Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode
69. Sitzung vom 27. Oktober 1977
Der zweite Punkt ist die Frage des Abbaues der Degression
einer Stufe für drei Jahre. Dies widerspricht im Grunde ge
nommen total der Konzeption Ihres Gesamtpapiere zum Pro
blem des öffentlichen Wohnungsbaues, indem Sie ja von der
Einkommensorientierung ausgehen und nicht von der Fest
schreibung oder von ganz bestimmten Degressionen. Und es
gibt hier ein Problem, das müssen Sie sehen. Wenn Sie das tun,
vergessen Sie, daß diese unterschiedlichen Förderungspro
gramme im steuerbegünstigten Wohnungsbau ja schon ganz
unterschiedliche Mieten gezeitigt haben. Was machen Sie denn
mit denen, die am stärksten betroffen sind? Die haben Sie näm
lich nicht drin, die sind schon in der letzten Degression, die
zahlen schon ihre 8 Mark, das betrifft nämlich die Wohnungs
bauprogramme 1966, 1967 und 1968,
(Abg. Landowsky; Die haben die geringsten Kosten!)
das heißt, Wohnungsbauprogramme, bei denen die letzte De
gression schon eingetreten ist. Wenn Sie hier die Degression
stoppen, kommen Sie so wahrscheinlich nicht weiter. Stoppen
wollen Sie aber auf der anderen Seite bei den Wohnungen, die
noch am billigsten sind. Also so kann man es offensichtlich
nicht ganz lösen. Ich meine schon, daß man etwas tun muß;
aber einfach Aussetzung dieser Dreijahre-Degression geht
nicht, weil innerhalb des steuerbegünstigten Wohnungsbaues
schon so viele Disparitäten sind, daß bei 8 Mark jemand schon
in der letzten Degression, ein anderer aber erst in der ersten
Degression ist. Wahrscheinlich muß man da eine Miet
obergrenze festlegen, bei der man das machen kann. — übrigens
muß ich sagen, daß in diesem Punkt sehr viel differenzierter
der Verband privater Wohnungsunternehmen vorgegangen
ist, der dies nämlich nach Stufen differenziert und gesagt hat,
bei wieviel Prozent die Degression wegfallen könnte, bei wel
chem man das eventuell in sozialen Wohnungsbau umwandeln
sollte und so weiter. Das heißt, selbst die sind schon, obwohl
sie die am ehesten Interessierten sind, auf die Idee gekommen,
daß man das nicht so überschlägig „Daumen mal pi, durch
Donnerstag" lösen kann.
Dann noch ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Herr Lan
dowsky hat hier darauf hingewiesen, daß im Falle von Pleiten
das Land Berlin natürlich in eine schwierige Situation kommt.
Nur ist ja ein Problem vorgeschaltet, über das er nicht ge
sprochen hat. Im Augenblick bemühen sich diese Gesellschaf
ten, die das teilweise finanziert haben nach § 17 Berlinförde-
rungs-Gesetz, von diesen Hypotheken wegzukommen und sie
nach § 247 BGB zu kündigen, um sie mit zinsgünstigeren
Markthypotheken zu finanzieren. Also das Problem vorher
liegt bei der Pfandbriefanstalt, das sehe ich. Aber es ist immer
ganz interessant, w'enn sich Herr Landowsky zu solchen
Sachen so sehr engagiert. Diesen Punkt haben Sie meines
Erachtens vornehm verschwiegen und erst auf das dann fol
gende drohende Problem hingewiesen, übrigens, dies schreibt
genau das Handelsblatt, das ist nicht nur von mir so gesagt.
(Abg. Landowsky: Ich kenne den Artikel
sehr genau!)
— Ja! Ich meine, daß es berechtigt ist, über diese Probleme
intensiv zu diskutieren. Man muß aber trennen: Was führt uns
zu einer Lösung dieser Probleme, was ist dagegen einfach so
mal vorgeschlagen und führt letzten Endes nicht weiter? Und
da meine ich, muß man eben auch bei diesem Antrag der CDU
sehr stark differenzieren. Der erste Punkt des Antrags führt
überhaupt nicht weiter, und der zweite Punkt des Antrags
verzerrt die Situation, weil innerhalb der Förderung und inner
halb der Mieten inzwischen solche Disparitäten schon vorhan
den sind.
Wir von der SPD-Fraktion werden in den zuständigen Aus
schüssen die Dinge intensiv diskutieren und auch versuchen,
gemeinsam mit der Opposition Lösungsvorschläge zu erarbei
ten. Aber sie werden wohl nicht auf dem Boden dieses Antrags,
so wie er gestellt worden ist, möglich sein. Wahrscheinlich
ist dieser Antrag — und Herr Landowsky hat ihn selbst schon
darauf reduziert — nicht mehr als ein Diskussionspapier, was
eine Diskussion in Gang bringen kann. Insofern sei er positiv
gewürdigt, — Vielen Dank!
