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Volume Nr. 74, 9. Dezember 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
74. Sitzung vom 9. Dezember 1977 
Viertens: Es ist sowohl gestern als auch heute über die 
Frage der besonderen Förderung der Fernabsatzorientie 
rung gesprochen worden. Dabei klang jeweils an, wenn 
man das täte, dann sei das gegen die kleinen und mittleren 
Unternehmen gerichtet. Man möge doch bitte einmal an 
gucken, daß wir eine große Zahl leistungskräftiger klei 
ner und mittlerer Unternehmen haben, die eine hohe Fern 
absatzquote haben und daß wir diese nicht so pauschal 
Vorbringen können. Man möge bitte auch berücksichti 
gen, das hat der Abgeordnete Dr. Kunze eben schon gesagt, 
daß dieses eines von Kriterien ist und nicht das ausschließ 
liche. 
Fünftens: Es ist von mehreren Abgeordneten jetzt zur 
Berlinförderung Stellung genommen worden. Ich möchte 
mit Nachdruck das unterstreichen, was dazu eben von 
Herrn Dr. Kunze gesagt wurde, daß dieses Thema mit be 
sonderer Sorgfalt behandelt werden muß. Ich wiederhole 
meinen Grundsatz auf Vertrauensschutz, und ich wäre 
dankbar, wenn wir nicht heute die Haushaltsdebatte aus 
nutzen, um hier eine dezidierte Debatte über dieses Thema 
weiterzuführen. Unser Ziel und unsere Prioritäten sind 
gemeinsam klar. Aber die Einzelheiten jetzt zu diskutie 
ren, würde ich nicht für Aufgabe und Sinn der Haushalts 
debatte halten. Herzlichen Dank! 
(Beifall bei der FD.P. und dar SPD) 
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist der Abge 
ordnete Matthes. Bitte schön! 
Matthes (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Schon gestern haben wir in einem Teil der Diskussion 
über Ziele und Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik ge 
sprochen. Anlaß dieser Diskussion, die ja gestern auch 
einige Spitzen in der Debatte gebracht hat, sind nicht der 
psychologische Aufwind gewesen, von dem Herr Dr. Kunze 
hier gesprochen hat, sondern die nackten statistischen Tat 
sachen einer Entwicklung, mit der keiner in dieser Stadt 
zufrieden sein kann. Diese Entwicklung hat sich im Gegen 
teil sogar noch erheblich beschleunigt in den letzten Jah 
ren, und was das Verhängnisvolle dabei ist, sie ist gegen 
läufig gegenüber der Entwicklung, wie wir sie im Bund zu 
verzeichnen haben. Gerade an diesem Punkt muß man 
Herrn Kollegen Striek einmal deutlich sagen, daß es eben 
nichts hilft, auf Weltwirtschaftskrise und sonstige allge 
meine Rezessionen zu verweisen, wenn die Zahlen anders 
wo nach oben gehen und in Berlin nach unten zeigen. 
(Abg. Blume: Wo denn nach oben?) 
Da zeigt zum Beispiel — ich habe gestern den Herrn Sena 
tor Lüder danach gefragt, er hat auch heute keine Ant 
wort gegeben, weil er gestern wie heute die Zahlen offen 
sichtlich nicht zur Hand hat — die Entwicklung der Kon 
kurse in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme 
in Berlin, während sie in der Bundesrepublik abnimmt. Eine 
deutliche Tendenz, die eigentlich jeden aufhorchen lassen 
muß, was an wirtschaftlicher Entwicklung hier passiert. 
(Abg. Blume: Das liegt an Senator Lüder, 
wahrscheinlich ? Denken Sie mal ein bißchen mehr 
nach!) 
— Herr Blume, ich möchte, daß in dieser Stadt eine Ana 
lyse über die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkei 
ten der Betriebe angepackt wird, damit man angreifbare 
Möglichkeiten findet, um das Ganze ins Lot zu bringen. Es 
hilft eben nichts, daß man sich hier, wie Herr Dr. Kunze, 
Aufwind bescheinigt und große Möglichkeiten in der Zu 
kunft überzeichnet, wenn uns wirklich allen der Boden un 
ter den Füßen wegbricht. 
