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Volume Nr. 35, 23.09.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
35. Sitzung vom 23. September 1976 
1458 
Nur muß doch folgendes Verwunderung erregen; Wenn wir 
laut Statistik etwa 10 000 Hortplätze ln den städtischen 
Einrichtungen haben — das sind 18,6% — und knapp 
1 300 Kinder auf der Warteliste stehen — daß sich das mit 
den freigehaltenen Plätzen eventuell überschneidet, lasse 
ich zugunsten der Verwaltung weg —, zusammen sind das 
etwa 21%, dann kann man nicht an einer Planung fest- 
halten — bei 21% nachgewiesenem Bedarf —, die sich an 
50% eines Jahrgangs orientiert! Wir werden uns darüber 
unterhalten, ob wir den Schwerpunkt zu den Krippenplätzen 
verlagern sollten. Wir müssen davor warnen — das gilt für 
alle Verwaltungen —, mit einer pauschalen Betrachtungs 
weise einer Erörterung der Probleme im Detail auszu 
weichen. 
Bei der Einnahmenseite kurz noch etwas zur Mehrwert 
steuer: Herr Kollege Diepgen, Sie haben sich ja dagegen 
gewehrt, daß die übrigen Bundesländer vom Pinanzsenator 
angesprochen worden sind, Sie haben gesagt; Für uns gibt 
das nicht viel her! Ich glaube, wir in Berlin sollten sehen, 
daß bei der Mehrwertsteuererhöhung auch die dem Bund 
aus dieser Gemeinschaftssteuer zufließenden Mittel auf 
gestockt werden und eine bessere Ausstattung des Bundes 
natürlich auch bessere Voraussetzungen für die Zumessung 
der Bundeshilfe schafft. 
(Abg. Diepgen; Aber nicht, wenn ich damit 
gleichzeitig die Wirtschaft belaste und 
im Grunde Wirtschaftswachstum hemme!) 
— Die Mehrwertsteuer belastet die Wirtschaft nicht, Sie 
ist nämlich eine der typischen überwälzbaren Steuern und 
wird — wir können das bedauern — letztlich dem Verbrau 
cher auferlegt. Sie könnten den Einwand bringen, daß 
Mehrwertsteuererhöhungen unsozial seien. Die Wirtschaft 
wird nicht belastet; die bleibt gelassen — und wälzt ab. 
Nun darf Ich zur Zumessung der Bundeshilfe noch auf 
eines hinweisen — und das besonders an die Adresse der 
CDU sagen —, die Kollegen in der Enquete-Kommission 
werden mir da am ehesten zustimmen: Wir müssen bei den 
Verhandlungen über die Bundeshilfe in Rechnung stellen, 
daß natürlich auch dem Bundesfinanzminister bekannt ist, 
daß ln vergleichbaren Ballungsräumen und Großstädten 
— wie in Hamburg, Köln und München — die Zahl der 
Einwohner und der Beschäftigten ebenfalls rückläufig ist 
und daß diese Entwicklung bei der Bemessung des Bundes 
zuschusses für Berlin selbstverständlich eine Rolle spielen 
wird. Das alles veranlaßt mich zu der Forderung, daß der 
Senator für Finanzen diesen Daten auch bei der Fachver 
waltung Geltung verschaffen sollte. 
Zu den Personalausgaben kann ich mich kurzfassen. Wir 
sind der Meinung, daß die Regelung in § 6 HG durchge 
halten werden sollte — und ich füge hinzu, daß es in dieser 
Frage auch keinen „Naturschutzpark“ für den Bereich der 
öffentlichen Betriebe geben kann. Gerade angesichts der 
Tariferhöhungen, die uns jetzt wieder angekündigt werden, 
haben wir allen Anlaß, uns diese Dinge ganz genau anzu 
sehen. Und ich darf hier ganz deutlich sagen: Gerade nach 
dem wir vom Senator noch einmal gehört haben, wie un 
sicher offenbar die Berechnungsgrundlagen sind — Zahlen, 
wie sie jetzt konkret von der Gasag genannt wurden, be 
weisen das deutlich —, ist es dringend notwendig, diese 
Dinge abzuklopfen; — und zwar in den dafür zuständigen 
Beiräten auf der Grundlage der Regelung des Eigen 
betriebsgesetzes. Wir können es uns nicht leisten, bei der 
Bemessung der Haushaltsansätze Tariferhöhungen vorweg 
zunehmen; — um so mehr, als die Öffentlichkeit sehr genau 
beobachten wird, was geschieht. Insbesondere angesichts 
der Dinge, die sich in der letzten Zeit ereignet haben und 
durch die Presse gegangen sind. Ich habe den Eindruck 
— wenn ich das zu diesem Thema abschließend sagen 
darf —, daß die verantwortlichen politischen Instanzen mit 
den öffentlichen Betrieben nicht immer „Tacheles geredet“, 
sondern manchmal sehr leise „geschwäblt“ haben. Gerade 
deshalb wird es notwendig sein, hier sehr genau zu sein. 
