Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
60. Sitzung vom 2. Juni 1977
meinem Ausscheiden aus dem Senat ein solcher Beschluß
gefaßt worden ist. Ich entnehme den Worten des Bundes
senators, daß ein solcher Grundsatzbeschluß nicht vorliegt.
Im vorliegenden Fall hat der Bundessenator darauf hin
gewiesen, daß der Senator für Justiz — ich würde hier
sagen: entgegen dem Senatsbeschluß vom Mai 1976 —
nicht beteiligt worden ist, obwohl es sich nach meiner Auf
fassung sehr wohl um eine Grundsatzfrage gehandelt hat.
(Zuruf; Hört, hört!)
Nun, ich habe nicht die Absicht, hier in argendeine
Polemik oder scharfe Kritik zu verfallen, sondern nehme
die Bitte des Regierenden Bürgermeisters auf, die Frage
ganz sachlich zu diskutieren. Denn in der Tat kann man
und muß man sorgsam abwägen, welche Interessen ge
schützt bzw. verletzt werden, wenn man sich zu einer
solchen Einladungspraxis bekennt.
Da steht nämlich auf der einen Seite die Gefahr, daß
die Stadt verödet, wenn große internationale nichtstaat
liche Organisationen keine Tagungen, Kongresse oder
sonstige Veranstaltungen in der Stadt mehr abhalten, weil
sie befürchten müssen, daß ihre östlichen Mitgliedspartner
sich dann an einer solchen Veranstaltung in Berlin nicht
beteiligen. Und die Gefahr, die dabei gesehen wird, daß
dann auf die Dauer diese großen internationalen Organi
sationen sagen, „Nach Berlin gehen wir nicht mehr“, liegt
in der Tat auf der Hand, und es kann keinem Politiker
verübelt werden, wenn er unter einem solchen Gesichts
punkt seine Entscheidung trifft.
Auf der anderen Seite muß auch folgendes gesehen
werden. Es gibt keinen Zweifel daran, daß das Berlin-
Abkommen — Herr Lummer hat zu Recht darauf hin
gewiesen — eine solche Einladung staatlicher Stellen für
nichtstaatliche Veranstaltungen nicht vorschreibt. Es kann
wohl auch keinen Zweifel daran geben, daß diese Art von
Einladungen etwas anderer Art ist, als das, was jahrelang
praktiziert worden ist, Herr Regierender Bürgermeister,
obwohl ich es sehr wohl verstehe, wenn Sie politisch Wert
darauf legen, hier eine einheitliche Handlungsweise, wie
sie sich durch Jahre hindurchzieht, darzustellen. Deshalb
gehe ich auf dieses Problem auch nicht weiter ein. Aber,
meine Damen und Herren, eines muß natürlich klar ge
sehen werden: Wir haben die Forderung der Sowjetunion,
in dieser Weise bei internationalen Veranstaltungen nicht
staatlicher Organisationen zu praktizieren. Es ist dies
nicht die einzige Forderung, in der die Sowjetunion das
Viermächte-Abkommen in einer Art und Weise auslegt,
wie es der westlichen Auffassung nicht entspricht. Und
deshalb frage ich: Besteht eben auch die Gefahr, daß man
mit einem solchen Handeln die Sowjetunion und andere
Ostblockstaaten geradezu dazu ermuntert, nur hart genug
zu bleiben, um ein politisches Nachgeben der westlichen
Seite zu erreichen?
(Beifall bei der CDU)
Ist dies nicht, psychologisch auch, dazu geeignet, ganz
erhebliche Verwirrung bei denjenigen auszulösen, die in
dieser Stadt darauf vertrauen, daß das Viermächte-Abkom
men so angewendet wird, wie es auch von den Alliierten
akzeptiert worden ist und verbindlich für uns interpretiert
wird?
Das ist doch die Interessenabwägung, Herr Kollege
Korber, die wir hier vornehmen müssen. Gefahr der poli
tischen Verödung in einem Teilbereich; auf der anderen
Seite die Gefahr des Unterlaufens der gesetzlichen und
politischen Grundlagen im internationalen Geschäft, eine
allmähliche Hinwendung zu der Interpretation der anderen
Seite. Dagegen muß man abwägen. Man muß sich dann
sehr sorgfältig fragen, meine Damen und Herren, ob die
Entscheidung, die man trifft, noch verantwortet werden
kann im Hinblick auf das Schicksal dieser Stadt. Und
dies darf nicht nur kurzfristig, sondern es muß lang
fristig gesehen werden.
