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Volume Nr. 69, 27. Oktober 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
69. Sitzung vom 27. Oktober 1977 
war es etwas mißverständlich. Ich glaube, ich habe es aber doch 
ganz genau gehört. Er hat in diesem Zusammenhang auf das F- 
und H-Programm hingewiesen und von Interessen des Sports 
und der Gesellschaft gesprochen. Hier möchte ich den Finger 
in diesen Widerspruch hineinlegen. Es gibt keinen Wider 
spruch zwischen Interessen des Sports und der Gesellschaft. 
Denn der Sport ist eine gesellschaftliche Institution und ver 
tritt die Interessen eines Großteils der Gesellschaft. Das wol 
len wir hier einmal ganz klar an dieser Stelle sagen und her 
ausarbeiten. 
Wenn also die freien Träger des Sports diejenigen sind, die 
als Vereine in der herkömmlichen Organisationsstruktur ge 
wissermaßen dafür prädestiniert sind, jeden Sport anzubieten 
und auch den Freizeitsport, dann sollen wir ihnen das Leben 
nicht unnötig schwer machen, wo sie sowieso in aller Regel 
als gemeinnützige Unternehmen anerkannt sind. Wenn hier 
der Einwurf gemacht wurde: „kommerzialisierter Sport", dann 
ist das ja wieder etwas ganz anderes, was in diesem Zusam 
menhang überhaupt nicht hierher gehört. Das heißt also — 
(Abg, Fröhner: Wat denn nu?) 
die Sportorganisation, so wie sie sich herkömmlich darstellt, 
spricht für einen gesellschaftlichen Bereich und nicht nur für 
die in diesem Bereich Organisierten, sondern auch für die 
noch nicht Organisierten. Denn, ich glaube, es wird kaum 
jemanden in diesem Haus geben, der den 13 Millionen im 
Deutschen Sportbund organisierten Sportlern ein Mandat 
absprechen wird, auch für diejenigen zu sprechen, die noch 
nicht im Deutschen Sportbund organisiert wird. Denn wir 
hören ja gerade immer von Ihrer Seite, wenn es zum Beispiel 
um die Gewerkschaften geht, wie hier sogar ein allgemeines 
politisches Mandat verlangt wird. Den Sportorganisationen, 
wie sie sich herkömmlich darstellen, muß man mindestens das 
Mandat dazu geben, daß sie für den Sport nicht nur das gewich 
tigste Wort zu reden haben, 
(Abg. Neubauer: Reden sollen! — Abg. Fröhner: 
Steht im Antrag!) 
sondern eben auch den Sport anbieten und das nicht irgendwel 
chen staatlichen Trägern überlassen sollen. Deshalb ist unsere 
Position hier die Position des Landessportbundes. Und die 
Position des Landessportbundes und auch des Deutschen Sport 
bundes ist es — Willi Weyer hat es immer wieder gesagt, zuletzt 
auf Ihrer sportpolitischen Tagung in der Kongreßhalle —, daß 
im Freizeit- und Erholungsprogramm die kommunalen Sport 
angebote in die Vereine übertragen werden sollen. Ich glaube, 
Sie werden sich, auf Dauer gesehen, diesem Appell kaum ent 
ziehen können, zumal ja die Frau Senatorin bei mehreren 
Gelegenheiten klar zu erkennen gegeben hat, daß auch sie 
dieser Meinung mindestens anhängt. 
Wenn man fragt, wie nun die Übertragung an die Vereine 
vor sich gehen soll, dann gibt es dafür zwei Modelle. Das ein 
fachste Modell wäre das: Man würde den gesamten Finanzauf 
wand, das sind ja etwa 1,8 Mio DM pro Jahr, als Subvention 
an den Landessportbund mit gezielten Bindungen und Auf 
lagen geben, wobei man selbstverständlich auch das vorhan 
dene Personal im Sportbereich, soweit es den bei den Bezirks 
ämtern angestellt ist, mit übertragen könnte. Das wäre das 
einfachste Modell. 
Ein zweites Modell haben einige Bezirksämter schon ver 
sucht, CDU-geführte Bezirksämter, und zwar eine Kooperation 
zwischen Freizeit- und Erholungsprogramm und Vereinen 
herbeizuführen. Das hat sich, wenn ich hier für Charlotten 
burg sprechen darf, recht schwierig angelassen, zugegebener 
maßen. Aber es ist nach meiner Meinung ein erster Versuch 
in die richtige Richtung. 
