Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
31. Sitzung vom 24. Juni 1976
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Stellv. Präsident Baetge: Recht schönen Dank! Ich er
öffne die Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Thomas.
Thomas (SPD); Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen
Partei wird dem vorliegenden Berichtsersuchen zustimmen,
obwohl wir Bedenken dagegen anmelden, daß der Senat von
Berlin entsprechend einem Parlamentsauftrag immer noch
gefordert bleibt, eine Luftverkehrskonzeption zu entwic
keln. Wer die Entwicklung auf dem Luftverkehrssektor in
den letzten Jahren beobachtet hat, der muß einfach mit
Nüchternheit registrieren, daß es in dieser Frage von sei
ten des Senats und auch der deutschen Bundesregierung
lediglich Reaktionen geben kann auf bestimmte hoheitliche
und kommerzielle Entscheidungen der Alliierten. Wenn dem
so ist, daß die Alliierten Hoheitsaufgaben und kommerzielle
Interessen miteinander verquicken, wenn sie also ihre kauf
männischen Interessen durchzusetzen versuchen mit hoheit
lichen Rechten, dann sind der Senat von Berlin und die
deutsche Bundesregierung nicht in der Lage, in Bezug auf
die Berlinflüge eine geschlossene Konzeption zu entwickeln.
Wir sollten erhebliche Stufen niedriger ansetzen und ver
suchen, den Alliierten eine Art Katalog unserer Wünsche
vorzulegen mit der Bitte, diese gegebenenfalls auch zu be
rücksichtigen. Das gilt insbesondere für die Qualität der
Flüge zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutsch
land; nämlich, daß die Tagesrandzeiten künftig besser be
dient werden, als dies zur Zeit der Fall ist. Auf der anderen
Seite wird man einräumen müssen, daß zumindest die Bri
tish Airways bemüht sind, der Kongreßstadt Berlin, was die
Flugverbindungen angeht, ihren Tribut zu zollen. Insofern
kann es nach meiner Überzeugung keine generelle Kritik
geben an der Praxis der alliierten Fluggesellschaften.
Noch eine Bemerkung zu den Gastarbeiterflügen, Herr
Kollege Wronski: Die Zahlen der ersten sechs Monate des
Jahres 1976 weisen eindeutig aus, daß das Verteilungsver
hältnis der beförderten Passagiere auf der Route Berlin
— West und Ost — und der Türkei bei 6:4 zugunsten von
Berlin-Tegel liegt. Ich will einräumen, daß ich mit diesem
Verteilungsverhältnis keinesfalls zufrieden bin. Nur die
Panik, die Sie eben darzustellen versuchten, gibt es nun
keinesfalls. Ich glaube aber, daß wir allen Grund haben,
dafür Sorge zu tragen, daß durch eine größere Attraktivi
tät der Flüge zwischen Berlin (West) und der Türkei ein
Trend umgekehrt wird, der heute unzweifelhaft zugunsten
von Berlin-Schönefeld läuft.
Ich darf zusammenfassend die Auffassung meiner Frak
tion dahingehend darstellen, daß ich sage, wir sollten uns
über eines im klaren sein: Die Hoheitsrechte der Alliierten
in bezug auf die Luftkorridore Berlin — Bundesrepublik
Deutschland sind heute für die alliierten Fluggesellschaften
in sehr vielen Fällen ein Instrument zur Gewährleistung
einer hohen Rendite, und an diesem Tatbestand werden wir
nicht vorbeikommen. Wir sollten dies respektieren und
gleichzeitig versuchen, bestimmte partielle Interessen die
ser Stadt in diese alliierte Flugkonzeption einzubringen.
Ich hoffe, daß der Senat von Berlin in der Lage ist, einen
entsprechenden Bericht vorzulegen; aber die großen Träu
me, Herr Kollege Wronski, die Sie haben, wird der Senat
wegen der kommerziellen Interessen der alliierten Flug
gesellschaften leider nicht befriedigen können.
(Beifall bei der SPD)
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist Herr Sena
tor Lüder.
