preiswürdigkeit.
Der zweite Punkt ist, daß die Eigenbetriebe einen hohen
ökonomischen und technischen Leistungsstandard haben müs
sen, das heißt konkret, daß unsere Eigenbetriebe im Hinblick
auf ihre Produktivität jedem Vergleich standhalten müssen,
sowohl mit vergleichbaren westdeutschen Betrieben als auch
mit vergleichbaren privaten Betrieben.
Der dritte Punkt ist, daß in den Eigenbetrieben selbst eine
klare Verantwortungsstruktur bestehen muß und keine Ver
mischung und Anonymisierung von Verantwortlichkeiten hin
genommen werden kann.
Schließlich der vierte Punkt — darüber besteht in diesem
Haus eine scheinbare Einmütigkeit, möglicherweise ein ver
steckter Dissens, wir werden das dann in den Beratungen zu
klären haben: Es ist für uns ein unzweifelhafter Grundsatz, daß
von dem Prinzip der paritätischen Mitbestimmung in den
Eigenbetrieben nicht abgegangen werden kann. Ganz im
Gegenteil; Wir halten weiter daran fest, daß das Prinzip der
paritätischen Mitbestimmung ein zukunftsweisendes und fun
damentales Prinzip für die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen
im Bereich der Wirtschaft darstellt. Wir sollten nicht über
sehen, daß der kontinuierliche Ausbau der Mitbestimmung in
der gesamten Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland
uns nicht zuletzt davor bewahrt hat, außerordentlich große
Unruhen und auch Produktionsbehinderungen durch eine
Überzahl von Streiks zu bekommen. Die Stabilität unserer
sozialökonomischen Fundamente ist eng verknüpft mit dem
kontinuierlichen Ausbau der Mitbestimmung.
Ich will zum Schluß allerdings auch deutlich sagen, daß
dieses Eigenbetriebsgesetz nur ein Anhaltspunkt ist, um das
Problem Eigenbetriebe auf Dauer stabil zu lösen. Entscheidend
ist nach meiner Auffassung — und da unterscheiden wir uns
etwas von der Opposition — in bezug auf die Eigenbetriebe die
Leistung und die Leistungsfähigkeit der politischen Führung.
Daran führt kein Weg vorbei. Es ist Aufgabe der politischen
Führung — des Senats von Berlin in seiner Gesamtheit und der
zuständigen Senatoren im besonderen —, die Eigenbetriebe
freizuhalten von sachfremden Interessen, die Geschäftsleitun
gen bei der Wahrnehmung ihre Aufgaben mit der gebotenen
Klarheit zu unterstützen. Und es ist klar, daß dieser Senat in
den letzten Wochen und Monaten in diese notwendige Rich
tung einige wichtige Schritte getan hat.
(Abg. Schmitz: Welche und wohin? Konkret!)
Es darf nicht übersehen werden, daß die Probleme damit noch
nicht gelöst sid, daß die eigentliche Bewährungsprobe für den
Senat in Sachen Eigenbetriebe in der Tat noch aussteht. Diese
Bewährungsprobe kommt zu dem Zeitpunkt, wo ganz einfach
Interessenkonflikte da sind, die sich durch gutes Zureden nicht
mehr lösen lassen, wo politisch entschieden und durchgesetzt
werden muß. An diesen Punkt wird man sich nicht vorbei
drücken können, da ist die politische Leistungsfähigkeit und
Führungsfähigkeit des Senats gefordert.
Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Fraktion kann ich
feststellen, daß die Aussichten gut sind dafür, daß der Senat
auch diese Bewährungsprobe gut bestehen wird. — Danke!
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Stellv. Präsident Sickert: Als nächster hat Herr Senator
Dr. Riebschläger das Wort.
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage ist vom
Regierenden Bürgermeister, was die grundsätzlichen poli
tischen Aussagen anging, klar und sachlich beantwortet
worden,
(Zurufe von der CDU: Nee! —
Abg. Schmitz: Ihr Zwischenruf war unanständig!)
sachlicher, als es der Begründung der Großen Anfrage ange
messen war, und deswegen werde ich mir erlauben, zu einigen
Punkten, die hier die Opposition vorgetragen hat, ergänzend
einiges auszusagen.
Ich frage zuallererst die Opposition: Was hat die Schilderung
eines Kriminalfalis in einem Eigenbetrieb mit der Verantwor
tung dieses Senats'und dieses Regierenden Bürgermeisters zu
tun?
(Abg. Schmitz; Eine ganze Menge!)
Meine Damen und Herren, wissen Sie, was das ist, wenn man
versucht Dinge, die nicht zusammengehören, zusammen
zubringen, um den Senat mit Vorgängen in Verknüpfung zu
bringen, die unbeschadet der Organisationsform eines Be
triebes, —
(Abg. Lummer: Mensch, lesen Sie doch erst mal
den Bericht!)
— Herr Lummer, Sie haben hier einen Fälschungsfall, einen
Unterschlagungsfall in epischer Breite ausgeführt zur Begrün
dung einer Anfrage — —
(Abg. Lummer: Nicht den Fall, die institutioneilen
Voraussetzungen! Wenn Sie noch einen Funken
Intelligenz haben, haben Sie das auch bemerkt!)
— Ich will hier nicht die Frage Ihrer Intelligenz ansprechen,
weil mir das nicht zusteht, aber es steht Ihnen genausowenig
zu, immer dann, wenn Sie sich getroffen fühlen, in dieser
Weise aufzujaulen.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Stellv. Präsident Baetge: Herr Senator, erlauben Sie eine
Zwischenfrage?
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Ja selbstverständ
lich, Herr Präsident!
Stellv. Präsident Baetge: Herr Schmitz, Sie haben das Wort!
Schmitz (CDU): Herr Senator, ist es Ihrer Aufmerksamkeit
entgangen, daß dieser Kriminalfall gar nicht zur Diskussion
stand, sondern die Voraussetzungen, die im Organisatorischen
und im Gesetzgeberischen liegen? Diese Voraussetzungen
haben erst einen Kriminalfall ermöglicht. Ist Ihnen das ent
gangen?
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Schmitz, unbe
schadet der Organisationsform wird es kriminelle Handlungs
weisen überall auf dieser Welt und unter jeder Verantwortung
geben. Und ich weigere mich als der für das Eigenbetriebs
gesetz Verantwortliche, eine Große Anfrage zur Änderung des
Eigenbetriebsgesetzes unter solcher Begründung und Voraus
setzung gestellt zu sehen. Das muß hier zwischen uns klar
bleiben.
(Beifall bei der SPD)
Wir können uns gern über die unerfreulichen Vorkommnisse,
die vielen, die sich gehäuft haben und die ein Handeln
erfordern, insbesondere was die Frage „Einhaltung von Richt
linien, Beachtung von Normen aller Art" angeht, hier sehr
sachlich und sorgfältig unterhalten. Aber dann sollte sich
durch die Anfrage, ihre Begründung und das, was Herr
Wronski dazu beiträgt, nicht wie ein roter Faden ziehen; Wir
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