Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode
69. Sitzung vom 27. Oktober 1977
2. Sieht der Senat im Sinne der Bürgerfreundlichkeit eine
Möglichkeit, durch Umformulierung der Prüfungsbogen in
einfaches und klares Deutsch die unnötige Erschwerung der
theoretischen Prüfung abzubauen bzw. auf ihre Vereinfachung
hinzuwirken?
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat
Herr Senator Lüder.
Lüder, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft: Herr
Präsident! Herr Abgeordneter Güthling! Zu 1: Ja!
Zu 2; Die Prüfungsfragen zur theoretischen Prüfung sind
bundeseinheitlich aus dem amtlichen Fragenkatalog zusam
mengestellt worden, auf den sich die obersten Landesverkehrs
behörden im Interesse einheitlicher Prüfungsbedingungen mit
dem Bundesverkehrsminister verständigt haben. Bei der Ab
fassung der Prüfungsfragen und der teilweise vorgegebenen
Antworten war man bereits um eine möglichst einfache und
verständliche Ausdrucksweise bemüht. Das soll weitere bür
gernahe Verbesserungen nicht ausschließen.
Allerdings wird sich Berlin davor hüten müssen, die Bundes
einheitlichkeit aufzugeben und die Fragebögen im Alleingang
zu verändern. Es steht jedoch eine vollständige Überarbeitung
des amtlichen Fragenkatalogs in Aussicht. Hierbei wird der
Senat auf ebenso bürgernahe wie präzise Formulierungen
drängen.
Stellv. Präsident Sickert: Eine Zusatzfrage — Herr Abgeord
neter Hucklenbroich!
Hucklenbroich (F.D.P.): Herr Senator! Wie hoch ist die Zahl
derjenigen, die nach einer Wiederholung der Prüfung den
Führerschein erhalten? Ist aus dieser Zahl zu schließen, daß die
Berliner nicht dämlicher sind, als Prüflinge in anderen Bundes
ländern?
Stellv. Präsident Sickert; Herr Senator Lüder!
Lüder, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft: Herr
Präsident! Herr Abgeordneter! Ich habe die Zahlen für die
Wiederholungsfälle nicht da. Ich darf nur darauf hinweisen,
daß die — wenn Sie so wollen — Durchfallquote zwischen
28,9 % in anderen Bundesländern — also fast 30 % als Mini
mum — und in Berlin bei 43 % liegt, daß wir überall eine hohe
Durchfallquote im ersten Durchgang haben, so daß anzuneh
men ist, daß die Berliner von der Intelligenz her durchaus mit
halten können. Nur müssen wir sehen, daß in Berlin durch den
Großstadtverkehr besondere Schwierigkeiten vorhanden sind,
die zu besonderen Problemen führen.
Stellv. Präsident Sickert: Eine weitere Zusatzfrage — Herr
Abgeordneter Hucklenbroich!
Hucklenbroich (F.D.P.); Herr Senator! Halten Sie die hohe
Durchfallquote für eine Folge schlechter Vorbereitung durch
die Fahrschulen, oder meinen Sie, daß das finanzielle Interesse
der Prüfstellen an Wiederholungen Anlaß für eine derart hohe
Quote ist?
Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Senator!
Lüder, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft: Herr
Präsident! Herr Abgeordneter! Ich habe keine Ursachenfor
schung betrieben. Ich möchte hoffen, daß Ihre zweite Variante
nicht zutrifft.
Stellv. Präsident Sickert: Keine weiteren Zusatzfragen?
Das Wort hat der Abgeordnete Vetter zu einer Mündlichen
Anfrage über „ZIP macht's möglich".
Vetter (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, daß das ZIP-Programm den Senat zur Aufgabe
seiner bisherigen Haltung, die Autobahntrasse Nord an der
Holzhäuser Straße enden zu lassen, veranlaßt hat?
2. Hält der Senat eine derartige Planung, die im Gegensatz
zu seiner früheren Aussage steht, für korrekt und seit wann
existiert die Überlegung, falls es nicht zum Autobahnbau nach
Hamburg kommt, die in der Bauplanung nicht vorgesehene
Brücke über die Holzhäuser Straße für die Ableitung des
Verkehrs zur Wittestraße einzurichten?
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung — Herr
Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeord
neter Vetter! Ich kann zuerst mit einem klaren Nein antwor
ten, darf es aber begründen; und gestatten Sie mir, daß ich
beide Fragen zusammen beantworte.
Das Zukunftsinvestitionsprogramm hat uns ja die Möglich
keit eröffnet, wichtige Projekte beschleunigt zu realisieren.
Eines dieser Projekte ist die Brücke über die Holzhäuser
Straße. Sie haben völlig recht, daß die Brücke nicht in der
Bauplanungsuntorlage enthalten war; aber dies hatte aus
schließlich den Grund, daß eine Finanzierung bisher nicht
sichergestellt werden konnte. Die entscheidende Begründung
ist, daß wir diese Brücke als verkehrsgerechte Lösung an dieser
Stelle ansehen, auch unabhängig von einer Weiterführung der
Autobahn über die Holzhäuser Straße hinaus. Wir wissen, daß
dort zwei Fragen stehen: Verlängerung bis Hermsdorfer Damm
— dies können wir nur entscheiden im Zusammenwirken mit
allen dort Beteiligten, sicher auch mit Ihnen und denen, die in
Reinickendorf Verantwortung haben — und Nordanbindung,
über die ab 1978 die Bundesregierung mit der anderen Seite
verhandelt.
Unsere Begründung geht bei dieser Brücke ausschließlich in
die Richtung, das Verkehrsaufkommen am Endpunkt Holz
häuser Straße/Wittestraße angemessen und besser zu bewälti
gen. Dieses gilt gleicherweise für einen endgültigen oder auch
nur einen vorübergehenden Abschluß der Autobahn an dieser
Stelle.
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort zu einer Zusatzfrage hat
Herr Abgeordneter Vetter.
Vetter (F.D.P.): Herr Senator! Sehen Sie nicht den Vertrau
ensschwund, dem sich der Senator für Bau- und Wohnungs
wesen genauso wie diejenigen, die im Bezirk Reinickendorf
politische Verantwortung tragen, aussetzt, wenn jetzt ein
Brückenbauwerk über die Holzhäuser Straße hinweggebaut
wird, nachdem sie zwei Jahre lang in der Diskussion mit der
Reinickendorfer Bevölkerung erklärt haben: Die Autobahn
endet, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist, ob sie als
Stadtautobahn oder als Autobahn nach Hamburg fortgesetzt
wird, an der Holzhäuser Straße?
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Vetter!
Sie haben völlig zu Recht berichtet, daß ich auf sehr vielen
kleinen, mittleren und großen Versammlungen in Reinicken
dorf zu diesem Thema gesprochen habe. Ich muß jetzt präzisie
ren, was ich dort durchgehend sagte: Ich gehe davon aus, daß
der Autobahnanschluß Nord erfolgen wird; ich gehe davon aus,
daß es nur noch um das Wie geht; über das Ob ist meiner
Meinung nach in den Regierungsverhandlungen zwischen
Bundesregierung und der anderen Seite bereits entschieden
worden. Aber ich füge hinzu: In dem für mich nicht denkbaren
Fall, daß der Nordanschluß der Autobahn nicht kommen sollte,
kann die Entscheidung darüber — und das ist meine Formulie-
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