Path:
Volume Nr. 39, 28.10.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 7. Wahlperiode 
39. Sitzung vom 28. Oktober 1970 
1588 
polizeidirektor, wie der Herr Kollege Gollnick soeben schon 
angesprochen hat, diesen Brief an sämtliche Polizeibeamte 
verschickt hat, oder könnte aus der Tatsache eines so 
großen Empfängerkreises vielleicht geschlossen werden, 
daß es sich um mehr als Einzelerscheinungen handelt? 
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator Neubauer! 
Neubauer, Senator für Inneres: Nein, das kann man 
nicht! Sondern dieses Ergebnis einer großen Dienstbespre 
chung ist deswegen allen Polizeibeamten zugestellt worden, 
damit alle Polizeibeamten wissen, daß in ihrem eigenen 
Interesse den Einzelfällen gewehrt wird. 
Stellv. Präsident Sickert: Eine weitere Zusatzfrage — 
Herr Abgeordneter Roloff! 
Koloff (F.D.P.): Herr Senator! Eine letzte Zusatzfrage 
von mir; Wenn man zustimmt, daß es sich hier um Einzel 
erscheinungen handelt, könnte man nicht auch auf den 
Gedanken verfallen, zu sagen, daß diejenigen, die hier 
angesprochen werden sollen, offensichtlich ihre eigenen 
Verfehlungen in der Öffentlichkeit als bagatellisiert an- 
sehen könnten mit den entsprechenden Folgen, daß sie 
sich dann sagen: „Was soll’s überhaupt?“, wenn in der 
Öffentlichkeit von Einzelerscheinungen und damit auch 
davon gesprochen wird, daß es nicht nötig ist, hier seitens 
der Führung in bestimmter Weise tätig zu werden ? 
Stellv. Präsident Sickert: Herr Senator Neubauer! 
Neubauer, Senator für Inneres: Herr Abgeordneter! Hier 
handelt es sich um einen klaren und deutlichen Brief in 
einer klar erkennbaren Sache. Weder der Landespolizei 
direktor noch ich haben die Probleme so kompliziert ge 
sehen, wie Sie sie hier darzustellen versuchen, sondern es 
handelt sich genau um den Tatbestand, den ich geschildert 
habe. 
(Beifall bei der SPD und der CDU) 
Stellv. Präsident Sickert: Keine weiteren Zusatzfragen? 
— Damit hat der Tagesordnungspunkt 1 seine Erledigung 
gefunden. 
Ich rufe auf 
lfd.Nr.2: 
Antrag der Fraktion der F.D.P. auf Durchführung 
einer Aktuellen Stunde über Erhaltung der Schau 
bühne für Berlin 
Bitte, Herr Abgeordneter Roloff! 
Roloff (F.D.P.); Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Als die F.D.P.-Fraktion den Antrag gestellt hatte, 
heute in einer Aktuellen Stunde über die Erhaltung der 
Schaubühne für Berlin zu sprechen, war die Öffentlichkeit 
durch mannigfache Kommentare, Gerüchte und Meinungen 
beunruhigt darüber, wie es mit dem renommiertesten deut 
schen und europäischen Theater weitergehen soll. 
Es lat etwa ein Jahr her, daß der Kunstausschuß des 
Abgeordnetenhauses eine Begehung der Räume der Schau 
bühne gemacht und in einem Beschluß festgestellt hat, daß 
hier unbedingt neue Räume zur Verfügung gestellt werden 
müssen. Mittlerweile hat der Senat am Dienstag einen 
Grundsatzbeschluß gefaßt, den die Fraktion der F.D.P. 
— und für diese darf ich hier sprechen — ausdrücklich 
begrüßt hat. Dieser Grundsatzbeschluß hat in der Öffent 
lichkeit — und das sollte man sehen, wenn man über dieses 
Problem spricht, weil nur eine vorbeugende Diskussion 
verhindern kann, daß diese Debatte in eine falsche Rich 
tung geht — nicht nur Begrüßung, sondern auch Kritik 
gefunden. Mir scheint für diese Kritik ein Leitartikel im 
„Spandauer Volksblatt“ vom gestrigen Tage kennzeich 
nend zu sein. Es heißt dort — ich darf mit Genehmigung 
des Herrn Präsidenten einen Absatz zitieren: 
Und daß für die Errichtung eines neuen (verkappten 
Staats-) Theaters ausgerechnet Geld aus der Schul 
kasse genommen werden soll, heißt „international be 
sondere Ausstrahlungskraft“ recht einseitig sehen. Zur 
Attraktivität der Stadt gehört doch wohl zu allererst, 
daß in ihr die alltäglichen Bedürfnisse der Bürger 
befriedigt werden. 
