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Volume Nr. 35, 23.09.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
85. Sitzung vom 33. September 1976 
1478 
einem gewissen Umfang die Befürchtung, daß die unter 
den Fragen 4 und 5 angesprochenen Pflegeeinrichtungen 
bzw. die dort untergebrachten Mitbürger unter Umständen 
Einrichtungen bzw. Patienten einer niedrigsten Klasse 
werden könnten. Ich will dies nicht ausweiten, denn ich 
glaube, die Vorstellungskraft jedes sozialpolitisch engagier 
ten Menschen reicht aus, um sich auszudenken ) welche 
negativ abgestuften Pflege- oder Bewahrungseinrichtungen 
möglich sein können. Hier gilt es, sehr schnell Regelungen 
zu finden. Entsprechende Absichtserklärungen zu diesem 
Problemkreis könnten uns für den heutigen Tag in ge 
wisser Weise zufriedenstellen; Rom ist ja auch nicht an 
einem Tag gebaut. — Ich danke Ihnen, meine Damen und 
Herren, für das Zuhören. 
(Beifall bei der CDU) 
Alterspräsident Dr. Biel; Herr Senator Pätzold, bitte! 
Pätzold, Senator für Gesundheit und Umweltschutz: 
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 
Ich erspare es Ihnen und mir zunächst, zum Antrag der 
Fraktion der CDU Stellung zu nehmen, und darf die Große 
Anfrage der Fraktion der CDU wie folgt für den Senat 
beantworten, dabei aber einzelne Hinweise zum Antrag der 
CDU-Fraktion geben. 
Zu Frage 1: Der Senat hat in seiner Sitzung am 15. Juni 
1976 von den vom Senator für Gesundheit und Umwelt 
schutz eingebrachten Vorschlägen zur Umstellung von 
Krankenhäusern auf den Institutionstyp Krankenheim 
Kenntnis genommen und beschlossen, das Abgeordneten 
haus und auch den Rat der Bürgermeister von diesen Vor 
schlägen zu unterrichten. Die entsprechende Vorlage, in 
der die wesentlichen Einzelheiten für die Einrichtung von 
Krankenheimen ausgeführt sind, wurde inzwischen dem 
Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme unterbreitet, und 
der Entwurf dazu war wohl auch der anfragenden Frak 
tion zum Zeitpunkt der Fragestellung bekannt. 
Meine Damen und Herren, aus Gründen der knappen 
Abhandlung darf ich bitten, auch die Mitteilung des Senats 
zur Hand zu nehmen, und es wird sicher gut sein, die Ein 
zelheiten dazu dann intensiv noch einmal im Gesundheits 
ausschuß zu behandeln. Aber zusammenfassend darf ich 
hier folgendes feststellen: Das Krankenheim soll für Patien 
ten zur Verfügung stehen, die ihrer Krankheitsnatur ent 
sprechend auch ohne den Aufwand des personell und 
apparativ hochausgestatteten Krankenhauses gut behandelt 
werden können. Ihrem Wesen nach werden die Kranken 
heime für Aufenthalte von unbestimmter Dauer eingerich 
tet sein, der medizinische Charakter tritt in den Hinter 
grund, eine wohnliche Atmosphäre an seine Stelle, so daß 
bei den Patienten viele Formen persönlicher Entfaltung er 
halten bleiben. Eine solche Umgebung wird auch dem indi 
viduellen Bedürfnis der Patienten weitaus besser Rechnung 
tragen, als das in der notwendigerweise — ich sage einmal 
— sterilen Atmosphäre eines Krankenhauses möglich ist. 
Im Vordergrund steht die durch ärztliche Behandlungs 
maßnahmen begleitete Pflege. Diese Pflege soll soweit wie 
möglich eine aktivierende Pflege sein. Die Patienten sollen 
unter fachlicher Anleitung das ihnen mögliche Maß an 
Selbständigkeit erlangen oder zumindest bewahren. Dazu 
gehören sowohl Krankengymnastik als auch Beschäfti 
gungstherapie und heilpädagogische Maßnahmen bei jünge 
ren Patienten. In Berlin soll noch in diesem Jahr damit be 
gonnen werden, kleinere Krankenhäuser in Krankenheime 
umzuwandeln, sofern die Träger dazu bereit sind und die 
erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu werden zur 
Zeit von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Um 
weltschutz Ausstattungsrichtlinien erarbeitet, in denen 
Grundsätze für die Personalausstattung und die an die 
Räume zu stellenden Anforderungen enthalten sind. Mit 
ihrer Veröffentlichung kann noch in diesem Jahr gerechnet 
werden. Bis zu diesem Zeitpunkt kann eine Inbetriebnahme 
eines Krankenheims nach Abstimmung zwischen dem 
Träger und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Um 
weltschutz als aufsichtsführender Behörde erfolgen. 
