1573
Abgeordnetenhaus von Berlin
7. Wahlperiode
Plenarprotokoll 7/
21.10.76
38. Sitzung
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Berlin, Donnerstag, 21. Oktober 1976
Inhalt Seite
Mahnworte zur Wiedervereinigung 1573
Gedenken
an die ersten und einzigen freien Wahlen in ganz
Berlin nach dem Kriege 1573
Bundfahrt
zur Besichtigung von Bauvorhaben
Sen Ristock 1574
Stellv. Präsident Sickert eröffnet die Sitzung um
13.01 Uhr.
Stellv. Präsident Sickert: Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung des Abgeordneten
hauses von Berlin und bekunde unseren unbeugsamen
Willen, daß die Mauer fallen und daß Deutschland mit
seiner Hauptstadt Berlin in Frieden und Freiheit wieder
vereinigt werden muß.
Im Anschluß an diese mahnenden Worte, die für uns
eine ständig fortwirkende Verpflichtung bedeuten, möchte
ich an ein Ereignis von weittragender Bedeutung erinnern,
das sich gestern zum 30. Male jährte. Vor dreißig Jahren,
am 20. Oktober 1946, fanden die ersten und bis heute ein
zigen freien Wahlen in ganz Berlin nach dem Ende der
Hitlerherrschaft statt. Die Kommunisten mußten damals
erkennen, daß die Berliner Bevölkerung — und darüber
hinaus das deutsche Volk — ihnen niemals die Möglichkeit
geben würde, durch demokratische Legitimation die Macht
zu erlangen. Zu bitter war für sie das Wahlergebnis an
jenem Oktobersonntag 1946, bei dem die SED 19,8 Prozent
der Stimmen erreichte, die demokratischen Parteien SPD,
CDU und damals noch LDP aber 80,2 Prozent.
Seitdem hat es die SED nie wieder gewagt, sich freien
Wahlen ln ihrem Machtbereich zu stellen. Was sich seit der
Gründung der DDR und jetzt wieder am 17. Oktober dort
abspielte, verdient den Namen „Wahlen“ nicht. Das hat eher
den Charakter einer Volkszählung. Bürger, die nur über
eine Einheitsliste abstimmen können, sind eines ihrer
wichtigsten Rechte beraubt. Es gibt keine Freiheit ohne
freie Wahlen. Und eine Regierung, die das Votum des
Volkes scheuen muß, sollte vorsichtig mit der Behauptung
umgehen, sie spreche im Namen des Volkes. So ist es eine
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