Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
74. Sitzung vom 9. Dezember 1977
dersetzung und auch die kontroverse Auseinandersetzung
soll ja gerade gesucht werden. Einzelne Kritiken können
doch im Grunde überhaupt gar kein Argument sein.
Hier sind vorhin — und damit komme ich noch einmal
auf die Eingangsbemerkungen zurück — Ausdrücke von
seiten der Opposition nach der Rede des Kollegen Roloff
gefallen, die mir tatsächlich der Beleg dafür zu sein schei
nen, daß man alles tun muß, um diejenigen, die solche Aus
drücke verwendet haben, von kulturpolitischer Verantwor
tung so lange wie möglich fernzuhalten. Wenn hier gesagt
wurde: „Und so einen Irren haben wir zum Präsidenten
gemacht“, wenn hier „Politrocker“ gesagt wurde, wenn
hier „Kommunist“ gesagt wurde, dann ist das genau jene
intolerante Haltung, die
(Abg. Dr. Biewald; Die Herr Roloff hier vorgemacht hat!)
diejenigen, die solche Ausdrücke gebrauchen, vollkommen
und ein für allemal — es sei denn, sie entschuldigen sich
und nehmen das förmlich zurück — dafür disqualifizieren,
kulturpolitische Verantwortung irgendwann und irgendwo
zu bekommen.
(Widerspruch bei der CDU — Beifall bei der F.D.P.
und der SPD)
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Huck-
lenbroich.
Hucklenbroich (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wir bemühen uns ja alle, die Attraktivität un
serer Stadt, gerade auch auf kulturpolitischem Gebiet,
herauszustellen und in der Bundesrepublik und im Aus
land, in Ost und West für die Stadt und ihre Aktivitäten
zu werben. Ich glaube, es dient der gemeinsamen Sache
nicht, wenn die Opposition die Beratung dieses Einzel
plans 17 zum Anlaß nimmt, hier nun alles mieszumachen.
Ich muß das wirklich noch einmal ganz unterkühlt so
sagen.
(Abg. Dr. Biewald; Ist doch falsch! — Frau Abg. Greiff:
Zuhören!)
— Ich will Ihnen sagen, was ich in Sankelmark mit Kolle
gen von Ihnen — aber auch auf anderen Veranstaltungen
in der Bundesrepublik —- erlebe — oder wenn wir hier im
Rathaus Besuchergruppen empfangen. Dann sagen wir
ihnen: Die Musikszene in Berlin ist einmalig.
(Abg. Dr. Biewald: Richtig!)
Nicht nur, was die Orchester angeht. Wir haben nicht nur
die Philharmoniker. Wir haben das Radio-Symphonie-
Orchester. Wir unterstützen das Symphonische Orchester,
das sich als drittes Orchester nach vorn arbeitet. Wir
haben in der Kammermusik ein Angebot, das auch dazu
führt, daß alle Spitzenensembles der Welt — von den
I Musici di Roma bis zu St. Martin in the Fields — nach
Berlin kommen. Hier haben wir einen Programmzettel,
der ist einmalig, nicht zuletzt — das muß man auch sagen;
gucken Sie nicht immer auf die Behörden — dank der Akti
vitäten der Konzertagenturen. Wir sagen den Leuten drau
ßen: „Berlin ist eine Reise wert.“ Wir sagen; Guckt euch
die Museumslandschaft an. Da gibt es nicht nur den Mann
mit dem Goldhelm in Dahlem und die Nofretete. Wir sind
gerade jetzt dabei, das Angebot an musealen Ausstellungen
und Museums-Einrichtungen zu erweitern, z. B. Berlin-
Museum! Al! das, weis in diesem Haushalt berücksichtigt
worden ist, zeigt deutlich, daß wir eine Museumslandschaft
entwickeln, die an Vielseitigkeit und Pluralismus kaum
noch zu überbieten ist. Und das müssen wir tun — gerade
auch im Vergleich mit Ostberlin. Gerade in der Museums
szene tut sich jetzt enorm viel.
