Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
48. Sitzung vom 3. Februar 1977
genau das ist etwas, was ein Regierender Bürgermeister,
ein Regierungschef, sich nicht leisten darf. Es war unwahr,
zu behaupten, das Wegloben Schwäbls habe nichts mit
dem zerschlagenen KPM-Porzellan zu tun. Es war unwahr,
zu behaupten, man sehe Schwäbl mit außerordentlichem
Bedauern scheiden. Es war Schwindel, so zu tun, als sei
die Arbeitnehmerschaft der BSR von sich aus und gerade
zu spontan auf den Gedanken gekommen, Herrn Schwäbl
zum Direktor zu machen.
(Gelächter bei der CDU — Erregung bei der SPD)
Und es war unwahr, zu behaupten, Herr Schütz habe bis
zum 18. Februar 1976 nichts davon gewußt, daß Schwäbl
in der Schußlinie war.
Wer kann da eigentlich noch Vertrauen haben? Sie
haben, Herr Dr. Haus, uns aufgefordert, keinen Miß-
trauensantrag zu stellen.
(Abg. Dr. Haus: Nee, machen Sie ruhig! —
Abg. Papenfuß: Macht uns großen Spaß!)
Ich will Urnen ja dazu eine Bemerkung sagen. Der Stoff,
Herr Dr. Haus, dieser wie anderer, gibt längst einen sol
chen Mißtrauensantrag her. Ich will Ihnen sagen, warum
wir das nicht tun an dieser Stelle. Weil wir bedauerlicher
weise immer noch davon ausgehen müssen, daß die Mehr
heit der sozialdemokratischen Fraktion
(Abg. Dr. Haus: Daß Mehrheit Mehrheit ist! —
Abg. Papenfuß: Nur Mut!)
ein falsches Verständnis von Solidarität hat.
(Gelächter und Beifall bei der CDU —
Abg. Rheinländer: Uns über Solidarität belehren!
Das hat noch gefehlt!)
Wir müssen davon ausgehen, daß die Sozialdemokraten
auch und gerade deshalb, weil der Grad der Verfilzung in
Berlin so hoch ist, sich nicht getrauen, in einer offenen
Abstimmung gegen den eigenen Regierenden Bürger
meister zu votieren.
Das ist die Erfahrung, die wir gemacht haben. Darum
wissen wir genau. Sie allein können den Vorgang bereini
gen. Sie allein, Herr Dr. Haus, ich sagte das vorhin in
einem Zwischenruf, sind in der Lage, jenen Dreck wegzu
kehren, mit dem wir es hier zu tun haben. Dazu gehört
aber auch, daß Sie nicht von vornherein sagen, der Regie
rende Bürgermeister steht absolut außerhalb der Schuß
linie.
(Abg. Dr. Haus; Sag’ ich nicht!)
Nein, mittendrin steht er! Das hat der Ausschuß — wie
mir scheint — durchaus erwiesen.
Die Verfilzung, und das ist das Ergebnis, hat ihre Opfer
gefunden nach Ihrer Auffassung. Herr Schwäbl ging und
Herr Liehr; Herr Schwäbl sicherlich aufgrund eigenen
Verschuldens; bei Herrn Liehr sieht die Sache ganz anders
aus. Aber die Verfilzung hat noch längst nicht ihr richtiges
Opfer freigegeben. Dieses steht aus, und dieses liegt an
Ihnen. Aber, wenn nicht alles täuscht, auch die Art und
Weise, wie Sie heute reagiert haben, werden Sie nicht in
der Lage sein, diese Konsequenzen zu ziehen. Dann wird
man wohl die Konsequenz einmal dem Wähler überlassen
müssen und zum anderen vielleicht dem Staatsanwalt, der
sicherlich diese Vorgänge nicht aus einer absoluten Neu
tralität betrachten kann.
(Abg. Rheinländer: Was soll denn das! —
Zuruf des Sen Korber — Erregung bei der SPD)
Entschuldigung! Ein sprachliches Mißverständnis! Ich
meine damit, daß er sie nicht aus der Situation desjenigen,
den das nichts angeht, betrachten kann. Bitte, nehmen Sie
diese Korrektur zur Kenntnis, es war ein Fehler.
