Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode
66. Sitzung vom 22. September 1977
ich übrigens bemerkenswerterweise aus einem Arbeitspapier
über den sogenannten Wertausgleich zwischen den Bezirken
zitieren kann, dann kann man hier nur leider das Ergebnis
vortragen, daß der Wohnungsbau weiter im Jahr 1979 auf
7 000 Wohnungen, im Jahr 1980 auf 6 000 Wohnungen und
1981 auf 5 000 Wohnungen zurückgezogen werden soll. Hier
stellt sich ein Problem, von dem ich zwei Punkte ansprechen
möchte;
Der eine Punkt ist, wie weit eine solche Veränderung des
Programms eigentlich in die Arbeitsmarktsituation, die kon
junkturpolitische und die baupolitische Situation dieser Stadt
paßt. Die Position, von der wir ausgehen müssen, ist eine Ar
beitslosigkeit im Bauhauptgewerbe. Hier müssen wir helfend
eingreifen. Das können wir nicht dadurch, daß wir die Pro
gramme vom Bereich des Hochbaus im Wohnungsbau hin ver
lagern zu Modernisierungsmaßnahmen; denn im Bauneben
gewerbe haben wir ohnehin schon einen Arbeitskräftemangel.
Es besteht also die Gefahr — und darauf ist in der Öffentlich
keit schon hingewiesen worden —, daß wir hier aufgrund der
Arbeitsmarktsituation im Baunebengewerbe demnächst nicht
zu angemessenen Preisen die entsprechenden Leistungen er
halten, sondern schlechte Leistungen, und diese noch nicht
einmal in dem gewünschten Umfang durchgeführt werden
können. — Das ist der eine Gesichtspunkt, den man berück
sichtigen muß.
Der zweite Gesichtspunkt: Wenn man sinnvolle Modernie-
sierungsmaßnahmen durchführen will, also Wohnungen von
Grund auf modernisieren möchte, dann muß man den Mietern
der betroffenen Wohnungen die Chance einräumen, in den
Neubau ausweichen zu können. Das kann ihnen aber hier und
heute in Berlin nicht geboten werden. Insofern muß parallel
zum Modernisierungsprogramm auch der Bereich Neubau im
öffentlich geförderten Wohnungsbau weiter vorangetrieben
werden. Alles andere ist völlig unsinnig.
(Beifall bei der CDU)
Wenn ich noch einen dritten Gesichtspunkt hinzufügen
darf, dann betrifft der die Überlegungen zur Stabilisierung der
Bevölkerungssituation in Berlin. Wir wissen, daß das Angebot
an hinreichend qualifizierten Wohnungen in dieser Stadt noch
viel zu gering ist
(Beifall bei der CDU)
und daß dies ein wesentliches Argument dafür ist, daß wir
nicht genügend Arbeitskräfte aus anderen Gebieten der Bun
desrepublik nach Berlin ziehen können, daß die Berlin-Zu
wanderung eingeschränkt ist. Insofern ist es auch aus diesem
Gesichtspunkt falsch, das Wohnungsbauprogramm so zurück
zuschrauben, wie es der Senat im Haushaltsjahr 1978 vorhat
und in den nachfolgenden Jahren noch weiter betreiben will.
(Beifall bei der CDU)
Ich halte fest: Die GDU-Fraktion möchte im Haushaltsjahr
1978 wenigstens daran festhalten, daß im öffentlich geför
derten Wohnungsbau wie im Jahr 1977 nach dem Haushalts
plan 10 000 Wohnungen gebaut werden.
Dabei bin ich gleich bei einem weiteren Punkt im Zusammen
hang mit den Modernisierungsmaßnahmen, das ist das so
genannte Wertausgleichsprogramm, auf das der Herr Finanz
senator ebenfalls eingegangen ist. Es ist richtig, daß wir in
Berlin lange Zeit durch die Formen der Politik des Senats — des
sozialdemokratisch bestimmten Senats — einzelne Bezirke,
insbesondere die Innenstadtbezirke, sträflich vernachlässigt
haben. Das trifft alte Schulbauten, das trifft Grünflächen, das
trifft vor allem den gesamten Bereich der Unterhaltungsmaß
nahmen, aber auch der neuen Vorhaben und Projekte, also
den Investitionsbereich. Es ist aber geradezu naiv, wenn man
jetzt auf der Grundlage von statistischen Querschnittsdaten
die Berliner Bezirke in privilegierte und unterprivilegierte
einteilt und dann die Schwerpunkte der Arbeit nur noch in den
sogenannten unterprivilegierten Bezirken — nämlich den In
nenstadtbezirken — haben will. Wir müssen endlich einen
Ausgleich für die Versäumnisse der Vergangenheit finden.
Aber in der absoluten Form, wie es in den Senatsplanungen
bisher vorgesehen ist, daß nämlich nur ein Teil der Bezirke
berücksichtigt wird, ist dieser Weg einfach falsch.