Ich glaube, daß es notwendig ist, auch diesen letzten
Gesichtspunkt immer wieder zu Gehör zu bringen und sehr
sorgfältig zu diskutieren. Wenn ich dabei, Herr Kollege
Korber, gelegentlich etwas penetrant erscheine, will ich
das in Zukunft gern in Kauf nehmen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Stellv. Präsident Baetge; Das Wort hat nun der Abge
ordnete Franke.
Franke (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Regierender Bürgermeister Stobbe! Sie
haben hier versucht, noch einmal Ihre Einladungspraxis
klarzumachen. Ich muß Ihnen gestehen, als einer der
Abgeordneten in diesem Hause, die sich mit diesem Pro
blem nicht so sehr befassen, ist es mir leider trotzdem
nicht klargeworden, was Sie nun meinen und was Sie
wollen. Für mich steht nach wie vor die Frage: Warum
verfahren Sie bei dieser Einladung, von wem auch immer
sie ausgesprochen werden muß, anders als Ihr Vorgänger,
Herr Schütz? — Für mich steht die Frage, ob Sie es ernst
nehmen, wenn Sie sagen, die Form, die Sie gewählt haben,
diene dem Interesse der Stadt. Denn wenn dem so ist,
dann hätte das Verfahren, das Herr Schütz vorher gewählt
hatte, nicht dem Interesse der Stadt gedient. Ich glaube,
so kann es wohl nicht weiter gesagt werden, so kann es
wohl nicht stehenbleiben. Wir wären Ihnen sicherlich
dankbar, wenn Sie hier noch einmal ein paar Worte finden
könnten.
Und nun noch einmal etwas zu dem, was Sie aufgeregt
hat hinsichtlich unserer Kritik an der Kandidatur des
Herrn Haus. Da Sie es offensichtlich immer noch nicht
begriffen haben, will ich noch einmal ganz deutlich sagen;
Uns stört daran, daß Sie mit genau denselben Methoden
arbeiten wie Ihr Vorgänger, nämlich seinerzeit bei der
Bewerbung des Herrn Grimming zur KPM. Da waren
qualifizierte Bewerber da, da war sogar ein qualifizierter
Bewerber da, der keiner Partei angehörte, der sogar die
Unterstützung des Vizepräsidenten Sickert gefunden hat,
der sogar von dem damaligen Verwaltungsratsvorsitzen
den, obwohl der noch nicht gewählt war, hausinteme
Unterlagen bekommen hat, um sich schon in seine zu
künftige Aufgabe einzuarbeiten. Und dann tauchte der
Genosse Grimming auf, und Herr Sickert sagte: „Dann
nehmen wir selbstverständlich den Herrn Grimming“. —
Und hier ist es genauso. Es taucht auf einmal der Herr
Haus auf, der noch am 19. April sagte; „Ich bin kein
Bewerber, und ich werde kein Bewerber sein“; und auf
einmal ist er der Kandidat für Sie, und Sie müssen offen
sichtlich sogar noch den Herrn Barsig bewegen, seine
Kandidatur zurückzuziehen oder ähnliches zu machen. Das
ist die Methode, die wir zu kritisieren haben. Das hat
überhaupt nichts mit der Qualifikation des Herrn Haus zu
tun, denn niemand kann bestreiten, daß Herr Gruber
mindestens genauso qualifiziert ist. Wir behaupten, daß er
erheblich qualifizierter ist, als es Dr. Haus und andere
sind.
(Beifall bei der CDU)
Und dann haben Sie in Ihrer Regierungserklärung auch
gesagt, daß Sie für bürgernahe Politik sind und daß Sie
diese unterstützen wollen. Das unterstreichen wir auch.
Nur haben wir dann die herzliche Bitte, bringen Sie das
auch Ihrem Bausenator bei. Was hat er denn gestern
getan? Sie sollten es sich von ihm einmal erklären lassen
— vorhin ist es angedeutet worden: Da gibt es eine Pla
nung, die im Bauausschuß des Abgeordnetenhauses be
sprochen worden ist, zur Kreuzung Clayallee, da gibt es
eine Vorlage im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses,
die Bürgerinitiative ist befragt worden, wir alle haben
uns die Informationen geholt und haben uns die Vor
lagen — auch die F.D.P. — zu eigen gemacht. Und dann
geht der Herr Ristock hin und sagt: „April, April, ick
mach ’ne neue Vorlage, ist ein bißchen teurer“. — Er
sagt uns im März vorigen Jahres zu, eine Vorlage zu
machen über die Bebauung des Landwehrkanals, er tut
es ein Jahr nicht und dann redet er mit uns im Planungs
ausschuß und im Bauausschuß darüber. Was sagt er?
„April, April, ist alles nichts gewesen, wir müssen wieder
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