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Volume Nr. 70, 10. November 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
70. Sitzung vom 10. November 1977 
wir wenden uns dagegen, daß man diese'Dinge mit übergroßer 
Hektik betreibt. Selbstverständlich müssen wir die Senats 
stellungnahme zu den angelaufenen Prüfungsberichten abwar- 
teni selbstverständlich müssen wir wissen, was die Eigen 
betriebe selbst dazu sagen, es muß also alles ein vernünftiges 
und geordnetes Verfahren haben. Jede Hektik schadet dem 
Bemühen, tragfähige Strukturen im Bereich der Berliner Eigen 
betriebe dort zu schaffen, wo sie möglicherweise noch nicht 
bestehen sollten. 
Lassen Sie mich deswegen hier noch einmal nennen, welche 
Grundsätze für uns wesentlich sind bei der Frage, wie wir das 
Problem Eigenbetriebe in den nächsten Monaten einer Lösung 
zuführen. 
Erster Punkt muß sein: Die Eigenbetriebe sind für die Bürger 
da. Das heißt konkret, sie müssen in einigen Bereichen 
bürgerfreundlicher werden in bezug auf ihre Leistungen und 
ihre Preiswürdigkeit. 
Der zweite Punkt ist, daß die Eigenbetriebe einen hohen 
ökonomischen und technischen Leistungsstandard haben müs 
sen, das heißt konkret, daß unsere Eigenbetriebe im Hinblick 
auf ihre Produktivität jedem Vergleich standhalten müssen, 
sowohl mit vergleichbaren westdeutschen Betrieben als auch 
mit vergleichbaren privaten Betrieben. 
Der dritte Punkt ist, daß in den Eigenbetrieben selbst eine 
klare Verantwortungsstruktur bestehen muß und keine Ver 
mischung und Anonymisierung von Verantwortlichkeiten hin 
genommen werden kann. 
Schließlich der vierte Punkt — darüber besteht in diesem 
Haus eine scheinbare Einmütigkeit, möglicherweise ein ver 
steckter Dissens, wir werden das dann in den Beratungen zu 
klären haben: Es ist für uns ein unzweifelhafter Grundsatz, daß 
von dem Prinzip der paritätischen Mitbestimmung in den 
Eigenbetrieben nicht abgegangen werden kann. Ganz im 
Gegenteil; Wir halten weiter daran fest, daß das Prinzip der 
paritätischen Mitbestimmung ein zukunftsweisendes und fun 
damentales Prinzip für die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen 
im Bereich der Wirtschaft darstellt. Wir sollten nicht über 
sehen, daß der kontinuierliche Ausbau der Mitbestimmung in 
der gesamten Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland 
uns nicht zuletzt davor bewahrt hat, außerordentlich große 
Unruhen und auch Produktionsbehinderungen durch eine 
Überzahl von Streiks zu bekommen. Die Stabilität unserer 
sozialökonomischen Fundamente ist eng verknüpft mit dem 
kontinuierlichen Ausbau der Mitbestimmung. 
Ich will zum Schluß allerdings auch deutlich sagen, daß 
dieses Eigenbetriebsgesetz nur ein Anhaltspunkt ist, um das 
Problem Eigenbetriebe auf Dauer stabil zu lösen. Entscheidend 
ist nach meiner Auffassung — und da unterscheiden wir uns 
etwas von der Opposition — in bezug auf die Eigenbetriebe die 
Leistung und die Leistungsfähigkeit der politischen Führung. 
Daran führt kein Weg vorbei. Es ist Aufgabe der politischen 
Führung — des Senats von Berlin in seiner Gesamtheit und der 
zuständigen Senatoren im besonderen —, die Eigenbetriebe 
freizuhalten von sachfremden Interessen, die Geschäftsleitun 
gen bei der Wahrnehmung ihre Aufgaben mit der gebotenen 
Klarheit zu unterstützen. Und es ist klar, daß dieser Senat in 
den letzten Wochen und Monaten in diese notwendige Rich 
tung einige wichtige Schritte getan hat. 
(Abg. Schmitz: Welche und wohin? Konkret!) 