Schauen Sie sich unsere Theaterlandschaft, unsere
Sprechbühnen an. Wir haben bedauerlicherweise zu be
klagen, daß das Schiller-Theater mit seinen Aufführungen
seit Jahren nicht Tritt faßt. Da sind nur Auslastungs
quoten von 60 %. Das ist unzureichend. Die Oper bringt es
auf 90 % ■ Das ist hier bereits angesprochen worden. Aber
wir haben nicht nur die „Schaubühne“. Wir haben jetzt
Rudolf Noelte in Berlin, der hoffentlich Konkurrenz und
frischen Wind auch in die Theaterlandschaft bringt. Auch
unsere Boulevardtheater reüssieren. Warum sagen Sie das
nicht? Warum sagen Sie nicht: Musikleben, Theaterleben,
Konzertlandschaft, Museumslandschaft sind in dieser Stadt
etwas wert? Warum werben Sie nicht mit? Warum kom
men Sie nicht und geben Anstöße?
(Beifall bei der SPD und der FD.P.)
Sagen Sie dem Senator: An die Philharmonie sollte ein
Kammermusiksaal angebaut werden. Eines muß ich ein
räumen; Der Kollege von Kekule hat sich sehr stark für
das Operettentheater eingesetzt. Das muß ich einräumen.
Warum kommen nicht mehr solcher Initiativen? Warum
gucken Sie nur über Kimme und Korn, wie Sie auf die
Pianisten schießen und sie bekleckern können? Warum
kommen Sie nicht einmal mit einer eigenen positiven Aus
sage?
(Heiterkeit bei der F.D.P. — Beifall bei der FD.P.
und der SPD — Abg. Rheinländer: Das kommt wieder
in die Presse!)
Das ist es, was wir beklagen. Und dann darf ich noch
etwas zu den Chören sagen: Es trifft zu, Sie haben
100 000 DM Ansatzerhöhung gewünscht, das ist hier also
offenbar nicht richtig berichtet worden. Wir haben dazu
gesagt: Wir wollen im Interesse des Chorberichts und einer
Zusammenführung der Chöre, die wir ja seit Jahren wün
schen, nicht jetzt schon die Erhöhung in den Ansatz hin
einbringen — und wir haben vom Senator Dr. Riebschlä-
ger die Zusage erhalten, daß im Rahmen des Haushalt
vollzuges, wenn sich da etwas bewegt, die Dinge finanziell
im Sinne dessen, was auch die Opposition angeregt hat,
geprüft und gefördert werden.
Nun lassen Sie mich etwas sagen zum kulturpolitischen
Verständnis der Opposition.
Präsident Lorenz: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Hucklenbroich (FD.P.): Bitte schön, Herr Kollege
Diepgen!
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Diepgen!
Diepgen (CDU); Herr Kollege Hucklenbroich, geben Sie
mir zu, daß erstens im Rahmen dieser Debatten bei zehn
Minuten Diskussionsbeiträgen man kein Gesamtkonzept
der Kulturpolitik vortragen kann ? Da ist der Herr Senator
für kulturelle Angelegenheiten besser dran. Er hat es nur
auch nicht gemacht.
(Abg. Rheinländer; Sie sind doch sonst nicht so!)
Zweitens: Geben Sie mir zu, daß im Rahmen der Haupt
ausschußberatungen durch Umschichtungsanträge inner
halb der Globalansätze, durch die Gesamtdiskussion deut
lich geworden ist, daß die CDU hier auch konstruktiv, ge
rade besonders konstruktiv versucht hat, auf den Bereich
des Kulturlebens in dieser Stadt einzuwirken ?
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Hucklenbroich!
Hucklenbroich (FD.P.): Herr Kollege Diepgen, ich be
stätige Ihnen gern, daß die CDU in den Ausschüssen oft
eine ganz andere Haltung zeigt als hier im Plenum — und
Ihnen persönlich bestätige ich offen und ohne Vorbehalt,
daß mit Ihnen in kulturpolitischen Fragen vernünftig zu
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