Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
52. Sitzung vom 17. März 1977
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter, Sie haben
nur fünfzehn Minuten Redezeit.
Dr. Biewald (CDU): Gut, in Ordnung, das wußte ich
nicht. Ich werde also ein paar Dinge überschlagen müssen,
die ich aber gern demnächst dem Senator zur Verfügung
stellen werde, und
(Zurufe von der SPD)
— Sie haben völlig recht, denn dieses ist entlarvend und
demaskierend.
Ich frage daher den Senator: Zeigt diese Tatsachenkette
nicht eindeutig, daß der Rücktritt des Präsidenten Noack
ein Zusammenwirken von sachlich ungenügenden Planungs
arbeiten auf der Grundlage unausgereifter Gesetze, aber
auch persönlicher Differenzen, die ich jetzt leider wegen
der Zeit nicht darstellen konnte, innerhalb der Hochschule
war ? Hier wirkten tatsächlich nämlich Vizepräsidenten —
einer war ihm ja oktruiert, übrigens, für meine Begriffe,
gegen das Gesetz, der war schon vorher da —, Kanzler,
aber auch der Senator und/oder als Gegenspieler der Senats
direktor beim Abbau eines profilierten Wissenschaftlers
mit, der es gewagt hat, in die Universitätsfilzokratie der
Berliner Hochschulen mit Rückgrat einzutreten, und ich
glaube, solche Visitenkarten des Senats von Berlin — es
tut mir sehr leid, daß Ich hier nicht diese Dinge noch ein
gehender begründen kann — führen direkt zu einer bla
mablen, die Berliner Hochschulen für jeden Nichtgenossen,
Nichtfilzokraten, suspekt werden lassenden Situation. Der
Filz hat in der HdK über die Qualifikation gesiegt. Dieses
wird man von außen sehen, so wird man unsere Hoch
schulen beurteilen, und wir können kaum darauf hoffen,
daß das, was wir bitter nötig brauchen, nämlich neues Blut
hoher Qualifikation nach Berlin zu bekommen, in den näch
sten Jahren unter solchen Umständen von außen gesehen
noch einmal eintreten wird.
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist der Abge
ordnete Glagow.
Glagow (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Herr Senator hat die Anfrage der CDU-Frak-
tion ausführlich beantwortet,
(Abg. Rösler: Wortreich!)
auch wir danken ihm dafür. Genaugenommen sind es drei
unabhängige Fragen, die lediglich durch den Ausdruck
„Hochschule der Künste“ miteinander verklammert wurden.
Ich wende mich zunächst der ersten Frage zu, auf die wei
teren werden andere Kollegen unserer Fraktion eingehen.
Ein Präsident ist zurückgetreten. Nicht der, von dem es
einige erwarten, sondern der Präsident einer Berliner Hoch
schule. Um dieses Ereignis rankte sich bereits eine Fülle
von Vermutungen und Spekulationen; Ist er nun zurück
getreten, weil er keine Lust am Amt mehr hatte? Erfüllte
das Amt nicht das erwartete Maß an Repräsentanz und
Geltung? War er dem Amt ohnehin nicht gewachsen? Ist
er ein Opfer von Beratern geworden, die aus oppositioneller
Haltung heraus der Hochschule schaden wollen ? Diese Auf
zählung ist sicherlich nicht vollständig. Sie ist aber für
mich auch unwichtig. Nicht Vermutungen zählen in diesem
Falle, sondern Tatsachen. Und Tatsache ist, daß er zurück
getreten ist. Und Tatsache ist, daß zwischen dem bisheri
gen Präsidenten der Hochschule der Künste und den Gre
mien der Hochschule der Künste unüberbrückbare Gegen
sätze bestanden. In einer für die Zukunft der Hochschule
sicherlich nicht unwichtigen Frage vertraten der Präsident
und die Gremien der Hochschule entgegengesetzte Mei
nungen.
(Abg. Rösler: Na, warum wohl?)
