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Volume Nr. 70, 10. November 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
70. Sitzung vom 10. November 1977 
Nun, nach den Feststellungen der Untersuchungskommission 
ist die maßgebliche Ausschreibung von Anfang 1965 für die 
Auftragsvergabe über Neubohrungen von sieben Beobach 
tungsrohren im Meßgebiet Beelitzhof vom Sachbearbeiter ge 
fälscht worden: das konnte er offenbar. 
Ebenso wie die Vermerke enthalten auch die Auftrags 
schreiben über die Neubohrungen von Beobachtungs 
rohren überwiegend keine spezifischen Angaben dar 
über, welche Beobachtungsrohre neu zu bohren sind 
und auf welche Werksbereiche sich der Auftrag erstreckt. 
Der Sachbearbeiter hat Auftragskopien weder an die ein 
zelnen Werke noch an das Vermessungsbüro weiter 
geleitet. 
— Das hätte eigentlich messen müssen. — 
Letzteres erhielt auch keine Aufträge, die Standorte der 
neu gebauten Rohre einzumessen, was notwendig wäre. 
Nach den Feststellungen der Untersuchungskommission 
fehlen auch die im Regelfall vorher einzuholenden behörd 
lichen Genehmigungen (Forsten, Bezirksbauämter). 
Das heißt also, hier konnte sich ein Vorgang abwickeln, von 
einer Stelle aus gemacht. — Ich will jetzt gar nicht die Schuld 
untersuchen, sondern hier ist die Struktur, die Konstruktion, 
die Organisation schon eine Voraussetzung dafür, daß es zu 
solchen skandalösen Vorgängen kommen kann, vielleicht 
— bei immer wieder auftauchender menschlicher Schwäche — 
kommen mußte. 
Oder es wird im Rechnungshofbericht gesagt: 
. . . daß divergierende Ansichten von Direktoren zum Ab 
bruch der Prüfungen führten. 
Prüfungen, die innerbetrieblich vorgesehen sind. Die Direkto 
ren — sie sind ja gleichberechtigt — haben verschiedene Ansich 
ten darüber. Ergebnis: Prüfungen werden nicht mehr fort 
gesetzt! 
(Zuruf von der SPD; Ist doch wunderbar!) 
— Nicht wahr? — Wogegen und wofür spricht das? — Ich werde 
später dazu noch Stellung nehmen. Das ist ein Vorgang, der zu 
denken Anlaß gibt. 
Oder, meine Damen und Herren, nehmen Sie mal ein ganz 
anderes Beispiel, das ich auch relativ abstrakt vortragen will, 
nur um die Interessenkollision deutlich zu machen. Der Bun 
desvorsitzende der SPD hat inzwischen auf einen Antrag ver 
wiesen, der demnächst auf dem SPD-Parteitag eine Rolle 
spielen wird, der auch um diese Fragen geht, und ich hoffe, 
Sie kommen auch zu vernünftigen Ergebnissen, weil hier 
offenbar einiges an Verfilzungserscheinungen erkannt wor 
den ist. Interessenkollisionen abbauen, viele, viele gibt es 
davon nach wie vor — auch nach Schütz —. 
Da gibt es oder gab es eine Personalunion zwischen dem 
Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Eigenbetrieben und der 
jeweiligen Senatsaufsicht. Wozu kann das führen? — Denken 
Sie doch einmal an die Situation der KPM: Da wird ein 
Geschäftsführer berufen. Der Verwaltungsratsvorsitzende ist 
damit befaßt, er bevorzugt einen, und es kommt zu einem 
Ergebnis. Dann wird später die Frage aufgeworfen, ob es nicht 
bei der Berufung desselben zu Unregelmäßigkeiten gekommen 
sei. Und derselbe Verwaltungsratsvorsitzende wird in seiner 
Eigenschaft als Fachaufsicht — als Senator — beauftragt, das zu 
untersuchen. Da wohnen doch mindestens zwei Seelen in 
einer Brust, und die Frage ist, ob das notwendig ist, ob das nicht 
eine Schwäche in der Konstruktion ist, die es zu beheben gilt. 
Oder erinnern Sie sich daran, wie das damals war: Herr 
Schwäbl, Aufsichtsrat Neue Heimat auf der einen Seite, Ver 
waltungsrat, wo er regelmäßig drin war, Stadtreinigung auf der 
anderen Seite. Auftragsvergabe für irgendein Haus, Heim oder 
sonst etwas. Das Ergebnis, das nachher zugunsten der Neuen 
Heimat herauskommt, verwundert dann schon gar nicht mehr, 
zumal, wenn noch besondere Affinitäten aus dem Bereich einer 
— wie gesagt — Realunion im Zusammenhang mit OTV-Mit- 
gliedschaften vorliegt. 
