Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
71. Sitzung vom 24. November 1977
gen kommt: Der Anteil der Angestellten an der Gesamt
zahl der Arbeitslosen hat sich kontinuierlich erhöht. Er
betrug Ende Mai 1977 rund 42 % (Mai 1976: 40 %). Auch
im Bundesdurchschnitt war eine Zunahme des Anteils der
arbeitslosen Angestellten von rund 38 % auf rund 40 %
festzustellen. Dennoch — und dies darf dabei nicht über
sehen werden — ist die Arbeitslosenquote der Angestellten
nach wie vor deutlich geringer als die der Arbeiter. Die
wachsende Arbeitslosigkeit im Angestelltenbereich trifft in
Berlin wie im Bundesdurchschnitt verstärkt Angehörige
der höheren Altersgruppen und hier wiederum vor allem
die Frauen.
Ende Mai 1977 waren in Berlin rund 4 000 Personen, das
sind rund 12 % der Arbeitslosen insgesamt, länger als ein
Jahr arbeitslos. Ende Mal 1976: rund 10%, also erhöht von
10 auf 12%. Im Bundesdurchschnitt betrug der Anteil dieser
längerfristig Arbeitslosen sogar rund 18% (Vorjahr; 17%).
Bei den Angestellten war die Zunahme der Zahl der länger
fristig Arbeitslosen mit rund 55 % erheblich größer als mit
rund 15 % bei den Arbeitern. Betrachtet man die Alters
gliederung der längerfristig Arbeitslosen, so bestätigen die
Ergebnisse der Strukturanalyse den Erfahrungssatz, daß
Jugendliche weniger lange arbeitslos sind als ältere Arbeit
nehmer. — Ich bitte um Nachsicht, wenn ich hier eine
ganze Reihe von Zahlen vortragen muß, aber Sie werden
mit Recht erwarten, daß, wenn über die speziellen Pro
bleme des Arbeitsmarktes geredet werden muß, wir uns
nicht mit verbalen Umschreibungen helfen können.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Ein Teil der längerfristig Arbeitslosen — und hier wieder
um ganz überwiegend Frauen — ist ausschließlich an einer
Teilzeitarbeit interessiert. Die Arbeitslosenquote für teil
zeitarbeitsuchende Frauen lag mit 9,5 % Ende Mai 1977
weit höher als die für arbeitslose Frauen mit dem Wunsch
nach einer Vollzeitbeschäftigung. Im Grunde eine Erfah
rung aus der Analyse, die sich nach unser aller Beobach
tung wohl kaum verändern wird.
Eine weitere Problemgruppe des Berliner Arbeitsmarkts
stellen vor allem wegen der sozialpolitischen Konsequenzen
die arbeitslosen Jugendlichen dar. Ende Mal 1977 wurden
in Berlin 2 390 Jugendliche im Alter unter 20 Jahren re
gistriert, davon 1 336 Jungen und 1 054 Mädchen. Im Ver
gleich zum Vorjahr hat die Zahl der jugendlichen Arbeits
losen damit um rund 450 oder um 24 % zugenommen. Diese
Zunahme war erheblich größer als im Bundesdurchschnitt
(plus etwa 3 %). Gleichzeitig lag die Arbeitslosenquote
der Jugendlichen in Berlin mit 5,9 % deutlich über dem
Bundesdurchschnitt von 4,1 %.
Von den insgesamt 2 390 arbeitslosen Jugendlichen in
Berlin — und nun wird es ganz interessant — hatten 2 170
(rund 91 %) keine abgeschlossene Berufsausbildung. Davon
verfügten 957 (rund 44 %) nicht einmal über einen Haupt
schulabschluß.
(Abg. Feilcke: Das ist die Berliner Schule!)
— Nein, das ist die konsequente Fortsetzung der Debatte,
die eben geführt worden ist.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. —
Abg. Feilcke: Genau das wollte ich damit sagen!)
65 % der arbeitslosen Jugendlichen waren vor ihrer Ar
beitslosigkeit einer Berufstätigkeit nachgegangen — und
das ist die andere Gruppe, die vorhin in der Debatte auch
angesprochen wurde. Der Anteil der ausländischen Jugend
lichen an den jugendlichen Arbeitslosen betrug etwa 18 %,
das waren 520 in absoluter Zahl.
Überproportional haben in Berlin — und das ist ein
anderer wichtiger Punkt — die Beschäftigungsschwie
rigkeiten für Hochschul- und Fachhochschulabsolventen
zugenommen. Auch dies ist allerdings keine auf Berlin
begrenzte Erscheinung. Dennoch ist der Anstieg der Ar
beitslosigkeit dieser Personengruppe in Berlin als einem
der größten Ausbildungszentren spürbarer als anderswo.
