Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode
70. Sitzung vom 10. November 1977
Zu Punkt 1 Ihrer Anfrage stelle ich fest: Eine Erhöhung des
Erbbauzinses von ca. 7 DM monatlich auf 800 DM monatlich,
wobei offenbau eine Grundstücksgröße von ca. 1 000 qm
zugrunde gelegt wird, findet nicht statt, weil die Erbbaurechts
verträge nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit nicht
verlängert werden. Stattdessen sind von den 32 Grundstücken
im Laufe der Jahre 18 an die Siedler verkauft worden. Für die
restlichen 14 Fälle besteht begründete Aussicht auf eine
einvernehmliche Regelung entweder durch Verkauf oder Ver
mietung des jeweiligen Grundstücks an die bisherigen Erbbau
berechtigten oder in einigen wenigen Fällen durch Beendigung
des Erbbaurechts ohne Vereinbarung einer Ersatzlösung. Falls
— hypothetisch betrachtet - das Erbbaurecht verlängert wer
den sollte, ist der erhebliche Unterschied zwischen dem Wert
des Grundstücks in den Jahren 1926/27 und heute zu berück
sichtigen. Das bei einer Grundstücksvergabe im Wege des
Erbbaurechts zu vereinbarende Entgelt wird regelmäßig nach
wirtschaftlichen Kriterien unter Zugrundelegung des heutigen
Grundstückswerts bemessen. Dabei wird üblicherweise für
Erbbaurechte, die Wohnzwecken dienen, ein Erbbauzins von
6 Prozent vereinbart.
Zu den Punkten 2 und 3 Ihrer Anfrage: Da in den Erbbau
rechtsverträgen von 1926/27 keine Vereinbarung über die
Höhe der bei Zeitablauf von Berlin an die Erbbauberechtigten
zu zahlende Entschädigung für das Bauwerk getroffen worden
ist, findet § 27 Absatz 2 der Erbbaurechtsverordnung Anwen
dung. Danach muß die Entschädigung mindestens zwei Drittel
des gemeinen Werts betragen, den das Bauwerk bei Ablauf des
Erbbauvertrages hat, weil die Erbbaurechte zur Befriedigung
der Wohnbedürfnisse minderbemittelter Kreise bestellt worden
waren. Durch Zeitablauf waren somit dem Land Berlin als
Grundstückseigentümer ein Drittel des Gebäudewertes ange
wachsen. Aus diesem Grunde ist es auch angemessen, daß das
Bezirksamt Spandau bei einem Verkauf des Grundstücks
dieses Drittel des Gebäudewertes als Kaufpreisteil fordert.
Zu Punkt 4; Beim Vorhandensein von Gleitklauseln in
Erbbaurechtsverträgen hat der Senator für Finanzen darauf
hingewirkt, daß Erhöhungen des Erbbauzinses, soweit diese
mit den Grundsätzen der Billigkeit zu vereinbaren sind,
durchgesetzt wurden.
Stellv. Präsident Sickert: Zu einer Zusatzfrage, Herr Abge
ordneter Oxfort!
Oxfort (F.D.P.): Herr Senator Dr. Riebschläger, teilen Sie
meine Auffassung, daß ein derartiger Bruch in der Höhe des
Erbbauzinses für den Fall der Verlängerung der Erbbaurechte,
wie ich ihn hier dargestellt habe, sozial nicht zu verantworten
ist, daß also insbesondere auch in diesem Fall ebenso soziale
Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, wie dies bei der ersten
Begründung des Erbbaurechts geschehen ist?
Teilen Sie nicht meine Auffassung, daß § 27 Absatz 2 der
Erbbaurechtsverordnung nur dann zum Zuge kommt, wenn
eine ausdrückliche Vereinbarung bei Begründung des Erbbau
rechts getroffen worden ist, das heißt, daß die Zweidrittel-
Regelung lediglich verbietet, bei Absprachen unter die Zwei
drittel-Regelung der Entschädigung zu gehen, aber keinesfalls
sagt, daß dem Erbbauberechtigten die volle Entschädigung für
seine Gebäude, die er auf dem Erbbaurecht zurückläßt, vor
enthalten werden kann?
