Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
72. Sitzung vom 7. Dezember 1977
gesetz, die normierte Doppelfunktion des Personalrats.
Hier befinden wir uns ln 'Übereinstimmung mit den Auf
fassungen der F.D.P., die schon damals und heute — wie
ich eben durch Nicken bestätigt bekomme — diese Auffas
sung teilt. Ich meine, hier muß in der Tat mit ein Ansatz
für Änderungen gefunden werden. Wie kann ein Personal
rat, — so möchte ich mal fragen, — Sie wissen, worüber
ich rede — die Doppelfunktion wahmehmen, einmal für
die Belegschaft Interessen zu vertreten und andererseits
sich selbst im Kontrollorgan zu kontrollieren? Wie kann
ein Personalrat, dessen Aufgabe es ist, beispielsweise —
ich zitiere — „die Geschäftsleitungen in der Erfüllung der
Betriebszwecke durch Beratung und Mitarbeit zu unter
stützen“ — das ist § 76 des Personalvertretungsgesetzes —,
gleichzeitig als Aufsichtsorgan eben dieser Geschäftslei
tung überzeugend und unbeeinflußt quasi von sich selbst
kontrollieren? Das ist ein Wiederspruch ln sich; wir haben
mehrmals darauf hingewiesen. Und bei den Vorkommnis
sen, die wir hier besprochen haben, scheint das ein ganz
wesentlicher Punkt zu sein, weshalb die Kontrolle des Be
triebes nicht funktionieren kann, weil eben vom Personal
rat, so, wie er jetzt im Delegationsverfahren in die Auf
sichtsgremien geschickt wird, schlecht verlangt werden
kann, daß er seine Mitwirkung auf der Basis des Per
sonalvertretungsgesetzes dann selber kontrollieren soll.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Antrag selbst
einige Erläuterungen geben. Sie haben die Drucksache ge
lesen. Hein formal — das haben wir nicht zu vertreten,
das ist eine ■Übersetzungssache — bitte ich Sie, auf der
ersten Seite unter 3. hinter dem Wort „Absatz“ eine 3 ein
zufügen, so daß es dann heißt: „In § 8 wird der Absatz 3
ersatzlos gestrichen“. Soweit dieses, Sie haben es sicher
schon bemerkt.
Die erste Änderung, die wir vorschlagen, betrifft den
Personenkreis der Geschäftsleiter. Warum machen wir
das? Nun, das ist unsere Konsequenz aus den offenkundig
gewordenen Querelen bei KPM und den Wasserwerken
in diesen Tagen, den Querelen zwischen den Geschäfts-
leitem. Bei der BSR konnte es die ja nicht geben, weil in
zwischen dort der Personalrat selbst zum großen Teil die
Aufgaben der Geschäftsleitung übernommen hatte; inso
fern war das dort nicht mehr relevant, aber bei diesen
anderen Betrieben zeigt es sich doch eindeutig, daß sich
die Geschäftsleitungen selbst gegenseitig relativieren —
so sehen wir das — und daß es notwendig ist, jemanden
in einem Großbetrieb nun wirklich die volle Personal
kompetenz zu geben und ihn zu bevollmächtigen, für den
Betrieb als Erster Geschäftsleiter zu sprechen. Es mutet
ja auch seltsam an, wenn beispielsweise bei der BVG, die
vier Geschäftsleiter hat, überhaupt keiner ist, der als
Erster ansprechbar ist. Das gibt es doch in keinem
größeren Betrieb sonst.
Zum Komplex 2, § 6: Das ist nun die Frage des Wahl
verfahrens, die zu Recht allgemeines Interesse auf sich
zieht. Stichwort: Urwahl! Das steht nirgendwo so drin,
aber man sollte es mal benutzen. Dieser Punkt war schon
bei der letzten Novellierung umstritten. Und auch heute
gilt: Die demokratische Legitimation für die Mitbestim
mung im Verwalungsrat muß eine breite Basis haben! —
Die demokratische Legitimation — darauf kommt es uns
bei der Mitbestimmung an, die wir bejahen und an der
nicht gerüttelt wird, um das auch gleich mal zu sagen —
muß eine breite Basis auch bei der Wahl in den Verwal
tungsrat hinein haben. Wir meinen nämlich, daß jeder
Betriebsangehörige die Gelegenheit und das Recht zu
einer Auswahlentscheidung bekommen muß
(Beifall bei der CDU)
und nicht nur ein durch anders ausgerichtete Wahl- und
Filterungsprozesse entstandener kleiner Kreis von Perso
nalräten oder Gesamtpersonalräten. Im übrigen liegen wir
mit unseren Vorstellungen völlig auf der Linie des Gesetz
gebers beim großen Betriebsverfassungsgesetz, der genau
dieses auch will und lediglich aus technischen Gründen
bei Mammutbetrieben mit 8 000 oder mehr Beschäftigten
ein anderes Verfahren zuläßt, aber auch nicht zwingend
vorschreibt. Es ist auch unlogisch und gar nicht einzu
sehen, warum man sämtlichen Angehörigen eines Betrie
bes diese Möglichkeit der Entscheidung, wer dort Kon-
trollfunktionen ausüben soll, nimmt.
