Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
39. Sitzung vom 28. Oktober 1976
Diepgen (CDU); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die Aktuelle Stunde über die Erhaltung der
Schaubühne ist von der F.D.P.-Fraktion zu einem Zeit
punkt eingebracht worden, als die Entscheidungen des
Senats vom letzten Dienstag nicht Vorlagen. Man hat den
Eindruck, daß die Luft schon ein wenig heraus ist.
Herr Kollege, ich glaube, es geht auch nicht so, daß
man hier die Aufforderung an das Haus richtet, daß wir
uns möglichst nicht über Detailfragen unterhalten. Im
Detail liegt nun einmal die Schwierigkeit, auch in der
Frage, die wir hier ansprechen. Es ist weniger eine kultur
politische als vielmehr eine finanz- und haushaltspolitische
Fragestellung, mit der wir es zu tun haben. Es ist auch
eine Fragestellung, die mit der sinnvollen Nutzung des
Kurfürstendamms zusammenhängt: damit haben wir den
Strauß der Probleme etwa umschrieben.
Ich möchte aber die Gelegenheit dieser Aktuellen Stunde
ergreifen, um die Position meiner Fraktion zur Frage des
Umzugs der Schaubühne kurz zu umreißen. Dies will ich
in fünf Punkten tun.
1. Es besteht ein Interesse daran — auch für die CDU-
Fraktion — eine weitere Arbeit des Ensembles der Schau
bühne in Berlin zu sichern, und zwar trotz der unter
schiedlichen Bewertung der einzelnen Stücke und auch
trotz der sicherlich unterschiedlichen Bewertung der poli
tischen Hintergründe dieses Ensembles. Die Frage der
Finanzierung wirft jedoch den Punkt auf, inwieweit wir
es hier mit finanziell vertretbaren Vorlagen zu tun haben.
Wir dürfen und müssen darauf achtgeben — wir dürfen
das nicht außer acht lassen, selbst wenn man so engagiert
für eine Bühne eintritt wie der Herr Kollege Roloff — und
sicherstellen, daß alles in einem wirtschaftlich vernünf
tigen Rahmen bleibt. Die Größenordnungen, die bisher
genannt worden sind — der Ausbau und Umbau bei
etwa 40 Millionen DM —, sind nicht mehr wirtschaftlich
in dem Rahmen, den sich das Land Berlin in seiner kon
kreten haushalts- und finanzpolitischen Situation leisten
kann. Wir müssen — und ich bin sicher, daß es auch
entsprechende Möglichkeiten gibt — an den Senat die
Forderung richten, daß Umbaumaßnahmen in einer Grö
ßenordnung von vielleicht 25 bis 30 Millionen DM ein
geleitet werden, daß entsprechende Vorlagen erarbeitet
werden.
Ich kenne schon jetzt den Einwand dagegen, daß näm
lich durch diese Begrenzung der finanziellen Mithilfe
der Opposition wir letztlich gegen die Schaubühne ver
gehen würden, weil das angeblich nicht machbar sei. Ich
sage dagegen schon jetzt; Wir haben im Hauptausschuß
des Abgeordnetenhauses bei den sogenannten pädagogi
schen Beschlüssen immer die Erfahrung machen können,
daß dann, wenn wir ein Projekt im Prinzip befürworten,
wir aber gesagt haben; Dies muß finanziell unter anderen
Voraussetzungen, nämlich billiger, durchgeführt werden,
die Verwaltung stets in der Lage war, dann auch Vor
lagen in einem wirtschaftlich vernünftigeren Rahmen vor
zulegen. Das ist der erste Punkt.
2. Wir dürfen bei der Finanzierung des Gesamtprojekts
die Folgekosten nicht übersehen und hier festhalten, daß
insgesamt die Schaubühne schon heute einen Zuschuß
erhält, der sie in die Nähe von Staatsbühnen bringt. Hier
müssen Grenzen gesetzt werden. Die Frage der weiteren
Beschäftigung des Ensembles der Schaubühne darf uns
nicht in die Lage versetzen, daß wir in den folgenden
Jahren im Grunde in Form von Nötigung gehalten sind,
weitere erhebliche Folgekosten zu übernehmen.
3. Wir müssen eine Bindung des Ensembles sicher
gestellt wissen. Hier bei geht es nicht um Vertragsver
handlungen mit den Gesellschaftern, sondern mit den
Künstlern selbst.