Aufgrund der vorgesehenen Aufgabenstellung — zum 
Beispiel Krankenheim für körperlich behinderte Patienten, 
Krankenheim für psychisch Kranke, Krankenheim für 
Diabetiker — wird für jedes Haus geprüft und festgesetzt 
werden, welche Bedingungen im Interesse der Patienten 
erfüllt werden müssen. Es wird erwartet, daß die Träger 
sich berechtigten Forderungen nicht verschließen, wenn sie 
einen kostendeckenden Pflegesatz erhalten, der auch Inve 
stitionsanteile mit einschließt. Die Pflegeentgelte für 
Krankenheime werden von der Senatsverwaltung für Ge 
sundheit und Umweltschutz nach einer der Bundespflege 
satzverordnung angeglichenen sogenannten Heimpflegeent 
geltvereinbarung geregelt werden. Der Entwurf dieser Ver 
einbarung wird zur Zeit mit den Beteiligten beraten. Mit 
dem Inkrafttreten kann ebenfalls noch im Laufe dieses Jah 
res gerechnet werden. 
Die bisher mit Krankenhausträgern geführten Verhand 
lungen lassen erkennen, daß durchaus Interesse an dem 
neuen Institutionstyp besteht. Ein Krankenheim mit 118 
Plätzen für Behinderte wurde bereits im Bezirk Spandau 
konzessioniert; für neun weitere Einrichtungen mit 670 
Plätzen liegen Anträge vor, die zur Zeit geprüft werden. 
Weiterhin kommt insbesondere ein Teil der 37 Kranken 
häuser in Betracht, die nach dem 1972 in Kraft getretenen 
Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes nicht in den 
Krankenhausbedarfsplan einbezogen werden und deshalb 
nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert werden können. Die 
Eignung für eine Umstellung muß jeweils unter Berück 
sichtigung der genannten Ausstattungsrichtlinien im Ein 
zelfall geprüft werden. Sofern die räumlichen und personel 
len Bedingungen erfüllt werden können, werden Mittel nach 
§ 8 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zur Er 
leichterung der Umstellung auf den Betrieb eines Kranken 
heims gewährt werden können. 
Zu Frage 2: Im Krankenhausbedarfsplan für das Land 
Berlin vom 18. Dezember 1973 ist angemerkt, daß die Zahl 
der Plätze in Krankenheimen auf rund 1 500 geschätzt wird. 
Grundlage war eine Stichtagerhebung, die in Krankenhäu 
sern und Abteilungen für Chronischkranke durchgeführt 
worden ist und rund 6 000 Patienten erfaßte; 20% der 
Patienten wurden dabei als solche bezeichnet, die nicht 
einer Versorgung im Krankenhaus bedürfen. Bezogen auf 
rund 8 000 Betten für Chronischkranke bedeutet das min 
destens 1 500 Plätze im Krankenheim. In dieser Zahl nicht 
enthalten sind rund 600 Plätze in bisher als Großfamilien 
pflegestellen betriebenen Einrichtungen für psychisch Chro 
nischkranke. Da jedoch ein Teil der aufgrund der Stichtag 
erhebung errechneten Krankenheimpatienten auch psy 
chisch gestörte Menschen umfaßt, wird die Gesamtzahl 
der Krankenheimplätze nach jetzigem Stand auf etwa 1 800 
geschätzt. Ob ein so dimensioniertes Angebot in der Zu 
kunft ausreicht, wird die sorgfältige Beobachtung der Be 
darfssituation ergeben. Die endgültig erforderliche Platz 
zahl wird auch davon abhängen, wie die Bevölkerung den 
neuen Institutionstyp Krankenheim annimmt und welche 
Bettenzahl künftig in Krankenhäusern vorgehalten wird. 
Von daher stellt sich für mich die Frage, ob entsprechend 
dem Antrag der CDU-Fraktion in der Tat eine Bedarfs 
planung für Krankenheime in einem formellen Sinn zweck 
mäßig ist; denn die Krankenhausbedarfsplanung ist eine 
formalisierte Planung mit zwangsläufigen Folgen — öffent 
liche Förderung oder Nichtförderung — und hat von daher 
formell mindestens auch mittelbaren Einfluß auf die Aus 
steuerung des gesamten Bettenangebots im Krankenhaus 
bereich. Hier könnte es ohnehin nur um eine möglichst 
präzise Vorausschätzung dessen gehen, was wohl künftig an 
Plätzen in Krankenheimen benötigt werden könnte. Und 
ich kann nicht ausschließen, daß wir nach intensiver Bera 
tung im Gesundheitsausschuß gemeinsam zu dem Ergebnis 
kommen, daß hier vielleicht weniger eine formelle Bedarfs 
planung und vielleicht, wie bisher, eine möglichst präzise 
Schätzung dann im Krankenhausbedarfsplan — aber mit 
mehr nachrichtlichem Zuschnitt — die zweckmäßigere Lö 
sung sein könnte. 
Zu Frage 3; In Berlin werden, wie bereits ausgeführt, 
zur Zeit von freigemeinnützigen und privaten Trägern neun 
sogenannte Großfamilienpflegestellen mit rund 600 Plätzen 
betrieben, die auf der Grundlage eines Vertrags mit einem 
psychiatrischen Krankenhaus Zusammenarbeiten.
	        
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