Es darf nicht übersehen werden, daß die Probleme damit noch 
nicht gelöst sid, daß die eigentliche Bewährungsprobe für den 
Senat in Sachen Eigenbetriebe in der Tat noch aussteht. Diese 
Bewährungsprobe kommt zu dem Zeitpunkt, wo ganz einfach 
Interessenkonflikte da sind, die sich durch gutes Zureden nicht 
mehr lösen lassen, wo politisch entschieden und durchgesetzt 
werden muß. An diesen Punkt wird man sich nicht vorbei 
drücken können, da ist die politische Leistungsfähigkeit und 
Führungsfähigkeit des Senats gefordert. 
Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Fraktion kann ich 
feststellen, daß die Aussichten gut sind dafür, daß der Senat 
auch diese Bewährungsprobe gut bestehen wird. — Danke! 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Stellv. Präsident Sickert: Als nächster hat Herr Senator 
Dr. Riebschläger das Wort. 
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage ist vom 
Regierenden Bürgermeister, was die grundsätzlichen poli 
tischen Aussagen anging, klar und sachlich beantwortet 
worden, 
(Zurufe von der CDU: Nee! — 
Abg. Schmitz: Ihr Zwischenruf war unanständig!) 
sachlicher, als es der Begründung der Großen Anfrage ange 
messen war, und deswegen werde ich mir erlauben, zu einigen 
Punkten, die hier die Opposition vorgetragen hat, ergänzend 
einiges auszusagen. 
Ich frage zuallererst die Opposition: Was hat die Schilderung 
eines Kriminalfalis in einem Eigenbetrieb mit der Verantwor 
tung dieses Senats'und dieses Regierenden Bürgermeisters zu 
tun? 
(Abg. Schmitz; Eine ganze Menge!) 
Meine Damen und Herren, wissen Sie, was das ist, wenn man 
versucht Dinge, die nicht zusammengehören, zusammen 
zubringen, um den Senat mit Vorgängen in Verknüpfung zu 
bringen, die unbeschadet der Organisationsform eines Be 
triebes, — 
(Abg. Lummer: Mensch, lesen Sie doch erst mal 
den Bericht!) 
— Herr Lummer, Sie haben hier einen Fälschungsfall, einen 
Unterschlagungsfall in epischer Breite ausgeführt zur Begrün 
dung einer Anfrage — — 
(Abg. Lummer: Nicht den Fall, die institutioneilen 
Voraussetzungen! Wenn Sie noch einen Funken 
Intelligenz haben, haben Sie das auch bemerkt!) 
— Ich will hier nicht die Frage Ihrer Intelligenz ansprechen, 
weil mir das nicht zusteht, aber es steht Ihnen genausowenig 
zu, immer dann, wenn Sie sich getroffen fühlen, in dieser 
Weise aufzujaulen. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Senator, erlauben Sie eine 
Zwischenfrage? 
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Ja selbstverständ 
lich, Herr Präsident! 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Schmitz, Sie haben das Wort! 
Schmitz (CDU): Herr Senator, ist es Ihrer Aufmerksamkeit 
entgangen, daß dieser Kriminalfall gar nicht zur Diskussion 
stand, sondern die Voraussetzungen, die im Organisatorischen 
und im Gesetzgeberischen liegen? Diese Voraussetzungen 
haben erst einen Kriminalfall ermöglicht. Ist Ihnen das ent 
gangen? 
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Schmitz, unbe 
schadet der Organisationsform wird es kriminelle Handlungs 
weisen überall auf dieser Welt und unter jeder Verantwortung 
geben. Und ich weigere mich als der für das Eigenbetriebs 
gesetz Verantwortliche, eine Große Anfrage zur Änderung des 
Eigenbetriebsgesetzes unter solcher Begründung und Voraus 
setzung gestellt zu sehen. Das muß hier zwischen uns klar 
bleiben. 
(Beifall bei der SPD) 
Wir können uns gern über die unerfreulichen Vorkommnisse, 
die vielen, die sich gehäuft haben und die ein Handeln 
erfordern, insbesondere was die Frage „Einhaltung von Richt 
linien, Beachtung von Normen aller Art" angeht, hier sehr 
sachlich und sorgfältig unterhalten. Aber dann sollte sich 
durch die Anfrage, ihre Begründung und das, was Herr 
Wronski dazu beiträgt, nicht wie ein roter Faden ziehen; Wir 
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