(Abg. Hucklenbroich: Mehr Demokratie wagen!)
— Genau das ist die These, die dahintersteht, und wir
sollten es in der Tat tun. — Das Delegationsprinzip jeden
falls über den Personalrat war nie schlüssig, da Personal
ratswahlen primär ja unter ganz anderen Gesichtspunkten
erfolgen, übrigens gemäß der Zielsetzung dieses Personal
vertretungsgesetzes. Wenn Sie einmal die Aufgaben des
Personalvertretungsgesetzes — § 70 und folgende — lesen,
werden Sie das sicher bestätigt finden.
Schließlich ist im § 6 neu die mehr formale Änderung,
daß wir den Vorstand abschaffen wollen. Der Vorstand in
den Aufsichtsgremien bestand aus dem Vorsitzenden und
einem Mitglied aus dem Kreis der Betriebsdelegierten. In
der Praxis sah das so aus, daß in dem einen Betrieb,
wenn der zuständige Senator bekannterweise sich häufig
durch seinen zuständigen Senatsdirektor vertreten ließ,
konkret gesprochen Herr Schwäbl und Herr Ziebandt den
Vorstand bildeten. Und dabei wollen wir es doch nun
wirklich nicht belassen.
(Beifall bei der CDU)
Die können morgen anders heißen, und deswegen wollen
wir das nicht mehr. Den Vorstand halten wir für über
flüssig, darum soll er weg und deswegen müssen natür
lich auch in Logik dessen die unter § 8 aufgeführten Auf
gaben des Vorstandes entfallen.
Schließlich meinen wir auch, daß es nicht gut ist, Ent
scheidungen in einem Aufsichtsgremium generell mit ein
facher Mehrheit, aber in ganz besonderen Fällen mit Zwei
drittelmehrheit herbeizuführen; ich meine damit den Son
derpassus im geltenden Gesetz, daß die Wahl oder Abwahl
von Geschäftsleitem mit Zweidrittelmehrheit erfolgen muß.
Wir haben seinerzeit schon — wenn Sie das mal nach-
lesen — bei der Beratung des novellierten Gesetzes im
Jahre 1973 unsere verfassungsrechtlichen Bedenken gel
tend gemacht; es liegt auch eine umfangreiche Expertise
des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes vor. Wir haben
es dabei bewenden lassen, daß der Parlamentsdienst mit
unendlich vielen Hilfskonstruktionen diese Formulierung
des Eigenbetriebsgesetzes noch gerade als verfassungs
konform erkannt hat. Ich nehme an, daß wir in den Aus
schußberatungen Gelegenheit haben werden, darüber im
einzelnen zu sprechen. Und weil es von Anfang an eine
zweifelhafte Sache war, paritätische Mitbestimmung, wenn
man sie will, in solchen Fällen nun wieder zu Gunsten
qualifizierter Mehrheiten aufzulösen, und andererseits auch
die Verfassungskonformität — und das ist damals auch
festgestellt worden — nur so sein kann, daß letztlich, auf
welchen Umwegen und mit welchen Hindernissen auch
immer, der Senat die letzte Entscheidungskompetenz haben
muß — das ist auch beim jetzigen Gesetz der Fall —, und
wir dies nicht auflösen wollen durch Mehrheiten, wie sie
jetzt vorgeschrieben sind, darum also weg damit, die ein
fache Mehrheit reicht auch zur Bestellung von Geschäfts
leitern, entbindet übrigens die eine wie die andere Seite,
sich vorher zu arrangieren — so möchte ich das mal
wertneutral sagen — und gestattet, sich mehr auf sach-
orientierte Argumente und personenorientierte Fakten zu
konzentrieren, statt primär nach Mehrheiten zu schielen.
Ob der sogenannte „Stichentscheid“ — ich gebe hier
offen zu, da sind wir offen — in dieser von uns vorge
schlagenen Form partout gemacht werden sollte, darüber
wird zu reden sein. Wir können uns auch vorstellen, daß
bei gegensätzlichen oder Pattsituationen der Stichentscheid
nicht durch den Vorsitzenden, sondern vielleicht durch den
Senat vorgenommen werden kann, aber bitte nicht mit
dem komplizierten Hin- und Rückverfahren, wie es der
Herr Senator für Gesundheit und Umweltschutz in den
letzten Wochen mit dem Ergebnis praktiziert hat, das er
ja von vornherein haben wollte. Wozu dann der Umweg?
Das können wir doch verkürzen; wollen wir auch machen.
Zielrichtung hier: Schnellerer Entscheidungsablauf bei ge
gensätzlichen Positionen im Verwaltungsrat.
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