Oder nehmen Sie zum Anlaß der Überlegung einmal die 
Tatsache, daß ein Geschäftsführer eines Eigenbetriebes im Hin 
blick auf seine Berufung zwei Drittel der Stimmen des Verwal 
tungsrats bedarf. Nun will der Kerl irgendwann wiederberulen 
werden. Zwei Drittel braucht er. Wie muß er sich denn dem 
Verwaltungsrat gegenüber verhalten? — 
(Abg. Schmitz; Freundlich!) 
Ist das nicht von vornherein eine Voraussetzung dafür, daß 
er eine anpasserische Politik im Rahmen des Eigenbetriebs 
macht, ist das nicht eine Voraussetzung dafür, daß vielleicht 
ein Stück Fremdbestimmung mit in die Leitung der Eigen 
betriebe eingeht? — Auch dafür wollen wir Vorschläge machen. 
Ich will auf vieles andere nicht weiter hinweisen, was in 
der Vergangenheit gewesen ist, der Beispiele gibt es genug, 
sondern mit einem Beispiel abschließen, das heute in einer 
Zeitung zu lesen ist. Da wird in diesem Zeitungsbericht ge 
sagt, der offenbar von dem zuständigen Senator nicht bestritten 
worden ist — wenn, dann mag er das hier tun —: 
Als wir den anonymen Hinweis erhielten, sind wir der 
Sache nachgegangen. 
Das heißt also, es bedarf erst anonymer Hinweise, um so etwas 
festzustellen, daß da ein Direktor Leistungen eines Eigen 
betriebes für sich privat in Anspruch genommen hat, ohne das 
zu honorieren. 
(Abg. Rheinländer: In einem anderem Fall hat sich 
aber ein Untersuchungsausschuß damit befaßt!) 
— Ja, Ja! Ich bitte um Entschuldigung! Da gab es vorher aber 
auch erst einmal Hinweise. Vielleicht ist ja hier auch noch 
einer notwendig, Herr Rheinländer; wir sind noch gar 
nicht am Ende der ganzen Angelegenheit, sondern das 
fängt offenbar erst ganz neu wieder an. 
(Beifall bei der CDU) 
Beachten Sie doch von da her einmal die Überschrift unserer 
Großen Anfrage! Ist das neuer Anfang oder ist das Kontinui 
tät? — Die Antwort müssen Sie sich einmal selbst geben, viel 
leicht fällt Ihnen das gar nicht so leicht. Aber worauf es doch 
ankäme, ist, daß solche Dinge nach Möglichkeit durch die 
Organisationsschemata ausgeschlossen werden, daß es eine 
selbstverständliche Pflicht des Leiters eines solchen Betriebes 
ist, derartige Dienstleistungen nicht in Anspruch zu nehmen. 
Und dann wird gesagt, es handle sich nur um einen relativ 
kleinen Betrag, und die Sache sei jetzt dadurch in Ordnung 
gebracht worden, daß der bezahlt hat. Ist das die Lösung des 
Problems, wenn aufgrund eines anonymen Hinweises mal 
gelegentlich etwas herauskoraml und der zahlt? — dann ist das 
in Ordnung. Wenn Sie einmal einen Verkehrsunfall bauen 
— besoffen oder nicht besoffen — und den Schaden erstatten, 
dann ist die Sache längst nicht in Ordnung, Herr Ristock. Dann 
müssen Sie auch noch vor den zuständigen Richter — und mit 
Recht! Weiß Gott, mit Recht, und Sie können das nicht einfach 
abbügeln, indem Sie sagen: Nun hat der Kerl gezahlt, nun ist 
die Sache in Ordnung. Mitnichten! 
(Beifall bei der CDU) 
Sie müssen das zum Anlaß nehmen für Überlegungen, ob da 
nicht vielleicht institutionell etwas gemacht worden ist. Aber 
wenn ich da hier so lese, dann muß ich wirklich den Eindruck 
haben — dann muß jedermann den Eindruck haben —. als sei 
es das Interesse des zuständigen Senators gewesen, die Sache 
mehr oder weniger unter den Teppich zu kehren. 
Setzen Sie sich nicht dem Vorwurf aus, Herr Ristock, daß 
wir eines Tages mit Recht sagen müssen, Sie hätten sich den 
Orden eines Bewahrers des Filzes verdient. Auf dem Wege 
sind Sie mit solchen Dingen. Und ich muß Ihnen an dieser 
Stelle noch eine Schwäche nachweisen. Sie hatten mir im 
Zusammenhang mit den Wasserwerken einen Brief geschrie 
ben, denn ich hatte einige Fragen gestellt, ln diesem Brief 
führen Sie aus, daß gewisse Prüfungsvorgänge in der Stadt 
reinigung eine Rolle spielen, 
(Abg. Wronski: Punkt 8! Punkt 8 ist das!) 
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