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Volume Nr. 49, 10. Februar 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
49. Sitzung vom 10. Februar 1917 
Und wenn Sie allesamt unserem Antrag widersprechen 
und ihn hier nicht unterstützen, dann tun Sie im Grunde 
nichts anderes, als sich selbst in die Tasche lügen. 
(So ist es! — Beifall bei der CDU) 
Dann leisten Sie allenfalls einen Entwicklungsbeitrag für 
eine neue Technik des Selbstbetruges, aber nicht mehr. 
Sie sollten sich vielleicht fragen, ob Sie sich nicht zu 
schade sind, so etwas zu tun. Natürlich kennt jedermann 
die Motivation inzwischen. Herr Papenfuß hat das heute 
mittag in einer Diskussion, gewiß in Erregung, in der wir 
alle waren, ziemlich unmißverständlich zum Ausdruck ge 
bracht. Er hat gesagt: Hier geht es nicht um Geschäfts 
ordnung oder irgendeinen Antrag, hier geht es um die 
Koalition. Ja, darum geht es allerdings. 
(Abg. Papenfuß: Verletzen wir die Geschäftsordnung?) 
Und dann interessiert die Geschäftsordnung wohl nicht 
(Abg. Haus: Das ist das Letzte!) 
und auch Ihre Meinung von vorgestern nicht mehr. 
(Abg. Papenfuß: Das ist geschäftsordnungswidrig, 
oder was ? Da lachen ja die Hühner!) 
Wenn es darumgeht, dann kann man hier im Parlament 
einmal hüh und einmal hott sagen. Dann stimmen Sie 
wider Wissen und wider Gewissen gegen unseren Antrag, 
meine Damen und Herren, oder versuchen noch den Trick, 
daß Sie von einer solchen Abstimmung befreit werden. 
Dies ist sehr bedauerlich, und dies kann man, glaube ich, 
nirgendwo verstehen. 
Nun gab es noch einen Versuch von seiten eines Sena 
tors, den ich hier kurz erwähnen muß, die Stimmung wie 
der aufzupäppeln — die ist ja wohl angekratzt —, indem 
er darauf verwies, die Koalition stünde ganz gut da, zu 
mindest die SPD, denn wenn es jetzt Wahlen gäbe, dann 
hätten Sie 45% und die CDU 36%. 
(Abg. Lorenz: Machen wir doch in vier Wochen 
die Probe!) 
— Ja, meinetwegen sofort! — Aber ich muß etwas zu den 
Zahlen sagen. Was Herr Histock vielleicht nicht weiß, aber 
Sie sollten es wissen: Sie sollten wissen, meine Damen und 
Herren — diejenigen, die sich berufsmäßig damit im Senat 
beschäftigen, wissen es mit Sicherheit —, daß hier von 
Herrn Ristock nichts anderes gemacht wird als ein Sta 
bilisierungsversuch mit frisierten Zahlen. 
(Beifall bei der CDU) 
Warum, meine Damen und Herren, warum? Ich muß das 
mal, da er diese Zahlen ja publiziert hat, zu diesen Infas 
prognosen sagen, damit Sie demnächst genau bewerten und 
nicht irgendwo falsche Orientierungshilfen bekommen. In 
den letzten zwölf Jahren sind solche Befragungen durch 
geführt worden, und sie sind auch jeweils immittelbar vor 
den Wahlen durchgeführt worden, vier bis eine Woche vor 
den Wahlen. Die Befragungen von Infas haben immer er 
geben, daß das tatsächliche Ergebnis der CDU 10% bis 
12% über dem Infaswert lag. 
(Abg. Dr. Haus: Dann hätten Sie ja hier eine Mehrheit!) 
Und wenn Sie das wissen und wissen, daß bei der Sozial 
demokratie keine Verschiebung vorhanden ist, dann wissen 
Sie, daß die CDU aus einer Wahl — selbst nach Infas — 
gestärkt hervorgehen würde, und zwar wesentlich gestärkt, 
meine Damen und Herren. 
(Widerspruch und Heiterkeit bei der SPD) 
Dieses muß man zur Korrektur sagen, damit sich hier 
keine falsche Vorstellungen einschleichen. 
