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Volume Nr. 31, 24.06.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
31. Sitzung vom 24. Juni 1976 
1292 
und Stadtentwicklung seit langem und mit erhöhter Inten 
sität mindestens seit Frühjahr des Jahres 1970 anläßlich der 
Beratung des damaligen und heutigen Flächennutzungsplans 
gab, als wir ankündigten, daß wir einen Stadtentwicklungs 
plan fordern würden, den das Haus dann bald darauf ein 
mütig in einer Sitzung dem Senat zur Auflage gemacht 
hat; das war am 4. Juni 1970. Die CDU-Fraktion hat dann, 
als sie nicht erkennen konnte, daß der Senat Anstalten zur 
Erfüllung des Auftrags des gesamten Hauses machte, in 
einer Großen Anfrage vom Februar 1972 nachgefragt, wo 
das denn bliebe. Wir haben es auf unsere Initiative zu Be 
ginn der vorigen Legislaturperiode mit Ihrer Hilfe erreichen 
können, daß erstmals in einem Landesparlament ein Aus 
schuß für Planung und Stadtentwicklung eingesetzt wurde. 
Die CDU-Fraktion hat den Antrag gestellt, im Juni des 
Jahres 1971 ein Gesetz über die Unterrichtung des Abgeord 
netenhauses bei den Regierungsplanungen des Senats zu 
verabschieden, und als wir bei den Herrschaften von der 
SPD auf Schwierigkeiten stießen, im Mal 1973 einen An 
trag pardon ? 
(Abg. Rheinländer; Sie meinen die Kollegen von der 
SPD! — Abg. Heß: Oder die Damen und Herren!) 
— Ja, wie auch immer Sie genannt sein wollen, sofern es 
nicht anstößig ist, bin ich bereit, Sie so zu nennen. 
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU) 
Wir haben dann am 18. Mai 1973 den Antrag auf Verab 
schiedung eines Planungskontrollgesetzes gestellt. Wir ha 
ben im Oktober 1974 gelegentlich der Vorlage eines Druck 
stücks, dem der Senat verschiedene Namen gegeben hat 
und von dem er meinte, daß es sich inhaltlich um einen 
Stadtentwicklungsplan handelt, gefragt: Wann endlich wird 
der Senat einen solchen Stadtentwicklungsplan vorlegen? 
Wir hatten im Jahre 1971 auch im Zusammenhang mit un 
seren planerischen Vorstellungen die Einsetzung einer er 
sten Enquete-Kommission beantragt, die Sie dann auch be 
schlossen haben, die die Ursachen für den fortschreitenden 
Bevölkerungsrückgang erforschen sollte. Schließlich haben 
wir, als das Ergebnis dieser Enquete-Kommission insoweit 
negativ war, als — wie wir heute sehen — zu Unrecht fest 
gestellt wurde, daß ein Bevölkerungsrückgang nicht statt 
gefunden habe, aber darüber hinaus nicht zu Unrecht fest 
gestellt worden war, daß es Instrumente zur Erkennung 
der Bevölkerungsstruktur in dieser Stadt nicht ausreichend 
gebe, einen Antrag gestellt zur Erstellung einer sozio-öko- 
nomischen Datenbank zur Früherkennung der strukturel 
len Bevölkerungsentwicklung. Schließlich haben wir am 30. 
April 1974, als uns ein Papier der Abteilung IV der SPD 
in Steglitz vor Augen kam, in dem eine Bevölkerungs 
schrumpfung herunter auf 1,5 Millionen empfohlen wurde, 
eine Große Anfrage wiederum zur Bevölkerungsentwick 
lung hier vorgetragen. Damals hat der Senator Neubauer 
unter anderem die bemerkenswerten Ausführungen gemacht 
— ich zitiere: 
Es ist kein Zufall, daß diese negative Berlin-Debatte 
— wie Herr Neubauer sich ausdrückte — 
(sterbende Stadt) 
— wie er dazugesagt hat — 
im wesentlichen verstummt ist, seit es das Vier- 
mächte-Abkommen über Berlin gibt. 
— Ich sage dazu nichts. Ich sage nur, daß Herr Neubauer 
das damals gesagt hat. Und wir haben dann schließlich am 
20. Juni 1975 den Antrag gestellt, erneut eine Enquete- 
Kommission einzusetzen, die sich mit der Entwicklung der 
Bevölkerung beschäftigt. In abgeänderter Form haben wir 
das dann als Drei-Parteien-Antrag durchgesetzt. Sie sehen, 
meine Damen und Herren, wenn Sie etwa versuchen sollten, 
uns den Anspruch abzustreiten, daß wir die Partei der 
Freiheit und des entschiedenen Einsatzes gegen Kommunis 
mus sind, wir aber die Partei der Planung der Stadtent 
wicklung für diese Stadt sind. 
(Abg. Rheinländer: Oho! — Abg. Hucklenbroich: 
Das ist aber ein neuer Slogan!) 
