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Volume Nr. 58, 12. Mai 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
68. Sitzung vom 12. Mai 1977 
nur auffordern, Herr Senator: Schwimmen Sie nicht um 
Scharfenberg, sondern gehen Sie einmal In die Schulen 
hinein und sehen Sie sich den Sportunterricht dort an, 
dann würden Sie hier nämlich mit mehr Sachkunde und 
mit weniger Engagement für das, was Sie hier vertreten 
haben, sprechen. Ich kann Ihnen nur raten: Tun Sie etwas, 
und versuchen Sie nicht, unsere Initiative durch diese Be 
merkungen zu diskreditieren. — Ich danke Urnen! 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Schwarz. 
Schwarz (SPD): Eigentlich wollte ich es mir ja ver 
kneifen und unsere Geduld hier allgemein nicht über 
strapazieren, 
(Abg. Bode; Das wäre auch besser!) 
aber nach dem, was der Herr Rauschenbach und besonders 
Herr Ulzen hier von sich gegeben haben, muß ich einfach 
antworten. 
Zunächst, Herr Rauschenbach, sind Sie uns ja noch eine 
Antwort schuldig. Erstens habe ich dieses Fremdwort 
nicht verstanden und zweitens haben Sie es uns nicht 
erklärt. 
(Beifall bei der SPD ud der F.D.P.) 
Es wäre doch ganz nett, wenn Sie hierherkämen und das 
einmal sagen würden. Und seien Sie vorsichtig, wenn Sie 
das Wort „mens sana in corpore sano“ überhaupt in den 
Mund nehmen: 
(Zurufe von der CDU: Was heißt denn das ?) 
denn denken Sie daran, Herr Ulzen zum Beispiel würde 
beim Baskettball sofort an jeden Korb kommen, aber Herr 
Lummer hätte dabei gewisse Schwierigkeiten. Doch der 
alte Juvenal hat ja mit diesem Wort etwas ganz anderes 
gemeint — er meinte damals die Gladiatoren —, er hat 
nicht gemeint, daß der Bizeps, die Länge oder sonst etwas 
im körperlichen Bereich eine Rolle spielt, sondern etwas 
hier oben, und hier muß ich sagen: Da ist es nicht nur 
der alte Kant, sondern auch der Herr Lummer, der da 
oben durchaus etwas drin hat. Es kommt nicht immer 
darauf an, wie groß man gebaut ist. Also seien Sie vor 
sichtig mit solchen Schlagworten. 
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Auch ganz überraschend für mich war Herrn Rauschen 
bachs Ausfall gegen das Klassenlehrersystem in der Grund 
schule: Es sei daran schuld, daß der Sport in der Grund 
schule nicht so funktioniere, wie er funktionieren sollte. 
Es gibt da Mängel und Fehler, aber das ist bestimmt der 
letzte Grund.-Da müssen Sie sich einmal mit Ihren Päd 
agogen in den eigenen Reihen auseinandersetzen, die wer 
den Ihnen dann schon was erzählen. 
Und zu Herrn Ulzen: Was Sie in Ihren letzten Worten 
dargeboten haben, ist genau einer der Punkte, die uns in 
der Schule mit dem Sport so belasten. Es gibt da zwei 
Gruppen, einmal die Leibesübungsideologen — davon hat 
Frau Wiechatzek vorhin schon ein bißchen was angedeu 
tet —, das sind diese Leute, die Sport, Schönheit, das 
Wahre, das Gute, die reine Bewegung an sich, das indivi 
duelle Streben nach Erfahren des eigenen Körpers und 
ähnliches von sich geben. Und die zweiten — dazu ge 
hören Sie und Herr Rauschenbach — sind die Leistungs 
fanatiker; das haben Sie wieder ganz deutlich gemacht. 
(Abg. Ulzen: Jawohl, wir sind Leistungsfanatiker! 
— Abg. Bode: Wenn es in der Schule 
schon keine Leistung gibt! — Abg. Wischner: 
Haben Sie was gegen Leistung, Herr Schwarz ?) 