Ich darf dann zu den Personalausgaben eines unterstrei 
chen —, da sitze ich mit dem Kollegen Diepgen ln einem 
Boot: Der Nullstellenplan ist eine wunderbare Sache. Es 
gibt aber etwas, das noch viel schöner Ist —, und zwar eine 
echte Rückführung der Personalausgaben und des Stellen 
plans. Ich habe den Eindruck, daß eine Bruttobetrachtung 
dazu führt, daß einige besonders tüchtige Senatoren, die 
vom Haushalt etwas mehr verstehen, es immer wieder 
schaffen, Einsparungen, die sie erzielen oder an denen sie 
nicht vorbeikommen, gleich wieder für Zugänge in ihrem 
Bereich einzusetzen. Man darf also den Nullstellenplan 
nicht am Einzelplan orientieren, sondern man muß da, 
wo abgespeckt wird, auch sagen: Du ißt in Zukunft etwas 
sparsamer! — Daß das nur im Detail geregelt werden kann, 
läßt sich an einem Beispiel zeigen: Wenn wir vor der Frage 
stehen, ob der Schulsenator zuviel oder zuwenig Lehrer 
planstellen hat, dann genügt es nicht, per Saldo zu errech 
nen, er habe genug. Denn wenn er an der Grundschule 
—- also in der Primarstufe — weniger Schüler und damit 
Lehrer im Überhang hat, die backen, kochen und kneten 
können — und natürlich viel mehr, ich will sie nicht 
schlechtmachen —, dann hat er damit natürlich noch keine 
Lehrkräfte für den naturwissenschaftlichen Unterricht in 
der Sekundarstufe II. 
Einen Vorbehalt auf dem Personalsektor muß ich hier 
noch anmelden — ich habe das dem Herrn Senator schon 
durch einen Zwischenruf angekündigt —, und zwar gegen 
die Umwandlung von Baumittelkräften in Planstellen; — 
143 an der Zahl, im Tiefbau. 
In einer Zeit, in der das Tiefbauvolumen schrumpft, in 
der der zuständige Senator überzogene Baupläne, Straßen 
durchbrüche, Straßenverbreiterungen zu bremsen bereit ist, 
in dieser Zeit, in der wir also alle sehen: es wird weniger, 
— da kommt die Senatsverwaltung und will diese 143 Kräfte 
im Stellenplan betonieren! — Falls es Urteile geben sollte, 
an denen wir wegen der Kettenverträge oder anderer ar 
beitsrechtlicher Dinge nicht vorbeikommen, würde ich das 
gern hören. Aber ich muß sagen: Dies ist der ungünstigste 
Zeitpunkt von einer wohlbegründeten und jahrelang ge 
übten Praxis ausgerechnet im Bereich des Tiefbaus abzu 
gehen. 
Zu den Investitionen: Herr Senator, wir sind mit Ihnen 
einig, daß der Schwerpunkt von den Erweiterungsinvesti 
tionen zu den Ersatzinvestitionen wandern muß, insbeson 
dere — das haben wir schon im vorigen Jahr gesagt —, da 
jede Erweiterung und jede neue Investition zusätzlich 
Folgekosten nach sich zieht, die nachher im Etat ver 
kraftet werden müssen. Wir werden ja gemeinsam — hof 
fentlich — wieder einmal Fußball spielen, so daß gegen 
eine Förderung der Sportplätze höchstwahrscheinlich alle 
nichts einzuwenden haben. Der Kollege Ehrke ist weit vor 
geprellt, der ist schon fast im Strafraum; ich kann nur 
noch hinterherwinken und sagen: wir auch, bei den Sport 
plätzen. 
(Beifall bei der F.D.P. und SPD) 
Ich hoffe, daß es uns gelingen wird — trotz allen guten 
Willens bin ich da nicht so sicher —, ähnliches auch für 
den Neubau der Schaubühne und für die Frauenhaftanstalt 
zu erreichen. Denn wenn bei den Investitionen etwas stört, 
dann ist es die Aussage, die der Finanzsenator hier leider 
machen mußte. Eine glanzvolle Leistung, wie er das ka 
schiert hat! Er hat nämlich hier deutlich machen müssen, 
daß wegen schlechter Bauvorlagen — wir haben uns 
gestern im Hauptausschuß darüber unterhalten — die Fort 
setzungsraten fast immer überzogen werden, daß wir also, 
wenn wir glauben, wir haben hier ein Programm von 
200 Mio DM beschlossen, hinterher feststellen müssen, 
weil unsorgfältig gearbeitet, weil nicht zu Ende gedacht 
wurde, waren es in Wirklichkeit 250 Mio DM. 
(Abg. Wronski: Sie denken an das 
Kongreßzentrum ?!) 
— Herr Kollege Wronski, ich denke an alle Großbauvor 
haben, aber ich denke auch an Reinickendorf, Oranien 
burger Damm, ich denke an die Straßenbaumaßnahmen, 
bei denen wir gestern erlebten, daß sie uns mit 3,6 Mio DM 
angedient und dann plötzlich mit 5,9 Mio DM erneut ser 
viert werden. 
Ich glaube also, daß eine unsolide Politik ln der Bauver 
waltung — ich sage das ganz offen — dazu geführt hat,
	        
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