Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
68. Sitzung vom 12. Mai 1977
nur auffordern, Herr Senator: Schwimmen Sie nicht um
Scharfenberg, sondern gehen Sie einmal In die Schulen
hinein und sehen Sie sich den Sportunterricht dort an,
dann würden Sie hier nämlich mit mehr Sachkunde und
mit weniger Engagement für das, was Sie hier vertreten
haben, sprechen. Ich kann Ihnen nur raten: Tun Sie etwas,
und versuchen Sie nicht, unsere Initiative durch diese Be
merkungen zu diskreditieren. — Ich danke Urnen!
(Beifall bei der CDU)
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Schwarz.
Schwarz (SPD): Eigentlich wollte ich es mir ja ver
kneifen und unsere Geduld hier allgemein nicht über
strapazieren,
(Abg. Bode; Das wäre auch besser!)
aber nach dem, was der Herr Rauschenbach und besonders
Herr Ulzen hier von sich gegeben haben, muß ich einfach
antworten.
Zunächst, Herr Rauschenbach, sind Sie uns ja noch eine
Antwort schuldig. Erstens habe ich dieses Fremdwort
nicht verstanden und zweitens haben Sie es uns nicht
erklärt.
(Beifall bei der SPD ud der F.D.P.)
Es wäre doch ganz nett, wenn Sie hierherkämen und das
einmal sagen würden. Und seien Sie vorsichtig, wenn Sie
das Wort „mens sana in corpore sano“ überhaupt in den
Mund nehmen:
(Zurufe von der CDU: Was heißt denn das ?)
denn denken Sie daran, Herr Ulzen zum Beispiel würde
beim Baskettball sofort an jeden Korb kommen, aber Herr
Lummer hätte dabei gewisse Schwierigkeiten. Doch der
alte Juvenal hat ja mit diesem Wort etwas ganz anderes
gemeint — er meinte damals die Gladiatoren —, er hat
nicht gemeint, daß der Bizeps, die Länge oder sonst etwas
im körperlichen Bereich eine Rolle spielt, sondern etwas
hier oben, und hier muß ich sagen: Da ist es nicht nur
der alte Kant, sondern auch der Herr Lummer, der da
oben durchaus etwas drin hat. Es kommt nicht immer
darauf an, wie groß man gebaut ist. Also seien Sie vor
sichtig mit solchen Schlagworten.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Auch ganz überraschend für mich war Herrn Rauschen
bachs Ausfall gegen das Klassenlehrersystem in der Grund
schule: Es sei daran schuld, daß der Sport in der Grund
schule nicht so funktioniere, wie er funktionieren sollte.
Es gibt da Mängel und Fehler, aber das ist bestimmt der
letzte Grund.-Da müssen Sie sich einmal mit Ihren Päd
agogen in den eigenen Reihen auseinandersetzen, die wer
den Ihnen dann schon was erzählen.
Und zu Herrn Ulzen: Was Sie in Ihren letzten Worten
dargeboten haben, ist genau einer der Punkte, die uns in
der Schule mit dem Sport so belasten. Es gibt da zwei
Gruppen, einmal die Leibesübungsideologen — davon hat
Frau Wiechatzek vorhin schon ein bißchen was angedeu
tet —, das sind diese Leute, die Sport, Schönheit, das
Wahre, das Gute, die reine Bewegung an sich, das indivi
duelle Streben nach Erfahren des eigenen Körpers und
ähnliches von sich geben. Und die zweiten — dazu ge
hören Sie und Herr Rauschenbach — sind die Leistungs
fanatiker; das haben Sie wieder ganz deutlich gemacht.
(Abg. Ulzen: Jawohl, wir sind Leistungsfanatiker!
— Abg. Bode: Wenn es in der Schule
schon keine Leistung gibt! — Abg. Wischner:
Haben Sie was gegen Leistung, Herr Schwarz ?)
