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Volume Nr. 37, 14.10.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
37. Sitzung vom 14. Oktober 197G 
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ist ein sicherlich sehr auf greifenswerter Vorschlag: denn 
dieses ist der zweite wichtige Punkte neben der schlechten 
qualitativen Versorgung in Berlin, daß wir eine Mietpflege 
betreiben. Insofern, Herr Kollege Boehm, kann man von 
denen, die aus der Opposition bereit sind, sachliche Beiträge 
einzubringen, etwas aufnehmen. Hierfür sehr herzlichen 
Dank. 
Ich darf vielleicht noch einmal den Versuch machen, ge 
rade unter Aspekten der Bevölkerungsentwicklung darauf 
hinzuweisen, in welchem Zielkonflikt wir sind, wenn wir auf 
der einen Seite Wirtschafts-, gesellschaftspolitisch zielorien 
tiert die Bauplanung realisieren wollen und wenn wir auf 
der anderen Seite versuchen wollen, die kapazitätsgerechte 
Bauplanung orientiert an den Reserven und den Vorstel 
lungen der Bauindustrie zu verwirklichen. Hier muß bei der 
Bauwirtschaft ein noch größeres Maß an Flexibilität ein- 
treten. Ich sage gar nicht, daß dies im Sinne von Reduktion 
geschehen soll. Der Senator hat hier sehr deutlich gemacht, 
daß es eine Reihe von Kompensationen auf diesem Feld ge 
ben kann. Aber man muß sich anpassen hinsichtlich der 
Art, wie künftig gebaut wird, man muß sich anpassen ins 
besondere, daß man weniger Neubau, sondern daß man 
stärker Modernisierung und Stadtbildpflege betreibt. Und 
dies bedeutet ja für die Bauwirtschaft selbst, daß hier sehr 
viel mehr handwerkliche Qualifikation gefordert wird als 
vorher. 
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Oppo 
sition! Die von Senator Ristock genannte Statistik über die 
Auslastung der Bauwirtschaft straft eigentlich Ihre Argu 
mentation Lügen. 
(Abg. Franke: Dazu sagen wir noch was, 
das war nicht vollständig, Herr Heß!) 
— Ich wende mich insbesondere an die verehrte Frau Kol 
legin Saß, Herr Kollege Franke! — Herr Ristock hat ge 
sagt — lassen Sie sich das noch einmal auf der Zunge zer 
gehen —: eine Halbierung der Zahl der Arbeitslosen in 
diesem Jahr gegenüber denen des Vorjahres, doppelt so 
viel offene Stellen in der Bauwirtschaft wie im vergangenen 
Jahr und eine Verdoppelung der Auftragsbestände gegen 
über dem vergangenen Jahr, und dazu die Kompensationen, 
die angesprochen worden sind. 
(Abg. Franke; 
Das ist doch nicht das Problem!) 
Ich sage hier also: Qualität statt Quantität. Und Mietpreis 
pflege. 
Ich will aber noch eine Bemerkung machen zu dem Motiv, 
das ja möglicherweise Ihrer Anfrage zugrunde liegt, denn 
Sie fragen im dritten Teil Ihrer Großen Anfrage nach der 
Art und nach dem Stil, wie es der Senator künftig halten 
will. Und Sie rügen, daß er das parlamentarisch nicht mit 
dem Fleiß und Ernst täte, wie das, das von ihm erwünscht 
sei. Ich registriere — und das scheint Ihnen doch auf den 
Magen geschlagen zu sein —, daß er bei den Bürgern in 
dieser Stadt sehr gut ankommt, daß das die Presse ebenfalls 
nicht verschweigen kann — sie würde es möglicherweise 
sicher gerne verschweigen, aber sie kann es nicht verschwei 
gen —, und dies ist eine gute Sache. Ich nenne Ihnen das 
eine Beispiel aus Zehlendorf, die Ortskernplanung in Zeh 
lendorf. 
(Abg. Landowsky: Das nächste Mal kriegt Ihr 
in Zehlendorf noch 5 »/o weniger!) 
La hat dieser Senator die Bevölkerung selbst eingeschaltet. 
Er hat gesagt: Wir fragen sie alle, und wir machen dann 
eine Lösung — und das auch gegen den erbitterten Wider 
stand jener Experten im eigenen Haus, die zunächst gesagt 
naben, das müsse man doch alles ganz anders machen. 
(Zuruf des Abg. Franke) 
Und da sage ich Ihnen, Herr Franke: Ein Lob dem Senator, 
ein Lob dem Senator, der nicht unbedingt recht haben 
will! 