(Beifall des Abg. Schmitz) 
Die Gegenargumente, die ja immer aufs Tapet gebracht wer 
den und die auch hier wieder zu Gehör kommen werden, sind; 
Die Vereine wollen ja gar nicht und die Vereine können im 
Endergebnis auch gar nicht dieses Sportangebot leisten. Der 
Landessportbund sagt das Gegenteil. Es gibt immerhin schon 
50 Vereine mit Freizeitsportabteilungen im Landessportbund, 
die ein Sportangebot im Kurssystem machen, das heißt also, 
ohne Mitglied zu werden. Ich meine, die Freizeitsportabtei 
lungen dieser Vereine mit einem Kurssystem sind genau das, 
was hier über das Freizeit- und Erholungsprogramm und die 
Volkshochschulen erreicht werden soll. Warum aber können 
die Vereine bisher oftmals noch nicht so ein Programm unter 
breiten? Das werde ich Ihnen sagen. Aus finanziellen Gründen. 
Weil sie nicht die finanziellen Mittel haben und die Beiträge 
nicht beliebig erhöhen können. Günter Hein hat vor den 
Berliner Turnvereinsvorsitzenden gesagt: Wir haben jetzt 
beim Landessportbund 40 Gymnastiklehrerinnen ausgebildet, 
kommt, Turnvereine, übernehmt sie. Da haben die Vereins 
vorsitzenden gefragt; Na, was kosten die denn pro Stunde? 
— Na, 40 DM! — Ja, meine Damen und Herren, da muß ein 
armer Vereinsvorsitzender vom Stuhl fallen, denn er kann 
maximal 5 DM für einen Übungsleiter pro Stunde aufwenden. 
(Abg, Schmitz; So ist es!) 
Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer, und das muß an dieser 
Stelle einmal gesagt werden. Das heißt also: Die Vereine 
wollen sehr gern, bloß aus finanziellen Gründen können sie 
nicht. 
Und auch das Argument, das immer wieder ins Feld geführt 
wird, die ehrenamtlichen Helfer würden ja frustiert oder sogar 
diskriminiert, und das würde dann im Verein nachlassen, 
ist kein überzeugendes Argument. Auch hier kann man Ände 
rungen schaffen. Man könnte ja diese hauptamtlichen Kräfte, 
die vielleicht voll besoldet werden, gleichzeitig noch zu weite 
rem Sportbetrieb heranziehen, so daß sie in ihrer Position in 
den Vereinen keineswegs die ehrenamtlichen Helfer schwä- 
schen, sondern stärken werden. 
Ich möchte also an Sie, meine Damen und Herren von der 
Koalition, appellieren: Folgen Sie uns auf den richtigen Weg, 
wie ich ihn kurz aufgezeigt habe, und lassen Sie dort den 
Staat als Träger tätig sein, wo er es eigentlich soll und wo 
tatsächlich die Vereine nicht hinreichen. Ich könnte mir das 
vorstellen in Altentagesstätten, 
(Abg. Fröhner: Zu welcher Sache sprechen Sie 
hier eigentlich? 
in Krankenhäusern, in Behindertenheimen und besonders in 
Kindergärten, denn die Turnvereine brechen unter dem An 
sturm gerade der Kleinkinder, die auf die Kinderabteilungen 
der Vereine zukommen, zusammen. 
Und jetzt der zweite Punkt, der in diesem Antrag steckt. 
Das ist die von mir so bezeichnete Bezirkssportkonferenz. 
Wir wissen bei der CDU, daß Sie Gremien über alles lieben. 
Das haben wir ja erlebt, ob das nun im universitären Bereich ist 
oder ob es im Schulbereich ist oder wo es auch immer ist. 
Möglichst viele Gremien her, und dann wird sich das schon 
alles auf demokratische Weise in Form von Demokratisierung 
regeln. 
(Abg. Bode: Scheindemokratisierung!) 
Wir haben die allergrößten Bedenken, daß ein Gremium auf 
Bezirksebene hier etwas helfen wird. Versuchen Sie doch nicht, 
die gegebenen Strukturen, wie wir sie in den bezirklichen 
Sportausschüssen, wie wir sie in den Vergabekommissionen 
der einzelnen Bezirke vorgegeben haben, diese Institutionen 
praktisch zu umfahren und zu umschiffen und zu einem 
anderen Ergebnis zu kommen, wobei sich sofort die Frage 
erheben muß: Was für eine Kompetenz sollen denn diese 
Gremien haben? Was sollen sie denn überhaupt entscheiden 
können? Sollen Sie nur beraten? Sollen Sie die anderen einfach 
übereinstimmen können, oder wozu sollen sie da sein? Das 
müssen Sie uns erst einmal genau auseinandersetzen. Zunächst 
einmal können wir zu dem Punkt auch nur sagen: Das machen 
wir nicht mit. — Danke schön! 
(Beifall bei der CDU — Abg. Fröhner: Wie immer!) 
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist der Abge 
ordnete Haie. Bitte schön! 
Haie (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich 
bedauere eigentlich, daß der Sprecher derCDU-Fraktion offen 
bar nicht hat lesen können und die Schlagrichtung dieses An 
trages wohl nicht erkannt hat oder nicht erkennen wollte. 
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