Aber Sie vergessen dabei, daß in einer Schulklasse Kinder
sind, die die verschiedenste körperliche Entwicklung durch
gemacht haben, die aus den verschiedensten Elternhäusern
kommen. — Ich weiß ja, daß Sie unruhig werden, ich spüre
das ja, Herr Ulzen; ich spüre immer, wenn Sie getroffen
werden. Aber ich sage es Ihnen trotzdem: Das, was Herr
Rauschenbach und Sie hier gezeigt haben, ist typisch das,
was wir in der Schule nicht gebrauchen können, den Lei
stungsfanatismus; wir sind keine Diamantenschleifer für
künftige Olympiasieger.
(Zurufe von der SPD; Sehr gut! —
Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Ich akzeptiere durchaus Ihre Kritik, Frau Wiechatzek,
das war sehr fein und wohlabgewogen hier vorgetragen,
da läßt sich manches drüber sagen — die anderen beiden
lassen wir mal außen vor —, ich will mich jetzt mit Ihnen
auseinandersetzen. Und da sind wir uns sicher einig, Frau
Wiechatzek; Das Stichwort, unter dem der Schulsport
stehen muß, ist das Stichwort: Wetteifer! Und vor allem
— Herr Rasch hat es angedeutet, aber Sie haben das in
Ihrem tierischen Emst völlig beiseitegelassen, Herr Rau
schenbach und Herr Ulzen: Sport muß in erster Linie
Spaß machen!
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. —
Abg. Ulzen: Macht ja auch Spaß!)
Wir müssen uns übrigens noch vor einem hüten, nämlich
daß wir Schulsport gegen Vereinssport ausspielen und
etwa sagen: Schule mies, infolgedessen keine Leistung im
Verein! Ich bringe Ihnen gleich ein Beispiel: Vor einigen
Tagen hat die gesamte Berliner Presse großartige Meldun
gen über die Erfolge im Schulschwimmen gebracht, wie
viel Berliner Schüler doch Freischwimmer, Fahrtenschwim
mer und Rettungsschwimmer sind. Und wie sind die Lei
stungen im Berliner Schwimmsport? Die Frage möchte
ich hier nur stellen.
(Abg. Rösler: Die Frage müssen Sie
dem Senat stellen!)
Ein großer Teil unserer Sportlehrer ist Trainer in den Ver
einen, und seit Jahren sind die Trainingsprogramme der
Vereine im Umbruch, wie auch der Schulsport. Aber wir
müssen aufeinander zugehen, wir dürfen sie nicht gegen
einander ausspielen, das ist das Verkehrteste, was wir
machen können. Wir sind also keine Lieferanten für die
Vereine; die Verbindung besteht ja bereits zwischen den
Lehrern, die gleichzeitig in vielen Vereinen Trainer sind,
und in dem neuen Angebot, das Vereine heute als Fami
lien- und Freizeitsport anbieten. Ich finde, das ist sehr
positiv. Aber wir sollten uns hüten, den Schulsport für die
Verkniffenheit mancher Sportfunktionäre verantwortlich
zu machen, die die Mißerfolge ihrer alten Trainingsmetho
den auf die Schule schieben wollen!
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Präsident Lorenz: Wird weiter das Wort gewünscht ? —
Das ist nicht der Fall. Damit ist die Große Anfrage er
ledigt.
(Abg. Rheinländer: 3 : 0 für die Koalition! —
Abg. G. Lorenz: Der Lindemann kneift wohl?)
Der Ältestenrat empfiehlt die Vertagung der lfd. Nm. 6
bis 8 der Tagesordnung. Erhebt sich dagegen Wider
spruch? — Das ist nicht der Fall, dann sind die Punkte
vertagt.
Bei den lfd. Nm. 9 bis 17 handelt es sich um Vorlagen
zur Kenntnisnahme gemäß Artikel 47 Abs. 1 der Verfas
sung von Berlin, und zwar;
lfd. Nr. 9, Drucksache 7/839;
VO über die Festsetzung des Bebauungsplans UI-148
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