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator Dr. Riebschläger!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Abgeordneter
Oxfort, ich bitte um Verständnis, daß ich im Rahmen einer
Fragestunde eine streitbefangene Frage nicht ausdiskutieren
möchte. Einige der Erbbauberechtigten sind in hervorragender
Weise anwaltlich vertreten. Ich bin sicher, daß die Gesichts
punkte, die Sie hier heute vorgetragen haben, auch ihren
Niederschlag in den Erörterungen mit der Verwaltung finden
können.
(Abg. Momper: Wer ist denn der Rechtsanwalt?)
Stellv. Präsident Sickert: Zu einer weiteren Zusatzfrage
Herr Abgeordneter Pawlak!
Pawlak (SPD); Herr Senator, in bezug auf Punkt 2 der An
frage des Herrn Oxfort! Ist Ihnen bekannt, daß nicht nur dieser
Differenzbetrag von einem Drittel, sondern im Falle des Ver
kaufs des Grundstücks auch der volle Kaufpreis von den Kauf
interessenten bar zu zahlen ist, bevor die Behörde überhaupt
einen Kaufvertrag beurkunden läßt, und trifft es zu, daß dieses
auf Anweisung des Senats geschieht?
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator Riebschläger!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Abgeordneter
Pawlak, dies ist mir nicht bekannt, ich kann es aber auch nicht
ausschließen.
Stellv. Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Meissner!
Meissner (CDU): Herr Senator, darf ich nach Ihren Aus
führungen davon ausgehen, daß Sie in jedem Falle, in dem ein
Erbbauberechtigter die Verlängerung des Erbbaurechtsvertra
ges begehrt, Sie auch dem entsprechen, oder muß ich das so
verstehen, daß Sie die auslaufenden Verträge einfach nicht
mehr zu erneuern gedenken?
Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Senator!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Abgeordneter
Meissner, ich kann hier nicht das Verwaltungshandeln des
Bezirks vorwegnehmen. Das entspricht nicht meiner Vorstel
lung davon, was den Bezirken überantwortet ist. Aber ich kann
Zusagen, daß ich jede Entscheidung darauf überprüfen werde,
ob sie in Übereinstimmung mit den vom Senator für Finanzen
erlassenen Grundsätzen steht.
Stellv. Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Blasek.
Blasek (SPD): Herr Senator, ist Ihnen bekannt, daß der
Deutsche Siedlerbund durchaus bereit ist, für seine Mitglieder
die Erbbauverträge zu akzeptieren, die bei einer Verlängerung
— wenn dem der Senat zustimmen würde — über eine längere
Zeit abgeschlossen würden?
Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Senator!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen; Herr Abgeordneter
Blasek, diese Haltung ist mir für im Süden gelegene Grund
stücke bekannt. Aber möchte das nicht automatisch über
tragen.
(Heiterkeit)
Stellv. Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Oxfort!
Oxfort (F.D.P.); Herr Senator Dr. Riebschläger, haben Sie
geprüft, wieviele Erbbaurechte nicht verlängert werden, weil
die betreffenden Inhaber sich nicht in der Lage sehen, den jetzt
geforderten hohen Erbbauzins zu zahlen, und haben Sie dabei
geprüft, ob in sozial nicht vertretbarer Weise den Betroffenen
Schäden entstehen, insbesondere dann, wenn sie erst vor weni
gen Jahren mit dem Einsatz hoher Mittel dort Bauten errichtet
haben, die von dem Träger des Erbbaurechts, nämlich dem
Land Berlin, auch hingenommen worden sind?
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Abgeordneter
Oxfort, im Zuge der Vorbereitung der Beantwortung dieser
Anfrage habe ich veranlaßt, mir die Einzelfälle aufzuschlüsseln,
doch war das bis heute in der konkreten Form, in der Sie mich
fragen, nicht möglich. Es wird selbstverständlich bei der Prü-
füng des Einzelfalles festgestellt werden, ob tatsächlich eine
Unmöglichkeit für den einzelnen Betroffenen besteht, die Ver-
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