(Abg. Diepgen: Er hat ja nie recht!) 
Ich füge an: Von denen kann es gar nicht zu viele geben, 
im Gegenteil, da gibt es vielleicht noch ein paar zu wenig 
in dieser Stadt. An dieser Stelle könnten Sie sogar klat 
schen, meine Damen und Herren. 
Ich darf hier namens der SPD-Fraktion sehr herzlich für 
die Antwort danken, die Herr Senator Ristock gegeben hat. 
Wenn Planung mehr sein soll als die Ersetzung des Zufalls 
durch einen neuen Irrtum, dann muß Planung schließlich 
auch überholtes aufzugeben bereit sein. Berlin muß — und 
auch dies sage ich unter dem Aspekt, unter dem ich dies 
hier betrachte und diskutiere, unter dem Aspekt der Be 
völkerungsentwicklung dieser Stadt —, um attraktiv zu sein 
für Menschen, die zuziehen wollen nach Berlin, und für 
Menschen, die in Berlin bleiben sollen, sein unverwechsel 
bares Image als Stadt mit einer ausgeprägten dichten 
Innenstadtstruktur erhalten und behalten können. Und da 
für, scheint mir, sind die Weichen gestellt worden. Dies 
scheint Ihnen im Moment quantitativ nicht zu passen. Ich 
sage Ihnen; Qualitativ wird diese Rechnung auf gehen, und 
wir sind froh, daß Senator Ristock dafür der Wegbereiter 
sein wird. — Schönen Dank für die Aufmerksamkeit! 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Vetter! 
Vetter (F.D.P.); Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Die Große Anfrage der CDU, die der Herr Bausenator 
vornehm zurückhaltend als in der Tendenz kritisch bezeich 
net hat, ist besonders einfach in Punkt 1 zu beantworten. 
Für uns bedeutet es eine Selbstverständlichkeit, daß die 
jährlich erscheinenden DIW-Gutachten neben vielen ande 
ren zu berücksichtigenden Faktoren, Auffassungen und 
Einflüssen eine Entscheidungshilfe im Bereich der Pla 
nungsprozesse bei der Bauverwaltung und anderen Verwal 
tungen darstellen. 
Die von der Opposition unter 2 aufgeworfenen Einzelfra 
gen über die Bauplanung in Berlin sind zu einem großen 
Teil schon aufgrund der Anfrage der SPD über die Woh 
nungsbauplanung vom Bausenator am 29. Mai 1976 beant 
wortet worden. So gesehen, kann dieser Teil der Anfrage 
der Opposition als eine etwas — na, ich würde beinahe 
sagen — polemische Fortsetzung der sachlichen und auf 
Klärung gerichteten früheren Anfragen gewertet werden. 
(Abg. Landowsky; Aber nicht ärgern jetzt!) 
— Na, immer ruhig, ich bleibe ganz friedlich! — Wenn die 
CDU von der Behauptung ausgeht und unterstellt, daß trotz 
fortbestehenden Bedarfs die Bauplanung reduziert werde, 
dann wird damit erneut klar, daß sie nicht bereit ist, die 
Umwandlung im Zeichen der Zeit — auch nicht in Berlin — 
zu erkennen. Sie weigert sich damit, in die — man kann 
wohl sagen, mittlerweile weltweite — Diskussion einzutre 
ten, welche Funktionen moderne Großstädte erfüllen kön 
nen und sollen. 
(Abg. Franke: Begreifen Sie doch endlich, 
daß die Situation in Berlin anders ist!) 
Sie übergeht die sich bereits jetzt für Berlin abzeichnenden 
Erkenntnisse aus der Enquete-Kommission — aber das ist 
nichts Neues, das erleben wir bei den meisten Diskussio 
nen — und zeigt, daß sie immer noch nicht in der Lage ist, 
gerade in dieser Frage umzudenken. 
(Abg. Franke: Wir sind keine Defaitisten wie Sie, 
das ist der Unterschied!) 
Realitätssinn hat nie etwas damit zu tun. 
(Abg. Franke: Das ist keine Realität! 
Sie müssen dagegenhalten!) 
Wir sind immer stolz darauf, daß wir Realisten gewesen 
sind. Wir sind immer stolz darauf, daß wir Realisten ge 
blieben sind. Nur dann kann man vernünftig planen. Nicht 
auf Utopien und auf Gedankenvorstellungen.
	        
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