Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
34. Sitzung vom 9. September 1976
Nun noch zwei Sätze zu dem Thema
Präsident Lorenz: Einen Satz, Herr Kollege, Ihre Rede
zeit ist erschöpft!
Honig (CDU): Zum Thema der Schuldentilgung; Wir
haben leider hierzu vom Senator nichts gehört, obwohl die
ses Problem auch aus dem Kreis des Strafvollzugs an den
Senat herangetragen worden ist, und zwar von dem Ver
band der Berliner Strafvollzugsbediensteten. Sie haben
einen Gesetzesvorschlag eingereicht beim Justizsenator —
und nicht beim Senator für Arbeit und Soziales — der auf
dem Entwurf basiert, den die CDU-Fraktion im Land Nord
rhein-Westfalen eingebracht hat und der Gegenstand der
dortigen Bemühungen um die Schaffung eines Sozialisie
rungsfonds ist. Ich bin der Meinung, daß diese Leistungen,
die wir heute gehört haben, in keiner Weise ausreichen, um
endlich die unbefriedigende und weit überhöhte Rückfall
quote von 86 % auf ein erträgliches Maß herunterzudrük-
ken. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Senator Korber.
Korber, Senator für Arbeit und Soziales: Gestatten Sie
mir zwei kurze Anmerkungen.
Die erste: Ich werde mich im Rahmen dessen halten, was
parlamentarisch üblich ist. Aber Sie gestatten mir, meine
innere Überzeugung zu der Art und Weise, wie Sie hier
Dinge vortragen, zu sagen. Wer so naßforsch wie Sie hier
von dieser Tribüne
(Abg. Rzepka; Das habe ich mir nur von Ihrer
Beantwortung der Anfrage abgesehen!)
— Jetzt spreche ich. — Wer so naßforsch zu Problemen
der Haftentlassenen-Hilfe spricht, hat mit Sicherheit kein
inneres Gefühl, hat kein Herz für diese Dinge.
(Zurufe von der CDU: Unerhört! — Beifall bei der
SPD und der F.D.P.)
Wenn jemand glaubt, diese schwierigen Probleme so mit
der linken Hand, von oben herab, polemisch anpacken zu
können, der vermittelt das Bild, daß er zumindest für diese
Fragen der denkbar Ungeeignetste ist.
Präsident Lorenz: Gestatten Sic eine Zwischenfrage? —
Herr Abgeordneter Rzepka!
Rzepka (CDU): Herr Senator! Darf ich Sie darauf auf
merksam machen, daß eine von Ihnen unterschriebene Ant
wort auf eine Kleine Anfrage betreffend Weihnachtsamne
stie zur Haftentlassenen-Hilfe den einzigen Satz enthält:
„Der Senat hält seine Maßnahmen zur Haftentlassenen-
Hilfe für ausreichend und effektiv.“ ?
Wer hier naßforsch und in verfehlter Weise an die Pro
bleme herangeht, glaube ich, wird klar.
(Zurufe von der SPD: Das ist keine Frage mehr!)
Korber, Senator für Arbeit und Soziales: Dies ist ja nun
sehr interessant, daß Sie wenigstens jetzt im Gegensatz zu
vorhin etwas konkreter zitieren, nämlich darauf hinweisen,
daß es um die Weihnachtsamnestie geht. Ist das richtig ?
(Zuruf: Ja!)
Und diese Antwort wiederhole ich hier noch einmal. Berlin
ist erstens — und Sie können das nachprüfen, und ich stehe
Ihnen jederzeit zur Verfügung — das einzige Land, das seit
Jahren den Zeitraum der Weihnachtsamnostie so weit vor
gezogen hat, damit nämlich noch Wochen vor Weihnachten
eine Arbeitsvermittlung möglich ist. Eine Weihnachts
amnestie unmittelbar vor Weihnachten würde es mit sich
gebracht haben, daß selbst bei gutem Willen eine Vermitt
lung nicht mehr möglich ist.
Und die Prozentzahl — ich habe sie jetzt nicht gegen
wärtig —: Die hohe Zahl derjenigen, die selbst in der Zeit
der Rezession vermittelt werden konnten, ist nur möglich
gewesen aufgrund eines ganz kooperativen Handelns zwi-
zwischen Justizsenator, Arbeitssenator und dem Landes
arbeitsamt. Und diese Zahlen, die Sie da finden, finden Sie
in keinem anderen Bundesland. Dafür stehe ich gerade.
Und wenn dies die konkrete Frage war, dann war auch die
konkrete Antwort, daß es insoweit optimal ist, richtig, und
es bleibt richtig.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Und nun der andere Punkt, der mich wirklich aus ver
fassungspolitischen Gründen bedrückt. Man kann sicher die
Frage aufwerfen, und der Senat hatte sie aufgeworfen,
hatte sie vor Jahren schon beschlossen. Es ist dann aus
Rechtsgründen am Rat der Bürgermeister gescheitert. Ich
will jetzt gar nicht Verantwortung wegdrücken. Aber ich
habe eingangs bei der Frage, wer hier zuständig ist,
(Abg. Hucklenbroich: Die Bezirke!)
klargelegt, daß nach den Berliner Gesetzen die Haftcnt-
lassenen-Hilfe eine bezirkseigene Angelegenheit ist, der
Senat also nur sehr engbegrenzte Möglichkeiten hat. Wenn
das aber so ist, dann sollte eigentlich das Parlament so
konkrete Fragen, die praktisch die Bezirke angehen, nicht
hier diskutieren, weil kein Senator — ganz gleich, wer er
ist — und keine Senatskoalition — ganz gleich, wie sie
zusammengesetzt ist — Dinge entscheiden kann, für die sie
überhaupt nicht zuständig sind.
(Abg. Rzepka; Verstecken Sie sich doch nicht
hinter den Bezirken!)
— Ich verstecke mich überhaupt nicht. Aber wenn Sie ein
fach in der Art und Weise, wie Sie hier diskutieren, Dinge,
die in Ihre vorgefaßte Meinung, die in Ihre polemische Ab
sicht nicht hineinpassen, unter den Tisch fallen lassen, dann
ist es nicht nur mein Recht, dann ist es meine Pflicht, dar
auf hinzuweisen.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Matthes!
Matthes (CDU): Herr Senator! Da offensichtlich ver
schiedene Kompetenzen mit dem Problem befaßt sind, kön
nen Sie mir vielleicht dann sagen, wer für die Weihnachts
amnestie zuständig ist ?
Korber, Senator für Arbeit und Soziales: Ja. Für die
Weihnachtsamnestie ist der Justizsenator zuständig.
(Aha! bei der CDU)
— Augenblick! — Moment! — Wissen, Sie, es gibt ein
Sprichwort, das mir auf der Zunge liegt. Die Frage, ob eine
Amnestie erlassen wird, dafür kann ja nicht der Arbeits
senator zuständig sein. Aber der Arbeitssenator ist dafür
zuständig, daß im Rahmen der Amnestie versucht wird, in
optimaler Weise die Amnestierten in Arbeit zu vermitteln.
Das ist doch der Punkt.
Präsident Lorenz: Gestatten Sie noch eine Zwischen
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