Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
74. Sitzung vom 9. Dezember 1977
Und, meine Damen und Herren, wie in den vergangenen
Jahren, auch nichts Neues, aber in der stillen Hoffnung,
„steter Tropfen höhlt den Stein“: unser Antrag zu dem
Wohnkollektiv in Bethanien und zum Verein sozialpädago
gischer Sondermaßnahmen in Kreuzberg. Wenn Sie mit
Ihrer Senatsverwaltung nach fünf bzw. sechs Jahren noch
immer nicht begriffen haben, daß man auch in der Namens
gebung die terroristischen Mittäter nicht verherrlichen
kann und daß in diesem Haus nicht nur sozialpädagogische
Maßnahmen erfolgen — wie Sie sagen —, sondern daß die
Heranwachsenden manipuliert werden, dann müssen wir
eben von Fall zu Fall versuchen, Ihnen auf die Sprünge
zu helfen. Und deshalb unser Antrag, in diesem Fall die
Unterstützung sofort einzustellen und die Chance, die nach
den jetzigen vorhandenen Vereinbarungen ab Januar ge
geben ist, die entsprechenden Verträge zu kündigen, dann
auch möglichst real sofort zu nutzen.
(Beifall bei der CDU)
Und wir haben auch einen Antrag, wo wir das Geld für
eine aktuelle Sofortmaßnahme hernehmen wollen, darüber
ist hier schon am Mittwoch gesprochen worden, ich brauche
die Diskussion in diesem Punkt nicht zu wiederholen. Ein
Wort zu den Heimen: Auch der Kollege Papenfuß hat im
Hauptausschuß — das ist ein sehr aussagekräftiges Pro
tokoll vom 15. September — gesagt, daß über die Neu
konzeption von Heimen erst noch gesprochen werden
müsse, und Frau Reichel hat die Unterbelegung der Heime
selber zugegeben. Wenn das so ist, dann sollten Sie auch
entsprechende Konsequenzen ziehen und nicht Neubauten
fordern.
(Beifall bei der CDU — Abg. Hiersemann:
Ersatz bau!)
In der Addition der Plätze. Herr Kollege! Sie wissen das
selbst — vorhin haben Sie versucht, soviel unter dem
Strich als Saldo auszurechnen, nun rechnen Sie doch hier
bitte mal nach. — Und ich darf Ihnen das, was gerade
heute in der Zeitung — wiederum von Frau Huber, in
diesem Fall also meine Kronzeugin — steht, ins Gedächtnis
rufen, falls Sie es noch nicht gelesen haben sollten; Zum
neuen Jugendhilferecht hat die Frau Bundesministerin
nämlich gesagt, daß künftig im Vordergrund der Fa
milienpolitik das Ziel stehen müsse, so viel Kinder wie
möglich durch zusätzliche Hilfen in der eigenen Familie zu
belassen, da das Elternhaus nicht zu ersetzen sei.
(Beifall bei der CDU, aber auch bei der SPD —
Abg. Hauff; Natürlich!)
Sie müssen andere Überlegungen anstellen und nicht Neu
bauten errichten. Liefern Sie doch erst mal die Schul
arbeiten, die Ihnen der Hauptausschuß aufgegeben hat,
und dann können Sie über Neubauten befinden.
(Abg. Mertsch: Lernen Sie doch erst mal die
Grundlagenbegriffe des Haushalts!)
Und in dem Zusammenhang dann bitte dieses Geld, das
hier eingespart wird, in das Sofortprogramm, das wir
bereits gefordert haben! Es tut mir furchtbar leid, Sie kön
nen die Einzelheiten ja selber addieren, nicht nur sum
marisch, sondern vor allen Dingen politisch, und da geht
es eben um kollektivistische Erziehung. Dagegen wenden
wir uns, und deshalb können wir diesem Haushalt und
dieser Senatorin
(Abg, Mertsch; Infam, was Sie da sagen!)
nicht zustimmen.