4. Der Umbau darf nicht nur im Interesse der
Schaubühne selbst vorgenommen werden, sondern muß
auch die Voraussetzungen für eine sinnvolle Nut
zung späterer Folgeeinrichtungen beinhalten. Der Um
zug wird von uns nicht nur unter dem Gesichtspunkt der
Erhaltung der Schaubühne in Berlin und für Berlin ge
sehen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt einer sinn
vollen städtebaulichen Nutzung und der Ausgestaltung
des oberen Kurfürstendamms.
5. Wir müssen von der Schaubühne erwarten, daß sie
auch das ihre dazu beiträgt, die wirtschaftlichen Probleme
und Schwierigkeiten des Landes Berlin mit lösen zu helfen.
Zur Zeit ist es doch so, daß diese Bühne beinahe die
teuerste Bühne in Europa, vielleicht überhaupt in der Welt
ist. Das hängt damit zusammen, daß es an dieser Bühne
in diesem Jahr nur insgesamt zwei Neuinszenierungen
geben wird — die zweite erst im Dezember —, und daß
diese Bühne nur eine ganz bemerkenswert geringe Zahl
an Aufführungen auf weist, im Jahr im Durchschnitt etwa
240. Die Umbaumaßnahmen müssen dazu beitragen, daß
erstens mehr Sitzplätze geschaffen werden — sicherlich
unter Wahrung der hier vorherrschenden Theaterkonzep
tion —, und daß zweitens bei der Zahl der Aufführungen
und der Inszenierungen wirtschaftlich gearbeitet wird.
Man muß den Eindruck erhalten: Diese Bühne bemüht
sich auch selbst, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen.
Das ist bisher leider nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, das sind die Positionen, die
ich vorzutragen habe; die Einzelheiten hinsichtlich der
Deckungsvorschläge werden wir erörtern müssen, wenn
der Senat eine konkrete Vorlage ins Abgeordnetenhaus
eingebracht hat. Bisher hören wir nur sehr abenteuerliche
DeckungsVorschläge. Ich sage: Es geht dabei dann um
die Prioritätenentscheidung. Und um es von vornherein zu
sagen: Alles gleichgültig, koste es, was es wolle, koste es
Einsparungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten im Schul
sektor, im Krankenhausbereich, Hauptsache, die Schau
bühne wird gebaut, — das wäre nicht die Art eines sorg
fältigen Stadtvaters. — Vielen Dank!
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Dr. Haus.
Dr. Haus (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich drei Dinge sagen;
1. Wir haben uns dafür entschieden, daß die Schaubühne
— und wir hörten ja, daß inzwischen auch die Opposition
dieser Meinung ist — in Berlin bleibt und daß sie ein
geeignetes Theatergebäude bekommt, was ja zusammen
gehört.
Im Gegensatz zur CDU — das muß man anmerken
dürfen, ohne polemisch werden zu wollen —, die bis in
die letzten Jahre hinein diese Schaubühne „nicht riechen“
konnte,
(Abg. Rösler: Wie der Rechnungshof übrigens!)
hat die Mehrheit dieses Haus von Anfang an den Be
mühungen der Schaubühne positiv gegenübergestanden.
Wir würden ja heute diese Debatte gar nicht führen, wenn
die CDU in Berlin die Verantwortung getragen hätte und
wir auf sie gehört hätten. Sie erinnern sich an die De
batten im Jahre 1971, als die finanzielle Tötung der Schau
bühne hier zur Debatte stand und wir uns dagegen mit
Erfolg gewehrt haben.
(Beifall bei der SPD)
Wir gehen an Theateraufführungen, auch wenn sie uns
politisch oft zuwider sind, nicht mit der politischen Elle
heran. Uns hat manches an früheren Aufführungen des
politischen Thesentheaters der Schaubühne gewiß nicht
gefallen — und das agitatorische Herumreichen von Sam
melbüchsen ebensowenig. Dennoch haben wir politisch un
bequemes Theater niemals mit Subventionsentzug zu be
kämpfen, zu beeindrucken oder zu schmälern versucht.
(Beifall bei der SPD)
An der Freiheit des Theaterlebens und der Kunst hängt
nämlich ein Stück unserer gesellschaftlichen, literarischen,
ja politischen Freiheit. Und das will ein Teil — ich sage,
ein Teil — der CDU nicht wahrhaben.
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