Lüder, Senator für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat wird dem
Berichtsauftrag — falls er vom Haus beschlossen wird —
nachkommen.
(Zurufe von der CDU: Das wird sich auch so
gehören! — Abg. Lummer: Welche Güte!)
Allerdings sollten wir Nicht jeder Satz, der vom Senat
gesagt wird, Herr Abgeordneter Lummer, muß unbedingt
Güte enthalten. Er kann als Einleitungssatz auch Selbstver
ständlichkeiten beinhalten. Allerdings sollten wir, wenn wir
diesen Bericht erarbeiten, unsere Pläne an den Realitäten
orientieren,
(Abg. Lummer: Das hätten Sie mal beim
Kongreßzentrum auch machen sollen!)
— Natürlich, haben wir ja! — und dieses wird in dem Be
richt auch seinen Niederschlag finden. Wir werden zu den
Realitäten zählen müssen — und der Abgeordnete Thomas
hat es eben angesprochen —, daß eben die Zahl der Gast
arbeiterflüge von Tegel bzw. Schönefeld anders gelaufen
ist, wenn auch, Gott sei Dank, nicht so schlecht, wie dies
vom Abgeordneten Wronski behauptet wurde. Gleichwohl
teile ich voll das, was Herr Abgeordneter Thomas dazu als
grundsätzliche Stellungnahme erklärt hat. Wenn wir diesen
Bericht erstatten, dann muß nach meiner Auffassung der
Schwerpunkt darauf liegen, daß wir darlegen, welche Mög
lichkeiten, welche Chancen und welche Maßnahmen ergrif
fen wurden oder gesehen werden zur Verbesserung der
Flugsituation in der Stadt insgesamt. Ich meine, wir sollten
uns nicht an einer Flugverkehrskonzeption orientieren, die
wir vielleicht in den 80er Jahren umsetzen können, sondern
wir sollten den Bericht darauf konzentrieren, was wir auf
dem Weg in die 80er Jahre tun können. Und hier ist aller
dings einiges noch möglich und einiges auch im Gespräch.
Sie wissen, daß ich meine Gespräche darüber auch mit den
Geschäftsleitungen der alliierten Gesellschaften in der näch
sten Woche in London beginne und auch hier in Berlin
schon Gespräche geführt habe. Ich meine, daß es der Wunsch
Berlins sein und bleiben muß, daß wir hier für attraktive
Verbindungen — auch auf dem Luftsektor — sorgen, selbst
wenn das dem einen oder anderen vordergründig nicht
schmecken wird. Der Senat jedenfalls wird in diesem Be
richt, so wie erbeten, seine Konzeption darlegen. Danke!
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Stellv. Präsident Baetge: Meine Damen und Herren, wei
tere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die
Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt sofortige Abstimmung
unter Berücksichtigung der vorhin genannten Änderung.
Das war die Datenänderung.
(Abg. Papenfuß: 30.9.!)
Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
— Danke schön, es ist so beschlossen.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 15, Drucksache 7/483:
Antrag der Fraktion der CDU über BesteUung eines
Bevollmächtigten im Rahmen der Vorbereitungen der
Entsendung von Berliner Vertretern in das Euro
päische Parlament und Berichtsauftrag.
Der Senat wird beauftragt, eines seiner Mitglieder
zum Bevollmächtigten zu bestimmen, der die Vor
bereitungen für die Entsendung von Berliner Vertre
tern in das Europäische Parlament leitet und durch
geeignete Maßnahmen ln der Berliner Bevölkerung
das Bewußtsein um die Bedeutung der Europa-Wahl
für die europäische Einigung fördert.
Über die Durchführung dieses Auftrages ist dem Ab
geordnetenhaus halbjährlich, beginnend am 1. Okto
ber 1976, zu berichten.
Hierzu ist von der CDU ein Änderungsantrag eingebracht
worden, und zwar soll in der Drucksache der zweite Ab
schnitt heißen:
Uber die Durchführung dieses Antrages ist dem Ab
geordnetenhaus jährlich, beginnend am 31. Dezember
1976, zu berichten.