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Volume Nr. 66, 22. September 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
66. Sitzung vom 22. September 1977 
Lüder, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft: Herr Präsi 
dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Untersucht man 
die Entwicklungstendenzen des Dienstleistungssektors in den 
letzten Jahren, so läßt sich unschwer feststellen, daß dieser 
sich sehr dynamisch entwickelt hat. Der Anteil der Erwerbs 
tätigen in diesem Bereich an der Gesamtzahl der Erwerbstäti 
gen ist in den zurückliegenden Jahren stetig gestiegen. Er gibt 
inzwischen nahezu genauso vielen Erwerbstätigen Beschäfti 
gungsmöglichkeiten wie die Industrie. Ich glaube, man muß 
sich einmal deutlichmachen, was das bedeutet, gerade im Hin 
blick auf die Arbeitsplatzentwicklung in der Berliner Indu 
strie, wie wichtig der Dienstleistungsbereich für die Stadt 
geworden ist. Ich sage nicht, daß wir eine sehr starke Steige 
rung im Arbeitsplatzbereich hier haben, aber ich sage, im Ver 
hältnis von Dienstleistung zu Industrie können wir uns glück 
lich schätzen, einen so hohen Anteil von Dienstleistung in der 
Stadt zu haben. Die außerordentliche Bedeutung des Dienst 
leistungssektors bzw. der überregionalen und internationalen 
Dienstleistungen für Berlin und den hohen Stellenwert, den die 
Förderung und der Ausbau dieses Sektors in der Berliner Wirt 
schaftspolitik des Senats innehat, brauche ich nach dem, was 
Herr Abgeordneter Striek hier begründet hat, nicht noch im 
einzelnen darzulegen, aber ich will diese These, Behauptung, 
noch einmal nachdrücklich unterstreichen. 
Im einzelnen zu den Fragen der Koalitionsfraktionen; 
Zu 1 wird der Senat nach der Konzeption gefragt, die er ver 
folgt, um die führende Position Berlins im internationalen 
Messe- und Kongreßwesen auszubauen. Leider, Herr Abgeord 
neter Striek, gibt es nur wenig statistisches Material über die 
Einordnung der einzelnen Messe-, Kongreß- und Ausstellungs 
plätze in eine Rangfolge. Aber ich möchte als Teil der Antwort 
auf folgendes hinweisen. Nach allgemeiner Definition sind 
Dienstleistungen etwas Immaterielles und werden sehr häufig 
nur mit den Worten „besonders arbeitsintensiv“ charakteri 
siert. Diese Definition aber erweist sich in einigen Bereichen 
des tertiären Sektors als grundlegend falsch. Nehmen wir ge 
rade in diesem Zusammenhang Bezug auf die Messe- und Kon 
greßwirtschaft. Hier ist die, wenn man so sagen kann, „Pro 
duktion“ heute mit hohem Kapitaleinsatz verbunden. Und 
dieser Kapitaleinsatz, nämlich Investitionen auf dem Messe 
gelände einerseits, der Bau des Kongreßzentrums, des ICC 
Berlin, in dem ja in wenigen Tagen Richtfest gefeiert wird, 
andererseits, gehört wesentlich zur Konzeption des Senats. 
Wenn auch in diesem Haus über die Höhe des Kapitaleinsat 
zes für den Bau des ICC gestritten wurde, kann doch niemand 
an der ökonomischen Erkenntnis vorbeikommen, die ich wie 
folgt formulieren möchte: Die Kapitalintensität des Produktes 
Messe und des Produktes Kongreß ist ganz erheblich. Und das 
gilt weltweit. 
(Beifall bei der F.D.P., der SPD und des Abg. Zellermayer) 
Der ständige Strukturwandel, der sich in der Wirtschaft voll 
zieht, geht am Messe-, Kongreß- und Fremdenverkehrswesen 
nicht vorbei. So hat sich beispielweise in den vergangenen 
Jahren bei den Messen ein ausgeprägter Trend zur streng auf 
einen bestimmten Markt oder Teilmarkt ausgerichteten Fach 
messe, die sich in ihrer Angebotspalette sehr flexibel den 
Wünschen der Angebots- und Nachfrageseite anpaßt, ent 
wickelt. Und dies hat auch im Berliner Veranstaltungspro 
gramm seinen Niederschlag gefunden. Die dabei verfolgte 
Messepolitik war so erfolgreich, daß das Messegeschehen in 
Berlin von einer Abfolge internationaler Veranstaltungen, die 
ein großes Publikum und eine große Zahl von Fachbesuchern 
anziehen, bestimmt wird. Und ich darf daran erinnern, daß 
wir bei den großen Messen und Ausstellungen in diesem Jahr, 
bei der Grünen Woche und bei der Funkausstellung, jeweils 
einen absoluten Rekord an allgemeinen Besuchern und, was ich 
besonders betone, an Fachbesuchern aus Berlin, aus dem 
Bundesgebiet und aus dem Ausland bekommen haben. Und 
dies gehört hier gesagt und unterstrichen. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Und ein Blick vorwärts: Auf dem Messegelände der AMK 
ist für die nächsten zwei Jahre ein Auslastungsgrad erreicht, 
der unsere Messegesellschaft sagen lassen muß: Wir sind aus 
gebucht, ausgebucht rund um den Funkturm für zwei Jahre. 