(Zurufe von der SPD)
Es geht die Staatsanwaltschaft etwas an. Vielleicht muß
die Korrektur von da erfolgen.
(Abg. Papenfuß: Sie haben eben gesagt,
wenn Schütz sich verspricht, ist es „Schwimmen“!)
Aber Ihnen kann man heute vielleicht nichts anderes sagen
als eben dieses, weil die Verfilzung so hochgradig gewor
den ist —
(Glocke des Präsidenten)
und das muß man zynisch sagen, im Gegensatz zu den
eigenen Überzeugungen sagen —: Verfilzt Euch weiter,
Genossen, denn Filz ist das einzige, was Euch zusammen
hält!
(Starker Beifall bei der CDU —
Zurufe von der SPD)
Stellv. Präsident Baetge: Das Wort hat nun der Herr
Regierende Bürgermeister.
(Abg. Feilcke; Der Filzer!)
Schütz, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Anfang
dessen, was ich sagen will, stelle ich bewußt eine Reihe
von Bemerkungen zum Verfahren des Untersuchungsaus
schusses. Ich erinnere uns alle daran, daß ein Ausschuß
dieser Art ein Instrument des Parlaments ist, das einen
ganz besonderen Charakter hat. Kurt Landsberg sagt in
seinem Kommentar zu unserer Verfassung, daß — im Ge
gensatz zu den anderen Ausschüssen des Parlaments —
die Untersuchungsausschüsse den Charakter von Behörden
haben und daß sie daher obrigkeitliche Funktionen aus
üben. Der Untersuchungsausschuß ist also kein Ausschuß
wie jeder andere. Er hat außergewöhnliche Rechte, und
er steht deshalb unter ganz außerordentlichen Pflichten.
Er verdient einen herausragenden Respekt, und er muß
diesem Respekt immer erneut gerecht werden.
Ich stelle fest, dieser Untersuchungsausschuß hat alle
Möglichkeiten voll ausgeschöpft, die ihm an die Hand ge
geben worden sind. Das war sein Recht, und er ist in die
sem seinem Recht von niemandem beeinträchtigt worden,
er ist von niemandem behindert worden. Dieser Ausschuß
hat — und darin unterscheidet er sich von vielen Unter
suchungsausschüssen, die es im Bund und in den anderen
Ländern schon gegeben hat — alle Unterlagen erhalten.
Niemand hat sich auf vorhandene Privilegien berufen, um
etwas zu verweigern. Niemand hat sich beispielsweise auf
sein Recht berufen, Zeugnis zu verweigern; kein direkt
Betroffener. Lediglich ein Abgeordneter hat sein Recht
wahrgenommen. Niemand sollte ihn dafür tadeln. Aber
es verdient, festgehalten zu werden; Es war ein Abgeord
neter der Opposition.
(Abg. Pranke: Und was war mit Herrn Grimming?
Den haben Sie wohl vergessen ?!)
Das ist wichtig, festgehalten zu werden. Andere Land
tage, auch andere Oppositionsfraktionen, haben es in deut
schen Landen da schwieriger. Hier bei uns lag alles, was
gefordert wurde, vor.
So findet sich im Bericht des Ausschusses auch keine
Beschwerde und auch keine Klage eben darüber, man wäre
im Verfahren behindert worden. Ich spreche von demjeni
gen Teil des Berichts, den alle Fraktionen gebilligt haben.
Das ist wichtig, festgehalten zu werden.
Nur, es muß auch gesehen werden, daß dies eine Reihe
von Fragen aufwirft; Fragen, die ich für meine Person
bewußt während des Verfahrens nicht öffentlich gestellt
habe. Es sind aber Fragen, die ich jetzt stellen will und
die ich stellen muß. Es sind übrigens Fragen an uns alle.
Ich bemühe mich, sie ohne Eifer und frei von Zorn zu
stellen, und beschränke mich dabei auf drei Problemkreise.
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