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Volume Nr. 73, 8. Dezember 1977

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1977, 7. Wahlperiode, Band III, 46.-74. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
73. Sitzung vom 8. Dezember 1977 
germeisters wurde wahrgemacht, sich in der Stadtpolitik um 
Dinge zu kümmern, die den Bürgern tagtäglich bewegen. 
(Abg. Hackel: Ist doch Schaumschlägerei!) 
Politisches Wollen konkretisiert sich in Entscheidungen über 
die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. 
(Beifall bei der SPD) 
Das vom Senat beschlossene Rahmenprogramm für benach 
teiligte Bezirke zur Verbesserung des Wertausgleichs der 
Lebens Verhältnisse in Berlin ist Ausdruck dieses Willens. Herr 
Kollege Diepgen redet von 182 Mio DM, das sind aber nur 
„leere Hülsen" und „nichts" für Ihn. Trotzdem redet er dann 
nahezu eine halbe Stunde — also fast seine ganze Redezeit 
benutzend — darüber, wie er dieses „Nichts“ neu umverteilen 
möchte. 
(Beifall bei der SPD) 
In dem vorliegenden Haushalt sind die ersten Ansätze durch 
die sogenannte Nachschiebeliste verwirklicht. Ich nenne als 
Beispiele die Zuschüsse zur Modernisierung und Instand 
setzung von Wohngebäuden in Sanierungsgebieten in Höhe 
von 61,9 Mio DM und Darlehen zur Förderung von Ersatz 
wohnungen in Sanierungsgebieten in Höhe von 17,3 Mio 
DM. Der besonders benachteiligte Bezirk Kreuzberg erhält 
so zum Beispiel im Rahmen dieses Wertausgleichsprogramms 
im kommenden Jahr für Grünflächen sowie Erholungs- und 
Freizeitzentren über 5 Mio DM zusätzlich. Die meisten Ansätze 
für dieses Ausgleichsprogramm werden jedoch erst im Nach 
tragshaushalt ihren Niederschlag finden. Der Opposition ist 
in diesem Punkt — ich betone, in diesem Punkt — dafür zu 
danken, daß sie die objektiven Schwierigkeiten bei der Erstel 
lung der detaillierten Unterlagen für das Programm anerkannt 
und der Einstellung in einen Nachtragshaushalt grundsätzlich 
zugestimmt hat, 
Berlin hat auf vielen Gebieten Hervorragendes geleistet und 
gilt in vielen Bereichen als beispielhaft. Die Fortführung an 
derer Aufgaben steht uns bevor. Durch die grauenhafte Zer 
störung eines großen Teils der Stadt im Krieg war das Land 
zu einer ungeheuren Anstrengung beim Wiederaufbau ge 
zwungen, und dies führte dazu, daß Berlin den höchsten An 
teil an Wohnungen im sozialen Wohnungsbau im Vergleich zu 
allen anderen deutschen Städten hat. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Wir haben aber auch den höchsten Anteil an Altbauwohnun 
gen, von denen fast die Hälfte nicht mehr den heutigen An 
forderungen entspricht. Aufgrund der Bevölkerungsentwick 
lung haben wir einen Zustand erreicht, in dem Wohnraum- 
nachfrage und Wohnungsangebot sich quantitativ anzunähern 
beginnen. Die politische Konsequenz ist die verstärkte För 
derung der Modernisierung von Altbauwohnungen und eine 
schrittweise Zurücknahme von Wohnungsneubauprogram 
men auf ein vertretbares Maß. Die verfügbaren Mittel sind be 
schränkt, und die Beibehaltung der Neubauförderung wie bis 
her würde den Etat unverantwortlich belasten. 
Uns Sozialdemokraten ist bei dieser Entscheidung die 
Problematik des Arbeitsmarktes bekannt. Darum erfolgt die 
Zurücknahme der Förderung schrittweise bis 1981. Den Bau 
betrieben und den im Baugewerbe beschäftigten Arbeitneh 
mern muß im Gesamtinteresse zugemutet werden, sich ent 
sprechend darauf vorzubereiten, künftig den Anforderungen 
des Baunebengewerbes gerecht zu werden. Diese Entwicklung 
ist den Beteiligten seit fast zehn Jahren bekannt. 
(Beifall bei der SPD) 
Beim sozialen Wohnungsbau stehen wir vor sehr großen Pro 
blemen. Die Kostenmiete liegt bei ca. 18 DM, die Zuschüsse, 
die die öffentliche Hand leisten muß, damit sozial erträgliche 
Mieten für die Bewohner erreicht werden, drohen ins Un 
ermeßliche zu wachsen. Der Vorschlag der CDU, den sozialen 
Wohnungsbau für alle zu öffnen, und die vorgeschlagene Aus 
gleichsabgabe kommen so vereinfacht einer Augenwischerei 
gleich. Der einkommensschwache Bürger droht im Wettbewerb 
um die Sozialwohnungen meistens zu unterliegen. 