(Bm Neubauer: Das war wohl nichts! — 
Zurufe von SPD) 
— Nun, wenn Sie den Mut haben, dann machen Sie doch 
mit. Dann geben Sie doch dem Wähler eine Chance, wenn 
Sie sich selber nicht trauen, einen neuen Regierenden 
Bürgermeister zu finden, meine Damen und Herren! 
(Starker Beifall bei der CDU) 
Die Schwierigkeiten einer Regierungsfraktion sind ganz 
gewiß unverkennbar; und ganz gewiß wird mein hier 
wissen müssen, daß nur Sie allein in der Lage sind, den 
Knoten durchzuhauen. Aber Sie können es uns nicht ver 
übeln, daß wir Ihr Verhalten vor der Öffentlichkeit als 
das darstellen, was es tatsächlich ist. 
(Abg. Papenfuß; Aus moralischem Impetus!) 
Wenn es um den Erhalt der Koalition geht — so scheint 
es bis jetzt, wenn Sie Ihre Meinung nicht ändern —, dann 
haben Sie Verständnis dafür und tolerieren, daß ganz un 
berechtigte Persilscheine ausgestellt werden. 
(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!) 
Wenn es um den Bestand der Koalition geht, dann tole 
rieren Sie auch ein Stück Verdrehung und Verbiegung der 
Wahrheit. Und wenn es um den Erhalt der Koalition geht, 
dann sind Sie auch intern bereit, das Verhalten und die 
Äußerung des Regierenden Bürgermeisters zu mißbilligen, 
aber vor dem Angesicht des Wählers, in diesem Parlament, 
wo der Regierende Bürgermeister die Worte gesprochen 
hat, tun Sie es nicht. Aber genau das wird es ja sein. Hier 
ist ein Wort gesprochen worden, eine Ehrenerklärung für 
Herrn Schwäbl, das steht im Protokoll, und wenn es nach 
Ihrem Willen geht, bleibt es dort stehen. 
(Abg. Papenfuß: Bleibt in jedem Fall stehen! 
Ergibt sich aus der Geschäftsordnung!) 
Dann wird weder der Regierende Bürgermeister wider 
rufen, noch werden Sie es mißbilligen. Und dies ist ein 
Verhalten, das einer politischen Partei von Format un 
würdig ist. 
Meine Damen und Herren! Ehre dein Amt, damit dein 
Amt dich ehrt! Was wollen Sie dem Wähler eigentlich 
sagen? Werden Sie es ihm übelnehmen, können Sie es 
ihm übelnehmen, wenn der Wähler Ihnen dann eines 
Tages sagt: Sie kriechen, wenn es um Entscheidungen 
zur Sache geht. Oder Sie lassen sich wie Stimmvieh für 
die Koalition behandeln. Es hat doch eine Reihe von So 
zialdemokraten gegeben, die das nicht wollten, was Herr 
Schütz gesagt hat, und die hier im Parlament — so hatten 
sie gesagt — für unseren Antrag stimmen wollten. 
(Was? und Widerspruch bei der SPD) 
Warum tun sie es denn nicht? Seien Sie doch ehrlich zu 
sich selbst. Denn nur wenn Sie diese Bereitschaft haben, 
dann werden Sie auch in der Lage sein, Ihre Partei aus 
dem Tief herauszubringen, in dem Sie ist. 
(Abg. Papenfuß: Schon wieder ein Gerücht, 
was nicht stimmt!) 
Daran kann wohl kein Zweifel bestehen. Aber wenn Sie 
es nicht tun, dann hat niemand von Ihnen ein Recht, die 
zu kritisieren, die jenes anonyme Papier verfaßt haben; 
denn Sie fliehen ja zurück in dieselbe Anonymität und in 
dieselbe Feigheit und in dieselbe Unfähigkeit, vor dem 
Wähler für das geradezustehen, was Sie gesagt und getan 
haben. 
(Anhaltender Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich 
hoffe, daß inzwischen der Änderungsantrag der Fraktionen 
der SPD und der F.D.P. verteilt worden ist, so daß keine 
Unklarheit mehr besteht. 
(Zurufe von der CDU: Ohne Unterschrift!) 
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