— Ich lege meine Rede so an, daß ich selbst bei meinen 
eigenen Freunden wenig Beifall hervorlocke, weil die Sache 
das gar nicht erfordert und wir alle in weiten Teilen mei 
ner Ausführungen einer Meinung sein dürften, außer bei 
den Teilen, wo dann Unruhe eintreten wird. 
(Heiterkeit) 
Wir haben uns gestattet, die Grundüberlegungen der CDU 
zur Planung und Stadtentwicklung sehr breit und ausführ 
lich darzutun in einer Sitzung am 16. Oktober 1974. Dar 
über haben wir auch eine Broschüre gedruckt, sie ist bei 
uns erhältlich und kann abgerufen werden, wir haben sie 
nicht mit dem Aufwand gedruckt wie der Senat das vor 
aufgegangene Papier. Damals wie heute erklären wir: Wir 
verabsolutieren nicht den Wert von Planung, wir sind we 
der Planungsfetischisten noch Euphorlsten der Planung, wir 
wollen Planung nicht als einen Götzen, aber als das gerin 
gere übel gegenüber der Planungslosigkeit. 
Wir sind nach wie vor für eine offene, freiheitliche, flexible 
und kontrollierte Planung. Sie erscheint uns nicht als ein 
Allheilmittel, aber als ein Frühwarnsystem gegen politische 
Katastrophen. — Ich könnte das mit aktuellen Bezügen be 
legen, will Ihnen das aber auch deshalb ersparen, weil meine 
Rede ohnehin schon sehr lange dauern wird. 
(Abg. Hucklenbroich: Das geht über Ludwig 
Erhard hinaus!) 
Hätte Planung nur den Effekt weitgestreuter Problembe- 
wußtmachung, so wäre dies schon wichtig und sehr viel. 
Mit unserer Planung wollen wir übrigens — und ich weiß 
nicht, ob wir da in allen Punkten einiggehen — nicht das 
Glück der Menschen herbeizaubern oder gar verordnen. Wir 
haben die bescheidenere Absicht, Unglück zu verhüten oder 
doch abzumildern. Dies auch deshalb, weil wir meinen, daß 
in einer pluralistischen Gesellschaft eher Übereinstimmung 
über das zu erzielen ist, was schmerzt, was unsicher und 
unglücklich macht, als darüber, was dem Einzelnen für 
sein spezielles Wohlbefinden am wichtigsten erscheint. 
In unserer schnellebigen Welt mit ihren wissenschaftlich- 
technisch kurzfristigen Umwälzungen kommen wir ohne 
Planung nicht aus, wiewohl gerade die Unberechenbarkeit 
der Entwicklung Planung im gleichen Augenblick erheblich 
erschwert. Dennoch planen alle Regierungen, wie es seit 
langem jeder sorgsame Hausvater und jede sparsame Haus 
frau tun. 
Planung der Stadtentwicklung ist für unsere Stadt dop 
pelt wichtig. Sie muß hart um ihre freiheitliche Existenz 
ringen, ihre Ressourcen sind mehr als anderswo beschränkt: 
Geld, Fläche und Personal. Und nach unserer aller neueren 
Erkenntnis — offenbar nun auch der Erkenntnis des Se 
nats und der SPD — sind auch die Menschen, ist auch die 
Bevölkerung in unserer Stadt knapp geworden. 
Planung, darf ich abschließend hierzu sagen, ist für uns 
eine Dienerin der Politik, nicht ihr Herr und auch nicht ihr 
Surrogat. Wenn ich zum Versagen des Senats in Fragen der 
Planung der Stadtentwicklung etwas sagen darf und muß, 
dann ist es erstens zum Instrumentalmethodischen folgen 
des: Bei der Planungsleitstelle und ihrem Apparat, den wir 
grundsätzlich immer begrüßt haben, ist zum Teil nicht die 
sachgerechte Personalauswahl für die Planungsteams er 
folgt, unpräzisa Aufgabenstellung, häufig fehlende Alterna 
tivvorschläge, unklare Senatsentscheidungen zu den Ergeb 
nissen der Arbeit der Teams, unkoordiniertes Nebeneinan 
der von Fachplanung und Ressortplanung, ressortegoisti 
sches Eingreifen der Fachverwaltung in die ressortübergrei- 
fende Planung, allmähliches Absterben ressortübergreifen- 
der Planung und Rückfall in ausschließlich Fachplanung 
mit dem Verlust an Koordination. Fehlende Gesamtschau 
und Berücksichtigung der Interdependenzen, Verzicht auf 
Prioritätssetzung und das Nichtvorhandensein von Leit 
linien kommen hinzu. 
Inhaltlich, meine Damen und Herren, zur Planung Stel 
lung zu nehmen, die der Senat uns bisher vorgelegt hat, 
würde sehr viel Zeit beanspruchen, ich möchte mich auf 
einiges Exemplarische beschränken. Da ist zunächst die Be
	        
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