Aber Sie vergessen dabei, daß in einer Schulklasse Kinder 
sind, die die verschiedenste körperliche Entwicklung durch 
gemacht haben, die aus den verschiedensten Elternhäusern 
kommen. — Ich weiß ja, daß Sie unruhig werden, ich spüre 
das ja, Herr Ulzen; ich spüre immer, wenn Sie getroffen 
werden. Aber ich sage es Ihnen trotzdem: Das, was Herr 
Rauschenbach und Sie hier gezeigt haben, ist typisch das, 
was wir in der Schule nicht gebrauchen können, den Lei 
stungsfanatismus; wir sind keine Diamantenschleifer für 
künftige Olympiasieger. 
(Zurufe von der SPD; Sehr gut! — 
Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Ich akzeptiere durchaus Ihre Kritik, Frau Wiechatzek, 
das war sehr fein und wohlabgewogen hier vorgetragen, 
da läßt sich manches drüber sagen — die anderen beiden 
lassen wir mal außen vor —, ich will mich jetzt mit Ihnen 
auseinandersetzen. Und da sind wir uns sicher einig, Frau 
Wiechatzek; Das Stichwort, unter dem der Schulsport 
stehen muß, ist das Stichwort: Wetteifer! Und vor allem 
— Herr Rasch hat es angedeutet, aber Sie haben das in 
Ihrem tierischen Emst völlig beiseitegelassen, Herr Rau 
schenbach und Herr Ulzen: Sport muß in erster Linie 
Spaß machen! 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. — 
Abg. Ulzen: Macht ja auch Spaß!) 
Wir müssen uns übrigens noch vor einem hüten, nämlich 
daß wir Schulsport gegen Vereinssport ausspielen und 
etwa sagen: Schule mies, infolgedessen keine Leistung im 
Verein! Ich bringe Ihnen gleich ein Beispiel: Vor einigen 
Tagen hat die gesamte Berliner Presse großartige Meldun 
gen über die Erfolge im Schulschwimmen gebracht, wie 
viel Berliner Schüler doch Freischwimmer, Fahrtenschwim 
mer und Rettungsschwimmer sind. Und wie sind die Lei 
stungen im Berliner Schwimmsport? Die Frage möchte 
ich hier nur stellen. 
(Abg. Rösler: Die Frage müssen Sie 
dem Senat stellen!) 
Ein großer Teil unserer Sportlehrer ist Trainer in den Ver 
einen, und seit Jahren sind die Trainingsprogramme der 
Vereine im Umbruch, wie auch der Schulsport. Aber wir 
müssen aufeinander zugehen, wir dürfen sie nicht gegen 
einander ausspielen, das ist das Verkehrteste, was wir 
machen können. Wir sind also keine Lieferanten für die 
Vereine; die Verbindung besteht ja bereits zwischen den 
Lehrern, die gleichzeitig in vielen Vereinen Trainer sind, 
und in dem neuen Angebot, das Vereine heute als Fami 
lien- und Freizeitsport anbieten. Ich finde, das ist sehr 
positiv. Aber wir sollten uns hüten, den Schulsport für die 
Verkniffenheit mancher Sportfunktionäre verantwortlich 
zu machen, die die Mißerfolge ihrer alten Trainingsmetho 
den auf die Schule schieben wollen! 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Präsident Lorenz: Wird weiter das Wort gewünscht ? — 
Das ist nicht der Fall. Damit ist die Große Anfrage er 
ledigt. 
(Abg. Rheinländer: 3 : 0 für die Koalition! — 
Abg. G. Lorenz: Der Lindemann kneift wohl?) 
Der Ältestenrat empfiehlt die Vertagung der lfd. Nm. 6 
bis 8 der Tagesordnung. Erhebt sich dagegen Wider 
spruch? — Das ist nicht der Fall, dann sind die Punkte 
vertagt. 
Bei den lfd. Nm. 9 bis 17 handelt es sich um Vorlagen 
zur Kenntnisnahme gemäß Artikel 47 Abs. 1 der Verfas 
sung von Berlin, und zwar; 
lfd. Nr. 9, Drucksache 7/839; 
VO über die Festsetzung des Bebauungsplans UI-148 
2404
	        
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