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Volume Nr. 68, 20. Oktober 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
68. Sitzung vom 20. Oktober 1977 
Präsident Lorenz: Herr Senatsdirektor X)r. Weyer! 
Dr. Weyer, Senatsdirektor in der Senatsverwaltung für 
Bundesangelegenheiten: Dies dürfte auf Schwierigkeiten 
stoßen, weil die meisten Reisenden, gerade wenn sie eine 
längere Reise hinter sich haben, kein Interesse daran ha 
ben, hier noch zusätzlich durch Anfragen aufgehalten zu 
werden. 
(Beifall bei der SPD) 
Das besagen alle Erfahrungen mit solchen Befragungen 
von Reisenden. 
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schmitz! 
Schmitz (CDU); Ist der Senat mit mir der Auffassung, 
daß angesichts des Ernstes dieses Themas die Art der 
Fragestellung und auch die Beschreibung des Gesamtvor 
ganges eigentlich imangemessen ist ? 
Präsident Lorenz; Herr Senatsdirektor Dr. Weyer! 
Dr. Weyer, Senatsdirektor in der Senatsverwaltung für 
Bundesangelegenheiten: Es ist nicht Aufgabe des Senats, 
Fragestellungen von Abgeordneten zu bewerten. 
(Abg. Thomas: Das wäre ja auch das Letzte!) 
Präsident Lorenz: Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. 
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Honig zu einer 
Mündlichen Anfrage über Schülerzeitung „Eintopf“. 
Honig (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich frage den Senat: 
Welche strafrechtlichen und schuldisziplinarischen Maß 
nahmen wurden gegen die Herausgeber der unter der Kon 
taktadresse des „Juso-Ladens“ in der Beiziger Straße 24 
in Schöneberg erscheinenden sogenannten Schülerzeitung 
„Eintopf“ und den Verfasser der unter der Rubrik „Satire“ 
abgedruckten Anleitung zum Herstellen von Sprengsätzen 
und Bomben eingeleitet ? 
Präsident Lorenz: Das Wort zur Beantwortung hat Herr 
Senator Dr. Baumann. 
Dr. Baumann, Senator für Justiz: Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ho 
nig! Im September 1977 wurde an mehreren Schöneberger 
Schulen die Schülerzeitschrift „Eintopf“, und zwar die 
Ausgabe Nr. 7 verbreitet. Diese Zeitschrift enthält einen 
Aufruf zum Schwarzfahren sowie eine Bauanleitung für 
einen sogenannten „Rasensprenger“. In den einleitenden 
Worten zu der Anleitung werden verschiedene Berliner 
Politiker sowie ein Kommentator des Senders Freies Ber 
lin durch Verdrehung ihrer Namen verunglimpft. Bei der 
Anleitung handelt es sich in Wahrheit um ein taugliches 
Rezept für die Herstellung eines gefährlichen hochexplosi 
ven Sprengstoffs. 
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin, der 
dieser Sachverhalt am 27. September 1977 bekannt wurde, 
leitete am selben Tage gegen Hersteller, Verfasser, Ver 
breiter und auch gegen die presserechtlichen Verantwort 
lichen der Druckschrift ein Ermittlungsverfahren ein, ein 
Verfahren wegen Aufforderung zum Erschleichen von Lei 
stungen der Verkehrsmittel und Herbeiführung einer 
Sprengstoffexplosion sowie wegen Anleitung zur Herbei 
führung eines gemeingefährlichen Sprengstoff Verbrechens. 
Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen richterlichen Be 
schlagnahmebefehl für die gesamte Auflage. 
Am 27. September, also am gleichen Tage, wurden ferner 
aufgrund einer richterlichen Anordnung die Räume des 
sogenannten „Juso-Ladens“ in Berlin-Schöneberg, Belzi- 
ger Straße, durchsucht, ln denen das Redaktionskollektiv 
der Zeitschrift regelmäßig getagt hatte. Dabei konnten 
mehrere Exemplare der Zeitschrift sichergestellt werden. 
Anhaltspunkte für ein Zusammenwirken zwischen den 
Jungsozialisten und den Herausgebern der Zeitschrift be 
stehen nicht. 
Der Verfasser der Anleitung konnte bisher namentlich 
nicht festgestellt werden. Ob und inwieweit die im Impres 
sum der Zeitschrift genannten Schüler und Schülerinnen 
für den Abdruck des Sprengstoffrezeptes strafrechtlich 
verantwortlich sind, bedarf noch weiterer Überprüfung. Da 
die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen noch nicht ab 
geschlossen hat, liegen dem Senat abschließende Ergeb 
nisse und Wertungen naturgemäß noch nicht vor. 
Schuldisziplinarische — ich darf das auch noch beant 
worten — Maßnahmen sind von der Schule bisher nicht 
ergriffen worden. Soweit die Schule den Sachverhalt auf 
klären konnte, kommen die namentlich genannten Schüler 
nur für die Abfassung der imbedenklichen Schulberichte 
ln Frage. Weiteres hängt vom Ausgang des staatsanwalt- 
schaftlichen Ermittlungsverfahrens ab. 
Präsident Lorenz: Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abge 
ordneter König das Wort. 
Honig (CDU); Herr Senator! Wie erklären Sie sich die 
Tatsache, daß auf der sogenannten „Empfehlungsliste“ für 
mögliche Gewalttaten in dieser terroristischen Zeitschrift 
prominente Berliner CDU-Politiker und auch ein F.D.P.- 
Senatsmltglied genannt werden, aber augenfälligerweise 
kein SPD-Politiker festzustellen ist ? 
(Unruhe bei der SPD) 
Kann man daraus nicht doch einen gewissen Hinweis ent 
nehmen auf parteipolitische Bindungen des Verfassers und 
der Redakteure dieser Zeitschrift ? 
(Unruhe bei der SPD — 
Abg. Papenfuß: Das ist ja ein „dicker Hund“!) 
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Baumann! 
Dr. Baumann, Senator für Justiz: Herr Präsident! Meine 
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! 
Hier handelt es sich um Wirrköpfe, aber — ich füge hinzu 
— um außerordentlich gefährliche Wirrköpfe. Da ich sel 
ber keiner bin, fällt es mir sehr schwer, mich in deren Kopf 
zu versetzen. 
Präsident Lorenz: Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abge 
ordneter Matthes das Wort. 
Matthes (CDU): Herr Senator! Können Sie ausschließen, 
daß bei der Herstellung dieser Zeitschrift öffentliche Mit 
tel in irgendeiner Form — auch möglicherweise durch die 
Jusos — zum Einsatz gekommen sind ? 
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Baumann! 
Dr. Baumann, Senator für Justiz; Herr Abgeordneter! 
Die bisherigen Ermittlungen, soweit sie mir bekannt sind, 
haben dafür keinen Anhaltspunkt ergeben; aber — ich 
betone ausdrücklich — die Ermittlungen sind noch nicht ab 
geschlossen. 
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