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist der Abge
ordnete Hucklenbroich.
Hucklenbroich (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Als Mitglied der Enquete-Kommission möchte ich die
Kollegen Franke und von Kekule angesichts dieses Antrags
ernsthaft fragen: Kann man eigentlich in bezug auf die
Gemeinsamkeit der Fraktionen bei der Arbeit für das gesamte
Haus noch auf die CDU rechnen?
(Abg. Rheinländer: Sehr gut!)
Sie haben in Ziffer 2 Ihres Antrags formuliert: „Aussetzung
der nächsten Verminderung der öffentlichen Förderungsmittel
im steuerbegünstigten Wohnungsbau für drei Jahre, so daß
eine Verschiebung der Mieterhöhungen erreicht wird. — Der
Bericht der Unterkommission Wohnen der Enquete-Kommis
sion, der seit längerer Zeit fertig ist, lautet in Ziffer 14:
Um eine weitere Verzerrung des Mietgefüges zu vermei
den, wird daher vorgeschlagen, bei den nach 1970 mit Auf
wendungsdarlehen geförderten öffentlichen Wohnungen
innerhalb der nächsten drei Jahre
— das ist der Sprung —
die jeweils nächste nach dem Wohnungsbauprogramm
vorgesehene Anhebung der Mieten auszusetzen. Das
gleiche gilt für die Wohnungen im steuerbegünstigten
Wohnungsbau.
Ich habe immer gewußt, daß die Fraktion der CDU lesen und
schreiben kann, aber daß sie so gut abschreiben kann, das ist
eine echte Überraschung.
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Dann kommt der Kollege Landowsky und sagt hier zu dem
Vorschlag, den Sie gemacht haben, im Hinblick auf die Fehl
belegung der Wohnungen im sozialen Wohnungsbau einen
langen Text. — Dazu Ziffer 16 im Bericht der Unterkommis
sion:
Die Unterkommission hat sich ferner mit dem Problem der
Fehlbelegung von Sozialwohnungen belaßt. Sie ist der
Auffassung, daß die Frage sowohl unter dem Gesichts
punkt des Einkommens als auch der Belegungsdichte auf
Bundesebene aufgegriffen und gelöst werden muß, sieht
sich jedoch nicht in der Lage, von den vielen vorliegenden
Lösungsvorschlägen ein bestimmtes Modell zu empfehlen.
Ich frage mich: Wozu sitzen wir da eigentlich noch? Was
soll die Gesamtkommission im Schlußbericht noch vortragen,
wenn sich eine Fraktion der sachlichen Mitarbeit in diesen
Punkten verschließt und hier Alleingänge hinlegt? Es steht
nämlich in der Ziffer 14 auch noch, Herr Kollege Landowsky;
Die Frage der finanzpolitischen Auswirkungen
— das ist Ihr Punkt 2 —
und der Gerechtigkeit des Einfrierens bedarf noch der
genauen Prüfung seitens des Senats.
Wir haben uns zu Frage der Wohnungsmodernisierung auf
vielen Seiten darüber ausgelassen, welchen Finanzaufwand
das erfordern wird. Wir erfahren jetzt, daß Sie in Ihrer Frak
tion genaue Zahlen haben; das tragen Sie heute vor. Aber in der
Enquete-Kommission sitzen Ihre Kollegen einschließlich des
Geschäftsführers Knafla und kopieren den alten Moltke. Ich
finde, das sind Dinge, die einfach nicht gehen. Und 'dann kom
men Sie — das hier ist also ein altes Papier — und hauen den
anderen um die Ohren, daß Sie zuerst da waren und daß wir
hier Neidkomplexe haben. Neidkomplexe auf diese Abschrei
berei? — Da kann ich doch bloß lachen.
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Ich würde also, ohne jetzt die Sachdiskussion fortzufüh
ren, ganz ernsthaft bitten: Wenn Sie wollen, daß wir in der
Enquete-Kommission noch weiter mitarbeiten, dann muß es
aufhören, daß sich jeder einzelne Punkte rausschreibt, um
damit parteipolitische Selbstdarstellung zu betreiben. Ich
möchte jedenfalls für unsere Fraktion ankündigen: Wir werden
uns solcher Versuchungen enthalten, und Sie müssen prüfen,
ob Sie ein politischer Verein sind, dem die Fähigkeit zur
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