(Beifall bei der SPD) 
Ungelöst ist die Frage der Fehlbelegung im sozialen Woh 
nungsbau. Wir alle, Sie eingeschlossen, müssen nach Lösungen 
suchen. 
In der vergangenen Legislaturperiode ist es uns gemeinsam 
gelungen, die Verlängerung der Mietpreisbindung zu er 
reichen. Das Auslaufen dieser Preisbindung steht für 1980 
erneut bevor. Meine Fraktion hat sich dafür ausgesprochen, 
eine weitere Verlängerung zu versuchen, da die Vorteile für 
uns überwiegen. Wir wissen, daß das nur Erfolg haben kann, 
wenn alle drei Parteien im Abgeordnetenhaus einmütig an den 
Bundesgesetzgeber herantreten. Eine Besprechung über die 
Verlängerung der Mietpreisbindung ist von uns für eine der 
nächsten Sitzungen im Bauausschuß beantragt worden. Hier 
zu wollen wir insbesondere ein Wort der CDU hören. Wir wol 
len wissen, ob sie bereit ist, diese Initiative im Interesse weiter 
Bevölkerungskreise mitzutragen. 
(Beifall bei der SPD) 
Wir hoffen, daß in der sachlichen Atmosphäre des zuständigen 
Ausschusses Einvernehmen erzielt werden kann, trotz der ge 
äußerten offensichtlich unterschiedlichen Meinungen der 
CDU. 
über die Hinwendung zur Stadtpolitik mit der Stadtreparatur 
und der verstärkten Modernisierung ist die CDU verständ 
licherweise überrascht. Wir freuen uns, daß Sie mit Ihrer Um 
frageaktion bei Ihren Mitgliedern endlich zu neuen Erkennt 
nissen gekommen sind. Die politische Priorität in der Stärkung 
der Wirtschaftskraft, in der Sicherung der Stadt gegen An 
griffe von außen und in der Erhöhung der politischen Bedeu 
tung Berlins haben auch Sie jetzt endlich anerkannt. 
(Beifall bei der SPD) 
Dies freut uns besonders, weil sich die CDU damit völlig in 
Übereinstimmung mit der erklärten Politik von Sozialdemokra 
ten und Freien Demokraten und diesem Senat befindet. 
(Abg. Buwitt: Billige Grundsatzerklärung!) 
Wir freuen uns auch, wenn die CDU nunmehr beginnt, ihr 
Herz für die Stadtpolitik zu entdecken und der CDU-Vorsit- 
zende, unser Präsident, dem Regierender Bürgermeister durch 
die Stadt nachreist. 
(Zuruf des Abg. Matthes) 
Was er allerdings dann in der Bezirksverordnetenversammlung 
in Tempelhof ausgeführt hat, ist skandalös und kommt einer 
Verhöhnung derjenigen Bevölkerungsschichten gleich, die 
nicht zu den Beziehern überdurchschnittlicher Einkommen 
gehören. 
(Zuruf von der CDU) 
— Sie ooch nich und reden trotzdem drüber! 
(Zuruf Abg. Matthes: Ich war dabei! — 
Beifall bei der SPD) 
Auch Ihre Ausrede im nachhinein, Sie hätten kritisieren wol 
len, daß der Senat jetzt erst beginnt, einen Wertausgleich vor 
zunehmen, ist nicht stichhaltig. Seit Jahren werden bei den 
Personalzumessungen wie bei den Schlüsselzahlen für die ein 
zelnen Bezirke deren Belastung sowohl im infrastrukturellen 
Bereich als auch in ihrer soziologischen Zusammensetzung der 
Bevölkerung in starkem Maße berücksichtigt. Zusätzliche Aus 
gaben, wie der Senat sie seit 1975 vorgesehen hat und mit dem 
Wertausgleichsprogramm nunmehr verstärkt fortsetzt, waren 
vorher nicht möglich. Die Notwendigkeit, ganze Neubaugebiete 
zu erstellen, wie Falkenhagener Feld, Märkisches Viertel, Britz- 
Buckow-Rudow, und deren Folgeeinrichtungen, Schulen, Bäder 
usw., beanspruchten die gesamte Finanzkraft der Stadt. Noch 
einmal gesagt: Unsere Bemühungen um einen Wertausgleich 
unter den Bezirken sind nicht neu. Die zusätzlichen Mittel, die 
aufgrund der konjunkturellen Lage und des Investitionsförde 
rungsprogramms der Bundesregierung zur Verfügung stehen, 
sollen nicht nach dem Gießkannenprinzip über Berlin ausge 
gossen, sondern gezielt eingesetzt werden. 
(Beifall bei der SPD) 
Wie in den Haushaltsberatungen zu beobachten war, hat die 
CDU kein Konzept. Hier ein Tüpfelchen setzen, dort einen 
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