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Volume Nr. 54, 28. April 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
54. Sitzung vom 28. April 1977 
kommen ist, und daß er sich persönlich frei von Schuld 
fühlt. Ich glaube ihm, und ich bin überzeugt, daß er sich 
nicht ehrenrührig verhalten hat. 
Ich habe den Rücktritt von Senator Neubauer mit Re 
spekt entgegengenommen; der Respekt gilt seiner Ent 
scheidung, und dieser Respekt gilt dem Mann. Dies ist 
nicht der Augenblick, um seine Arbeit zu würdigen, aber 
ich nutze die Stunde, um Kurt Neubauer Dank zu sagen 
für seine Leistung in Berlin und für Berlin. 
(Anhaltender Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren Die 
CDU-Fraktion hat um eine Besprechung dieser Erklärung 
gebeten. Das Wort hat der Abgeordnete Lummer. 
Lummer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Wenn ein Mann die notwendigen Konsequenzen 
aus seinem Verhalten zieht, verlangt ein solcher Schritt 
Respekt. Es ist hier nicht unsere Aufgabe zu prüfen, in 
welchem Umfange seinen Ausführungen Glaubwürdigkeit 
beizumessen ist. Die Tatsache, daß wir diesen Rücktritt für 
notwendig hielten, schließt nicht aus, daß menschliches 
Bedauern mitschwingen kann. 
Der Innensenator hat den Vorgang, der zu seinem Rück 
tritt führte, zunächst anders bewertet und die Konsequenz 
des Rücktritts nicht für notwendig gehalten. Er ist zurück 
getreten worden! Dies ist für uns bedauerlich. 
(Abg. Hauff: Hellseher!) 
Die Frage wird zu prüfen sein, wer wann was gewußt hat. 
Denn derjenige, der etwas wußte, mußte nach unseren 
Vorstellungen von den Rechten und Pflichten eines Sena 
tors die Frage des Rücktritts aufwerfen. Wenn er es nicht 
tat, hat er sich durch Schweigen mitschuldig gemacht. Für 
uns jedenfalls hat der Vorgang seine letzte Erledigung noch 
nicht gefunden. 
Der Rücktritt des Innensenators erscheint heute als ein 
Einzelvorgang. Die Wahrheit ist: In der Mitte der Legisla 
turperiode — zur Halbzeitbilanz — stellt sich dieser not 
wendig gewordene Rücktritt als Glied in einer Kette 
skandalöser Vorgänge und peinlicher Verstrickungen dar, 
die eine Gesamtwürdigung verdienen. Unsere Konsequenz 
aus diesen Vorgängen, die innerhalb und außerhalb der 
Stadt das Bild Berlins verdunkelt haben, heißt; Das Maß 
ist mm voll! Die Koalition hat den Wählerauftrag verspielt, 
denn sie hat die Fähigkeit verloren, diese Stadt zum Wohle 
ihrer Bürger zu regieren. 
(Beifall bei der CDU) 
Deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir den Ge 
samtzusammenhang in einer Sondersitzung des Abgeord 
netenhauses mit dem Ziel diskutieren, den Auftrag der 
Regierungsbildung an den Wähler zurückzugeben. Dies 
erscheint uns die einzig angemessene Lösung. Sie ist sicher 
besser als die schrittweise Selbstauflösung des Senats, die 
sich heute fortsetzt. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeord 
nete Ehrke. 
Ehrke (SPD); Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Eis ist eigentlich nicht notwendig, auf dieses klein 
karierte, unkollegiale Verhalten des Kollegen Lummer eine 
Antwort zu geben. 
(Abg. Simon: Unerhört! — Weitere Zurufe von der 
CDU: Unerhört! — Beifall bei der SPD) 
Wer nicht einmal in einer solchen Situation ln der Lage 
ist, einem Mann Respekt zu zollen, der hier 15 Jahre Innen 
senator war, der selbst zurückgetreten ist, wer da mit 
Unterstellungen arbeitet, die bedeuten: Wir haben noch 
zu prüfen, 
(Abg. Franke: Das hat etwas mit 
Rechtsvorschriften zu tun!) 
wir haben noch zu untersuchen —, wer nicht einmal vor 
einem solchen Mann den Respekt hat und sagt: Ich an 
erkenne diesen Schritt —, den halte ich für kleinkariert. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
— Sie werden sich noch wundern, wir haben noch viele 
solche Töne. 
(Abg. Wronski: Denken Sie mal an die Sondernummer 
im 3. Programm!) 
Ich darf Ihnen hier sagen: Wir haben Respekt vor der 
Haltung des Abgeordneten, unseres Kollegen Neubauer, der 
von sich aus freiwillig erklärt hat, zurückzutreten. Wir 
haben Respekt vor dieser Haltung, wir sind stolz darauf, 
daß ein Mitglied unserer Fraktion sich dieser demokrati 
schen Regel gebeugt hat, dort, wo er selbst ohne Schuld 
ist, zurückzutreten. 
(Zuruf von der CDU: Daran sollte sich Herr Schütz 
mal ein Beispiel nehmen!) 
Wir akzeptieren dies. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir 
nicht bereit sind, über Dinge zu reden, über die wir am 
Sonnabend hier reden sollen. Wenn Sie Anträge einbrin- 
gen, werden Sie auch noch reden können; Sie müssen sich 
doch nicht solche billigen Aufhänger schaffen. 
Wir sagen Dank an den ehemaligen Senator Neubauer, 
wir respektieren diese Haltung und werden über alle an 
deren Fragen, die Sie hier angeschnitten haben, mit Ihnen 
am Sonnabend uns streiten können. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Vetter. 
Vetter (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich glaube auch, es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um 
über den Antrag der CDU-Fraktion zu diskutieren, dafür 
ist eine Sondersitzung von der CDU einberufen worden; 
wir werden dann am Sonnabend über Ihren Schritt und Ihre 
Vorstellung genügend diskutieren können. 
Wir haben jetzt an dieser Stelle über die Erklärung des 
Regierenden Bürgermeisters zu sprechen. Ich sage dazu: 
Die F.D.P.-Fraktion nimmt den Rücktritt des Innensenators 
mit Respekt zur Kenntnis. Wir waren und sind der Mei 
nung, daß dies der richtige politische Schritt war, denn 
es ging hier nicht darum, das Maß der persönlichen Schuld 
zu werten, sondern einzig und allein darum, die poli 
tische Konsequenz zu ziehen. 
Wir begrüßen es, daß Herr Neubauer seine Entschei 
dung so schnell und eindeutig getroffen hat. Damit hat er 
den Weg freigemacht für eine unverzügliche Lösung dieser 
Personalfrage. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! 
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, damit ist 
dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen. 
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