In dieser Situation sah sich der bisherige Präsident zu
zweierlei außerstande: Zum einen meinte er, daß es ihm
nicht gelingen werde, in der Hochschule eine Mehrheit für
seine Meinung zu erreichen. Zum anderen sah er sich nicht
in der Lage, Beschlüsse von Hoehschulgremien, die nicht
seiner Auffassung entsprachen, nach innen und außen zu
vertreten. Als Konsequenz sah der bisherige Präsident nur
den Rücktritt vom Amt. Ob dieser Schritt der Sachlage
angemessen war und ist, will ich hier nicht beurteilen. Den
Schritt selbst will ich aber auch nicht verurteilen. Hierin
stimme ich sicher mit allen Parlamentariern und Demo
kraten überein.
Daß der Rücktritt des bisherigen Präsidenten aus sach
bezogenen Gründen heraus erfolgte, können beide, nämlich
der ehemalige Präsident und die Hochschule selbst, bewei
sen. Herrn Dr. Noack stehen zwei Mittel dafür zur Ver
fügung: Einmal seine Tätigkeit als Hochschullehrer, als
Lehrender, und zum zweiten seine Rechte und Pflichten als
Mitglied der Hochschule, also als Mitwirkender in den
Selbstverwaltungsgremien. So selbstverständlich, wie Herr
Dr. Noack diese Tätigkeiten aufnimmt, genauso unbefangen
sollte die Hochschule ihm dies ermöglichen.
An dieser Stelle soll auch nicht versäumt werden, den
bisherigen Weg der Hochschule der Künste zu würdigen.
Sie ist ein wesentliches Stück auf dem Weg zur Konsoli
dierung und Zweckerfüllung vorangekommen. Daß das an
gestrebte Ziel noch nicht erreicht ist, wissen wir alle.
(Frau Abg. Dr. Besser: Aha!)
Wir haben aber Grund genug, allen, die am bisher Erreich
ten mitgewirkt haben, dafür zu danken.
Jetzt stehen wir, um im einmal gewählten Bild zu blei
ben, an einer Weggabelung und hören unterschiedliche
Meinungen über die richtige Weiterführung. Führt der vom
ehemaligen Präsidenten vorgeschlagene Weg zum Ziel —
oder ist er nur ein schmaler Pfad, der schließlich im aus
weglosen Dickicht irgendwo einmal endet? Oder sind die
geäußerten Befürchtungen unbegründet, weil zum Beispiel,
mehr Gemeinsamkeiten vorhanden sind, als man nach der
bisherigen Diskussion überhaupt vermuten kann? Damit
leite ich — aus meiner Sicht zumindest — zu dem Thema
über, das von meinen Kollegen behandelt werden wird. Ich
erspare es mir dabei, auf die zutreffenden Ausführungen
des Senators einzugehen, mit denen er Form und Inhalt
der Meinungsbildung und Beschlußfassung im Kuratorium
wiedergab. Übereinstimmung besteht zwischen uns beiden
auch in der Bewertung dieses Vorgangs. Wir gehen auch
von der gleichen Grundauffassung über Stellung und Funk
tion der Hochschule der Künste im Reigen der Berliner
Hochschulen als einer künstlerischen und wissenschaftli
chen Hochschule aus. Bei aller Verschiedenheit sind Kunst
und Wissenschaft gleichwertige Kategorien, die teils jede
für sich, teils aber nur gemeinsam den Rang unserer
Kunsthochschule bestimmen. Falls aber überhaupt einer
der beiden Kategorien eine Dominanz über die andere ein
zuräumen ist, kann dies nur der Kunst zugebilligt werden.
An unserer künstlerischen und wissenschaftlichen Hoch
schule in Berlin hat die Kunst nach wie vor im Mittel
punkt zu stehen.
Als in der letzten Legislaturperiode am 14.11.1974 das
Gesetz über die Hochschule der Künste Berlin verabschie
det wurde, drückte ich im Namen meiner Fraktion eine
Erwartungshaltung aus, die auch heute noch gilt, nämlich
die, daß die neue Hochschule die besten Voraussetzungen
dafür bietet, daß der Bereich der künstlerischen Hoch
schulausbildung im Kulturleben unserer Stadt mit noch
größerem Gewicht vertreten werden wird.
(Beifall bei der SPD)
Stellv. Präsident Baetge; Nächster Redner ist der Ab
geordnete Dr. Dittbemer.
Dr. Dittbemer (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die CDU-Fraktion hat den Rücktritt des Prä
sidenten der Hochschule der Künste zum Anlaß genom
men — aus ihrer Sicht zum willkommenen Anlaß —, hier
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