(Beifall bei der CDU)
Denn es gibt auch in den anderen Bezirken Probleme für die
Bürger, die behoben werden müssen. Wir machen nicht Politik
zu irgendeinem Wertausgleich zwischen Bezirken, zwischen
Verwaltungen, sondern wir wollen den Menschen in dieser
Stadt helfen.
(Beifall bei der CDU — Abg. Prozell: Dann ziehen Sie
doch mal in einen solchen Bezirk!)
Nun gibt es dabei — und ich gehe davon aus, daß der Kollege
Ehrke dazu gleich Stellung nehmen wird — immer wieder die
Behauptung, es stimme gar nicht, daß eine Konzentration auf
einzelne Bezirke im Rahmen dieses sogenannten Wertaus
gleichsprogramms vorgenommen werden soll. Ich kann da
nur die Aufforderung an Sie richten: Dann müssen Sie aber
die Arbeitsmaterialien, die der Senat selbst an die Bezirke
verschickt, die Arbeitsmaterialien innerhalb der Finanzverwal
tung, die Stellungnahmen und die Beschlüsse des Senats korri
gieren. Wenn vermieden werden soll, daß falsch aufgrund von
statistischen Querschnittsdaten gearbeitet wird, dann müssen
Sie beispielsweise die letzten Beschlüsse des Senats korri
gieren. Dabei möchte ich aus einem Rundschreiben des
Senats an die Bezirksämter vom 14. September 1977 zitieren,
wo nämlich genau das drinsteht. Ich zitiere Ihnen in diesem
Zusammenhang den entscheidenden Satz. Er lautet:
Bei einem regional stärker gestreuten Einsatz der Wert
ausgleichsmittel besteht jedoch die Gefahr der Ver
zettelung der Mittel insgesamt.
Diese Aussage — deswegen gehe ich so konkret darauf ein —
aus den Papieren der Finanzverwaltung widerspricht diametral
dem, was der Herr Finanzsenator hier vorgetragen hat. Hier
sollte endlich einmal Klarheit geschaffen und nicht mit dem
Bürger gespielt werden, nur weil man meint, die Begriffe sind
besonders schön, so wie der „blaue Himmel über der Ruhr",
und man könne mit diesem propagandistischen Aufwand
besonders viel in dieser Stadt leisten. So kann man nicht arbei
ten, so ist das gesamte Wertausgleichsprogramm nichts an
deres als ein Luftballon, der ganz schnell zum Platzen kommt.
(Beifall bei der CDU — Abg. Maerz: In welchem Bezirk
wohnen Sie denn?)
Wenn man ein Wertausgleichsprogramm durchführen will —
dabei komme ich auf konkrete Forderungen meiner Fraktion —,
dann muß man davon ausgehen, daß im Bereich der Unterhal
tungsmaßnahmen die Bezirke endlich bedarfsgerecht ausge
stattet werden, das heißt, daß auf der Grundlage der Zu
messungsmodelle, die ja genau auf die unterschiedlichen
Bedürfnisse der verschiedenen Bezirke eingehen — die bei
spielsweise den besonderen Anteil der Ausländer berücksichti
gen —, eine hundertprozentige Ausstattung vorgenommen
wird. Wenn ich mir allerdings die Liste für das Haushaltsjahr
1978 ansehen, dann kann ich feststellen, daß im Rahmen der
einzelnen sogenannten E-Blöcke dies eben nicht geschieht, son
dern daß in dem wichtigen Bereich baulicher Unterhaltungs
maßnahmen beispielweise die Bezirke nur 72 % des wirklich
angemeldeten Bedarfs erhalten, bei der baulichen Unterhaltung
im Tiefbau nur 70 %, bei den Grünflächen nur 80 %. Herr
Senator — diese Forderung will ich auch an den Regierenden
Bürgermeister richten —, wenn Sie wirklich etwas tun wollen
im Sinne der Chancengerechtigkeit für den Bürger in den
verschiedenen Teilen dieser Stadt, dann müssen Sie
(Abg. Papenfuß: . . . nach Zehlendorf gehen!)
hier ansetzen.
Dieser Ausgleich, diese volle Ausstattung der Bezirke, ist
genau das geeignete Mittel. Dabei möchte ich gerne Schwer
punkte gesetzt wissen.
Ich nenne zwei: Nach den Versäumnissen der Vergangen
heit erscheint es unbedingt notwendig, daß wir ein Programm
für die Renovierung und Ausstattung alter Schulbauten auf-
legen, und zweitens, daß wir unser Programm für die Sport
stättensanierung fortsetzen.
Dieses zum Wertausgleichsprogramm. Ich habe die Hoff
nung, daß man insgesamt in dieser Problematik, wenn etwas
sorgfältiger und abgestimmter zwischen Senat und Koalitions
fraktionen argumentiert wird, vielleicht zu einer vernünftigen
Lösung kommen wird.
2737