Dabei darf nicht übersehen werden, daß die deutschen Uni
versitätsstädte nicht nur für ihren engen regionalen Bereich
ausbilden. Deshalb ist ein Vergleich der Situation Berlins
mit dem Bundesdurchschnitt auch nicht gerechtfertigt.
Denn im Bundesdurchschnitt schlägt sich vor allem auch
die Situation in den Flächenstaaten statistisch nieder, die
traditionell eine geringere Quote an arbeitslosen Akademi
kern haben.
Ende Mai 1977 waren bei den Berliner Arbeitsämtern
rund 3 900 arbeitslose Hochschul- und Fachhochschulab
solventen gemeldet. Dies bedeutet eine Zunahme gegenüber
dem Vorjahr um rund ein Drittel gegenüber rund 21 % im
Bundesdurchschnitt. Damit ist der Anteil dieser Personen
gruppe an der Gesamtzahl der Arbeitslosen in Berlin auf
rund 12 % gestiegen. — Ich sage es noch einmal, damit es
nicht untergeht, 12 % der Arbeitslosen sind also Fach
hochschul- und Hochschulabsolventen. Die deutliche Zu
nahme der Arbeitslosigkeit höher qualifizierter Arbeits
kräfte entfällt weitgehend — und das liegt nahe — auf
Berufsanfänger.
Als weitere Personengruppen, deren Eingliederung oder
Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß besondere
Schwierigkeiten bereitet, sind die Schwerbehinderten zu
nennen. Dieser Personenkreis ist seit einiger Zeit über
durchschnittlich von der Arbeitslosigkeit betroffen. So
waren bei den Berliner Arbeitsämtern Ende Mai rund 3 000
arbeitslose Schwerbehinderte registriert. Dies entspricht
einem seit Monaten kaum veränderten Anteil von rund
9 % an der Gesamtzahl der Arbeitslosen. Für diesen Per
sonenkreis ist die Dauer der Arbeitslosigkeit besonders
groß. Fast jeder dritte arbeitslose Schwerbehinderte in
Berlin war länger als ein Jahr arbeitslos, bei den Arbeits
losen insgesamt nur etwa jeder zehnte.
Der Senat hat die strukturellen Veränderungen des Ber
liner Arbeitsmarkts frühzeitig erkannt und ein umfas
sendes Konzept zur beruflichen Wiedereingliederung gerade
der von der Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Per
sonengruppen entwickelt. Seine in diesem Jahr durchge
führten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen berücksichtigen
daher nicht nur ältere, längerfristig arbeitslose Arbeitneh
mer, sondern vor allem auch Angestellte, arbeitslose Jugend
liche sowie Hochschul- und Fachhochschulabsolventen.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Mit der Einrichtung von über 4 000 Beschäftigungsstellen
ist im laufenden Jahr ein deutlicher Entlastungseffekt für
den Berliner Arbeitsmarkt erreicht worden. Wohlgemerkt,
ich rede von 1977, 1978 werden es mehr Beschäftigrungs
stellen sein. Durch die Beschäftigung in den Verwaltungen
des Landes Berlin, des Bundes in Berlin sowie in sonstigen
öffentlich-rechtlichen und privaten Einrichtungen soll den
dort beschäftigten Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben
werden, ihre Arbeitsbereitschaft, ihre Arbeitsfähigkeit und
auch ihre arbeitsmäßige Belastbarkeit zu erhalten. Die
Maßnahmen verfolgen also das Ziel, die Wettbewerbs
chancen dieser Personengruppen auf dem Arbeitsmarkt im
Hinblick auf die spätere Vermittlung in Dauerarbeitsplätze
zu steigern. Neben dem Beschäftigungseffekt werden zu
gleich Möglichkeiten eröffnet, Arbeiten, die im öffentlichen
Interesse liegen und die sonst nicht, nicht in diesem Um
fang und nicht zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden
können, ausführen zu lassen. Lassen Sie mich dabei noch
mals sagen, ich glaube, diese Zielsetzungen der arbeits
beschaffenden Maßnahmen verdienen immer wieder unser
aller Aufmerksamkeit und auch unser aller öffentliche
Unterstützung in der Diskussion,
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
weil nämlich manche Leute meinen, sich hier ein Feld aus
suchen zu können, in dem man mit Schlagworten ganz
billige Propaganda machen könnte. Da ist dann die Rede vom
Arbeitsdienst, und da ist dann die Rede von Zwangsver
pflichtung. Sie wissen doch, was dabei in der Diskussion
eine Rolle spielt. Und ich empfinde es als unsere gemein
same Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Ziele, die in den
arbeitsbeschaffenden Maßnahmen liegen, nach draußen
immer wieder ganz konsequent verdeutlicht werden.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
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