Das schein mir ein Punkt zu sein, zu dem heute gesprochen 
werden muß, um zu verhindern, daß wir in der Debatte in 
dieser Frage in eine völlig schiefe Schlachtordnung kom 
men. Ich glaube, der Kommentator, der hier seine Meinung 
kundgetan hat — die weitverbreitet zu sein scheint —, 
übersieht, daß Berlin in vielen Fällen der Befriedigung der 
alltäglichen Bedürfnisse auf einem Stand ist, der sich sehen 
lassen kann, und daß bei dieser Situation selbstverständ 
lich die Frage und die Forderung erlaubt ist, daß nunmehr 
mutige Schritte in der Kulturpolitik gegangen werden, 
damit Berlin den Ruf, den es als Stadt der Schaubühne 
am Halleschen Ufer hat, auch für die Zukunft behält und 
dieses Theater, das auf die internationale Theaterland 
schaft äußerst befruchtend gewirkt hat, auch für weitere 
Jahre in der Stadt bleibt. 
Diese Kritik übersieht, daß der Mensch nicht nur vom 
Brot allein lebt, sie übersieht, daß wir zur Identität des 
Bürgers mit dieser Stadt selbstverständlich auch Identi 
tätsobjekte brauchen. Auf dem kulturpolitischen Gebiet 
Ist die Schaubühne am Halleschen Ufer ein solches Identi 
fizierungsobjekt. Die Regierungserklärung hat im Früh 
jahr 1975 mit Recht festgestellt, daß es Politik dieses 
Senats sein wird, die materielle Sicherstellung der Arbeits 
kraft und der Arbeit der Schaubühne am Halleschen Ufer 
hervorzuheben. 
Der Senatsbeschluß ist nur im Grundsatz gefaßt worden. 
Es hat dadurch in der öffentlchkeit verschiedene Ausle 
gungen dazu gegeben. Eine Meinung ist in einem Interview 
geäußert worden, daß nämlich die Finanzierung dieses 
Projekts nicht im Haushalt 1977, den wir jetzt im Dezem 
ber verabschieden, sondern in einem Nachtragshaushalt 
1977 geschehen soll. Ein weiterer Punkt, der im einzelnen 
noch nicht geklärt worden ist, ist der, daß es am gestrigen 
Tage Verhandlungen des Herrn Senators für Wissenschaft 
und Kunst mit der Schaubühne gegeben hat. Hieraus folgt 
die Frage: Wie kann Berlin sicher sein, daß nach Aufwen 
dung einer derartigen Summe dieses Theaterensembles mit 
seiem bisherigen künstlerischen Spitzenwirken auch tat 
sächlich in Berlin bleibt? Wie kann sichergestellt werden, 
daß diese Entscheidung richtungweisend für die Schau 
bühne ist ? 
Diese beiden Beispiele machen klar, daß der Teufel der 
Verwirklichung dieses Senatsbeschlusses im Detail steckt. 
Wir sollten heute diese Stunde dazu benutzen zu verhin 
dern, daß wir uns über diese Detailfragen zerstreiten, die 
meines Erachtens hier doch einmütig diskutiert werden 
sollten, nämlich daß es für Berlin in seiner jetzigen Situa 
tion kulturpolitische Notwendigkeit ist, die Schaubühne 
hier zu behalten. Deshalb sollte diese Aktuelle Stunde dazu 
dienen, die Standpunkte, die sicher unterschiedlich sein 
werden — Kollege Diepgen, wir haben das am Dienstag 
bereits erörtert — in Einzelfragen wie Finanzierung, Bau 
fragen usw., anzunähern, damit in dieser wichtigen Frage 
das Parlament mit einer Stimme redet. — Ich danke Ihnen. 
(Beifall bei der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Diepgen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.