Das ist Messepolitik für die Zukunft. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Im November 1976 hat Professor Dr. Harald Jürgensen in 
einem Referat zu dem Thema „Dienstleistungen — ein Wirt 
schaftsbereich mit Zukunft?" eine Prognose abgegeben, bei der 
die Wachstumschancen der Messewirtschaft im Bereich der 
konsumorientierten Veranstaltungen, die dem Bedarf an Ge 
sundheit, Freizeit, Erholung Rechnung tragen, gesehen 
werden. Ich meine, auch in diesen Bereichen haben wir in 
Berlin einiges zu bieten. Wir machen Ausstellungs-, Messe- 
und Kongreßpolitik nicht nur für die Wirtschaft, wir machen 
sie auch für die Bereiche Gesundheit, Freizeit, Erholung, 
Wissenschaft, Forschung, Kultur. Und als Beispiele nenne ich 
Veranstaltungen wie die Internationale Grüne Woche, wie die 
Boots, Sport- und Freizeitausstellung Berlin, ich nenne die 
Internationale Tourismusbörse, die sich als international 
weltweit führend entwickelt hat. Und in diesem Zusammen 
hang darf natürlich die gestern eröffnete 15. Übersee-Import- 
Messe „Partner des Fortschritts" nicht unerwähnt bleiben. 
Die messepolitische Konzeption des Senats hat sich in naher 
Zukunft in erster Linie an zwei Aufgaben zu orientieren; dem 
Ausbau und der Verbesserung des vorhandenen Potentials und 
der flexiblen Anpassung an Strukturwandlungen im Messe 
bereich. Für die weitere Zukunft steht natürlich gleichrangig 
neben den genannten Aufgaben die Gewinnung neuer attrak 
tiver Veranstaltungen für Berlin. Unsere AMK überprüft 
ständig Sinn, Zweck und Verbesserungsmöglichkeiten der 
institutionalisierten — möchte ich es einmal nennen — Aus 
stellungen und Messen. Und wir suchen ständig auch nach 
neuen Entwicklungsmöglichkeiten. Und so, wie die AMK in 
den letzten Jahren Ausstellungen neu entwickelt hat — ich 
nenne die „Partner des Fortschritts“, die jetzt 15 Jahre be 
stehen, ich nenne die Internationale Tourismusbörse, ich 
nenne Ausstellung und Kongreß „Wasser", und wir könnten 
weitere erwähnen —, so werden wir auch weiterhin prüfen, 
wie wir nach neuen marktstrukturpolitischen Anforderungen 
unter den Kriterien, die wir aufstellen, Attraktivität für die 
Berliner, Attraktivität für die Fachbesucher aus dem In- und 
Ausland, wirtschaftspolitischen Erfolg erreichen. 
(Abg. Rheinländer: Trifft das auch auf die Interbrau 
aus München zu?) 
Und nun lassen Sie einen Biertrinker ein Wort zur Interbrau 
sagen: 
(Abg. Rheinländer: Sehr gut!) 
Wir haben dies im Beirat der AMK in aller Offenheit disku 
tiert — und ich sage es mal als Berliner in aller Bescheiden 
heit — während der Dauer des Oktoberfestes: vielleicht hatten 
wir nicht die bierliche Ruhe, um dort an München heranzukom 
men. Aber wenn wir es mit der Beharrlichkeit eines Bier 
trinkers erreichen, daß die Interbrau dann kommt, dann wollen 
wir vergessen, was es jetzt an Ärger gegeben hat. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
In diesem Zusammenhang auch ein Wort über die Messe 
gesellschaft, die AMK. Die Fusion ist vollzogen, die drei Gesell 
schaften rund um den Funkturm — Deutschlandhalle, Berliner 
Ausstellungen, AMK Berlin — sind zusammengefaßt, und das 
war nicht nur organisatorisch-technokratisch. Hier ist nicht nur 
umorganisiert worden, hier wurde das Instrumentarium ver 
bessert und verfeinert, es wurde mehr Effektivität geschaffen. 
Wenn es gewünscht wird, kann ich das im einzelnen nachher 
noch darlegen. Jetzt will ich nur einen Punkt bringen: 
Wir haben zum Beispiel eine Marketingabteilung neu ge 
schaffen, die für alle Bereiche des Unternehmens tätig ist. 
Mit dieser Abteilung hat die AMK Berlin ein wichtiges In 
strument für Akquisition und Marktbeobachtung und kann 
aufgrund der Arbeit dieser Abteilung Trends auf Aussteller 
und Besucherseite erkennen und in bestehende oder neu zu 
schaffende Veranstaltungskonzepte rechtzeitig und wirkungs 
voll einfließen lassen. Aber auch der Senat hat sein Instru 
mentarium verschärft. Zum Beispiel die Fördermittel für Kon- 
2748
	        
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