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Baetge: Als nächster hat das Wort
der Abgeordnete Hiersemann.
Hiersemann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich einleitend mit aller Deutlichkeit
feststellen: Wir werden die von der CDU vorgebrachten
Änderungsanträge ablehnen.
(Abg. Dolata: Nichts anderes zu erwarten!
Abg. Bock: Sie werden es zu vertreten haben!)
— Ja, dann kann man sich fragen: Warum bringen Sie sie
immer wieder ein, Herr Dolata, wenn Sie es schon erwartet
haben ?
(Abg. Landowsky; Wir wollen Sie zum Bekenntnis
zwingen!)
— Das macht uns gar nichts aus, da ist nichts zu beken
nen!
(Beifall bei der SPD)
Wir lehnen die CDU-Anträge ab, weil es sich, soweit es
nicht um Drogenanträge geht, wirklich bloß um „alte
Hüte“ handelt; Herr Dolata hat das im Prinzip ja schon
gesagt. Und über die Drogenanträge haben wir uns schon
vor zwei Tagen eingehend unterhalten, und wir haben
auch da schon gesagt, daß es sich um reine Schaufenster
anträge handelt. Denn wir sind durchaus dabei, die not
wendigen Folgerungen zu ziehen, dazu brauchen wir nicht
Ihre Anträge.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte aber noch einige Worte zum Martha-Maria-
Haus sagen. Herr Dolata sagte selbst; „Alle Jahre wie
der!" — Da soll gekündigt, da sollen die Mittel nicht mehr
bewilligt werden. Aber, lieber Herr Dolata und sehr ver
ehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, warum
muß das im Rahmen einer Haushaltsauseinandersetzung
vorgebracht werden, in der man dafür in dem notwendigen
Maße nicht die Zeit hat.
(Abg. Dolata: Wann denn? )
Sie hatten über ein dreiviertel Jahr Zeit, die Frage in
einer ordentlichen Sitzung des Jugendausschusses zu be
handeln. Haben Sie das getan? — Das haben Sie nicht
gemacht.
(Abg. Dolata: Natürlich, haben wir!)
Jetzt soll das nun hier im Hau-ruck-Verfahren über die
Bühne gehen. Sie haben doch wohl nicht gedacht, daß wir
damit einverstanden sind und das hier regeln werden.
Das wissen Sie doch selbst!
(Beifall bei der SPD — Abg. Dolata: Dann eben
im Januar, wenn Sie damit einverstanden sind!)
Die Frage haben wir Ihnen im Jugendausschuß früher
schon sehr oft gestellt — darauf sind Sie uns bisher die
Antwort schuldig geblieben, und Sie werden sie uns sicher
auch heute wieder schuldig bleiben —: Was sollen wir mit
den Jugendlichen machen, wo sie hingeben und betreuen?
Sollen wir sie jetzt wieder auf die Straße schicken? —
Dazu sagen Sie kein Wort!
(Beifall bei der SPD)
Man kann die Rede von Herrn Dolata und auch die
CDU-Reden in den früheren Haushaltsbesprechungen da
hingehend zusammenfassen, dieser Senat, diese Senatorin
und die SPD-Fraktion seien kinderfeindlich, familienfeind
lich und elternfeindlich.
(Beifall des Abg. Feilcke)
Ich bemühe mich jetzt, glaube ich, schon im siebenten
Jahr — wenn ich richtig zählen kann — darum, darzustel
len, daß dem nicht so ist, aber ich bin sehr geduldig, ich
versuche es noch einmal.
(Beifall bei der SPD)
Sie sagen immer wieder, diese Senatorin und diese Se
natsverwaltung gingen an alles mit einer ideologischen
Brille heran.
(Abg. Elsner: Stimmt doch!)
Wenn man es recht bedenkt, muß ich feststellen: Nicht die
Senatorin ist hier die Ideologin, sondern die Ideologen
sitzen auf Ihrer Seite des Hauses!
(Beifall bei der SPD)
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