(Beifall bei der CDU) 
Da hilft es eben nicht, daß wir immer nur davon reden 
wie wir am besten — und das ist offensichtlich das Mo 
derne jetzt — durch andere Methoden und neue Maßnah 
men zusätzliche Betriebe ansiedeln können, wenn es uns 
nicht einmal gelingt, jene die hier sind, hier zu erhalten. 
(Beifall bei der CDU) 
Denn mindestens, Herr Senator Lüder, und nehmen Sie es 
so polemisch, wie ich es meine, werden Sie auch in Japan 
keinen für Berlin interessieren können, wenn Ihnen der 
Gesprächspartner dort ganz nüchtern die Zahlen vor Augen 
hält, die Sie nicht einmal in Ihrer Tasche haben 
(Beifall des Abg. Landowsky) 
und dann Ihnen Entwicklungen in Berlin vorhält, auf die 
Sie leider von der Situation her nichts Vernünftiges ant 
worten können. Lesen Sie doch nach, was in der Zeitung 
gestanden hat. Da werden Sie gefragt, und das ist eine der 
Fragen, die im Grunde genommen bei der Standardauswahl 
neben den Kosten eines Standortes, neben der Verfügung 
über Arbeitskräfte auch die Frage der Produktivität, in 
die zum Beispiel solche Dinge wie Streiks mit eingehen, 
auch mit abgefragt werden. Da muß man sich halt vor 
bereiten, wenn man im Ausland Wirtschaftsgespräche 
führt, und da kann man nicht ins Offene laufen, wie Ihnen 
das da offensichtlich passiert ist. 
Herr Senator Lüder, das ist ja eines, was jeden, der sich 
mit Wirtschaftspolitik beschäftigt, besonders erschrecken 
sollte, daß so wenig Sachverstand und so wenig Zahlen 
verstand bei Ihnen in Ihren Beiträgen mitschwingt. Wenn 
schon die betriebswirtschaftliche Zahlenkonstruktion heute 
— das ist das, was Herr Blume vorhin in einem Zwischen 
ruf gebracht hat — in den meisten mittelständischen Un 
ternehmen etwas vernachlässigt ist, das Zahlenwerk, das 
Rechenwerk kleiner Betriebe nicht auf dem neuesten Stand 
ist — eines sollte aber auf dem neuesten Stand sein: Das 
Zahlenwerk und das Rechenmaterial des Senators für Wirt 
schaft. 
(Abg. Blume: Deshalb haben wir ja die Analyse 
gemacht! Deshalb ist sie ja da!) 
— In der Analyse für die kleinen und mittleren Unter 
nehmen steht wörtlich drin, wie wir alle uns leider be 
scheinigen mußten, daß Zahlenmaterial über Kosten- 
Nutzen- und Effizienzanalysen nicht zur Verfügung steht. 
Wer aber angesichts solch einer Situation bis heute nicht 
bereit ist, diese Versäumnisse nachzuholen, und statt 
dessen per Senatsbeschluß verkündet, Wettbewerbsunter 
schiede für kleine und mttlere Unternehmen gebe es in 
Berlin nicht, deshalb brauchten wir auch kein besonderes 
Wirtschaftsmittelstandsförderungsgesetz für diesen Be 
reich des Mittelstandes, das tut mir leid, Herr Kollege 
Blume, der wird in dieser Stadt wirtschaftspolitisch nichts 
bewegen können. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter, erlauben 
Sie eine Zwischenfrage ? 
Matthes (CDU): Ja! 
Stellv. Präsident Baetge: Bitte, Herr Abgeordneter 
Blume, Sie haben das Wort. 
Blume (SPD): Herr Kollege Matthes, eine Frage — viel 
leicht können Sie sie beantworten —: Wie soll es dem Se 
nat möglich sein, Zahlenmaterial zu bekommen, wenn nicht 
einmal in den einzelnen Betrieben welches vorhanden ist ? 
Matthes (CDU): Herr Kollege Blume, ich hatte in einem 
Beitrag, vor sechs Wochen war das, glaube ich, dargelegt, 
daß in einer Veröffentlichung der Industrie- und Handels 
kammer in der „Berliner Wirtschaft“ eine Untersuchung 
der Deutschen Industriebank Vorgelegen hat, wo im Bran 
chenvergleich zwischen Berliner und westdeutschen Betrie- 
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