Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
35. Sitzung vom 23. September 1970
1470
1. Um die erforderlichen Voraussetzungen für die Arbeit
wissenschaftlicher Einrichtungen zu schaffen, hat er ein
vielgegliedertes Infrastruktursystem aufgebaut, das jedem
Vergleich standhält. — Ich habe das in der Antwort zur
zweiten Frage dargelegt.
2. Der Senat hat die Forschungskapazität der Hoch
schulen ausgebaut und als erstes Land ein Strukturmodell
für die Hochschulforschung gemeinsam mi einer Universi
tät entwickelt, wobei auf die Individualforschung auf
bauend eine Konzentration durch Einrichtung von Projekt-
und Gebietsschwerpunkten erreicht wurde.
3. Der Senat hat gemeinsam mit der Bundesregierung
besondere Anreize für die Durchführung von Forschungs
vorhaben der Privatwirtschaft in Berlin geschaffen und die
außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausgebaut;
hier soll nur auf das Wissenschaftszentrum, das Hahn-
Meitnor-Institut und das Heinrich-Hertz-Institut für Nach
richtentechnik hingewiesen werden.
4. Der Senat hat die Entwicklung eines Forschungsver
bundes durch den Abschluß von Kooperationsvereinbarun
gen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrich
tungen angeregt, um die Effizienz des Forschungssystems
zu steigern.
5. Der Senat hat an der überregionalen Koordinierung
der Forschungspolitik zwischen Bund und Ländern durch
den Abschluß der Rahmenvereinbarung Forschungsförde
rung nach Art. 91 b des Grundgesetzes mitgewirkt und eine
Gemeinschaftsflnanzierung für das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung, das Heinrich-Hertz-Institut für
Nachrichtentechnik, das Wissenschaftszentrum Berlin und
künftig das Deutsche Bibliotheksinstitut durch Aufnahme
in die sogenannte Blaue Liste, das heißt die Liste der
Gemcinschaftsfinanzierungcn, erreicht.
Um eine stärkere Förderung von Forschung und Ent
wicklung im Bereich der privaten Wirtschaft zu erreichen,
die in Berlin nicht genügend an Investitionen für soge
nannte „Neue Technologien“ — das sind die Kernenergie,
die Datenverarbeitung oder Halbleiterbauelemente — teil
hatte, sind gemeinsam mit dem Bund eine Vielzahl von
direkten und indirekten Instrumenten, vor allem steuerliche
Vorteile sowie direkte Forschungsförderungsprogramme,
geschaffen worden.
Da zur Zeit repräsentative und aktuelle Daten über
Forschung und Entwicklung in der privaten Industrie nicht
vorliogen, führt das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor
schung eine entsprechende Untersuchung durch, von der
Aufschlüsse über Möglichkeiten der Kooperation zwischen
der Wirtschaft und den in Berlin bestehenden Einrichtun
gen von Forschung und Entwicklung erwartet werden.
Ich komme zur vierten Frage der SPD-Frahtion: welche
Möglichkeiten der Senat sieht, den Bereich Forschung und
Entwicklung in Berlin weiterzuentwickcln, und an welchen
Leitlinien er sich dabei orientiert.
Meine Damen und Herren! Nach der Überzeugung des
Senats ist hier das Viermächte-Abkommen über Berlin zu
erwähnen, das die Bindungen Berlins an den Bund an
erkennt und deren Entwicklung zuläßt und das insgesamt
eine gute Grundlage ist, die Forschung in Berlin auch mit
Hilfe der Bundesregierung auszubauen, selbstverständlich
unter Beachtung der alliierten Vorbehalte. Der Senat ist
bemüht, Forschungskontakte mit den europäischen Ge
meinschaften zu intensivieren. Hierbei ist auf die Ansied
lung des Europäischen Instituts zur Berufsbildungsfor
schung in Berlin zu verweisen. Der Senat achtet gemein
sam mit der Bundesregierung darauf, in sämtliche supra
nationale Abkommen, wie zum Beispiel die europäischen
Abkommen über wissenschaftliche und technologische
Zusammenarbeit, einbezogen zu werden, auch zum Beispiel
in das Abkommen über die Europäische Weltraum
organisation.
Die politisch geographische Lage Berlins legt cs auch
nahe, in enger Abstimmung mit der Bundesregierung in
wissenschaftliche Kontakte mit der DDR und den ost
europäischen Staaten zu treten. Zur Forschungspolitik der
Bundesländer gehört die vom Abgeordnetenhaus beschlos
sene Rahmenvereinbarung Forschungsförderung nach Arti
kel 91 b Grundgesetz, die das sogenannte Königsteiner
Staatsabkommen ablöst und zum erstenmal eine gemein
schaftliche Forschungspolitik einschließlich der Finanzie
rung zwischen Bund und Ländern ermöglicht.
Die Leitlinien für die Forschungspolitik des Senats darf
ich wie folgt zusammenfassen:
1. Weiterer Ausbau der Infrastruktur
2. Förderung einer engen Kooperation der heterogenen
Forschungseinrichtungen durch einen Forschungsver
bund
3. Beteiligung an den großen Forschungsprogrammen der
Bundesregierung
4. Weiterentwicklung der in den Wirtschaftskonferenzen
des Bundeskanzlers eingeleiteten Zusammenarbeit von
Forschung, Wirtschaft und Verwaltung
Bei der Umsetzung dieser Leitlinien in die praktische
Forschungsarbeit muß allerdings folgender Tatbestad
berücksichtigt werden: Im Rahmen der Wissenschaftsfrei
heit können den Hochschulen Forschungsgegenstände an-
geboten, aber kaum vorgeschrieben werden. Die außer
universitären Einrichtungen sind zum größten Teil ent
weder selbständig oder gehören eigenen, nichtregionalen
Planungseinheiten an. Im Bereich der Privatwirtschaft
kann und soll die unternehmerische Entscheidung nicht
ersetzt werden. Das wirksamste Steuerungsmittel für eine
Forschungspolitik auf der Grundlage dieser Leitlinien wäre
ein Forschungsförderungsfonds, um schnell und unbüro
kratisch neue Forschungsförderungsinitiativen, aus wel
chem Bereich sie auch immer entwickelt und vorgetragen
werden, zu unterstützen. Ein solcher Fonds steht dem
Senator für Wissenschaft und Kunst nicht zur Verfügung.
Er stünde wohl auch im Widerspruch zu unserem — so
betrachtet — starren Haushaltsregelungssystem.
Davon abgesehen sieht der Senat folgende Möglichkeiten,
unter Berücksichtigung der oben genannten Leitlinien den
Bereich Forschung und Entwicklung weiter auszubauen:
Er ist sich bewußt, daß die Leistungsfähigkeit des For
schungssystems von hochqualifiziertem Personal abhängig
ist. Er wird weiter darauf achten — das ist meine Spezial
aufgabe —, daß vor allem entsprechend qualifizierte Wis
senschaftler nach Berlin berufen werden und daß sich
Ausbau und Ausstattung auch an der Struktur des Berliner
Forschungs- und Entwicklungssystems sowie am regiona
len Bedarf orientieren. Der Senat wird sich verstärkt darum
bemühen, das regionale Forschungssystem stärker für die
Entwicklung der Stadt zu nutzen durch Unterstützung der
Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft, stärkere
Beteiligung der Wissenschaft an der Feststellung und
Lösung regionaler Probleme. Hier nenne ich als Beispiele
den ganzen Bereich des Umweltschutzes, der Geriatrie —
der Altersforschung — unter besonderer Berücksichtigung
der Altersstruktur in Berlin. Der Senator für Wissenschaft
und Kunst wird prüfen, ob sich die Einrichtung eines be
sonderen Ausschusses des Senats für Fragen von Forschung
und Entwicklung empfiehlt. Ferner sieht er die Notwendig
keit eines besonderen Forschungsförderungsfonds als
Steucrungsmittel — ich habe dazu eine Bemerkung ge
macht. Der Senat wird alle Maßnahmen unterstützen, die
überregionale und internationale wissenschaftliche Koope
ration durch Tagungen, Kongresse und wissenschaftlichen
Austausch noch stärker zu fördern und anzuregen.
Zu konkreten Planungen in einzelnen Bereichen gehören
die Weiterentwicklung und Verbesserung der bereits er
wähnten Infrastruktur, insbesondere die Ansiedlung einer
Reihe von Fachinformationszontren in Berlin bzw. die
wesentliche partnerschaftliche Beteiligung von Berliner
Einrichtungen in den Bereichen Hüttenkunde, Werkstoffe,
Metallbe- und -Verarbeitung, Chemie Wie bitte ?
(Abg. Boroffka: Das ist nur eines, was Sie eben
auf gezählt haben, nicht mehrere!)