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Volume Nr. 31, 24.06.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
31. Sitzung vom 24. Juni 1976 
1286 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort zu einer Zwischen 
frage hat Herr Abgeordneter Diepgen. 
Diepgen (CDU): Herr Kollege Hucklenbroich, können Sie 
mir vielleicht erklären, welche Rechte Sie dem Senat bei 
dem ausdrücklich vorgesehenen Bestätigungsrecht des Se 
nats für die Wahl des Präsidenten dann geben? 
Hucklenbroich (P.D.P.): Das will ich Ihnen sagen: Der 
Senat hat sich darauf zu konzentrieren, die Eignung des 
Gewählten zu überprüfen. Er kann — Ausforschung des 
Wahlgeheimnisses hin oder her — nicht auf die Wähler 
abstellen. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD — 
Abg. Papenfuß: So ist es!) 
Er hat ausschließlich Herrn Dämmert auf die Waage zu 
nehmen. Wenn wir das nicht klar sehen, wenn wir nicht die 
Autonomie der Persönlichkeit respektieren — ihre Erklä 
rungen, ihre Handlungen —, kommen wir dahin, daß Sie 
beispielsweise eines Tages Ihren Schneider nicht mehr zu 
bezahlen brauchen, wenn Sie feststellen: Der Mann ist 
Kommunist! 
(Abg. Schulze; 
Wo läßt denn der Diepgen arbeiten? — 
Heiterkeit bei der SPD) 
In ihrer Konsequenz — zu Ende gedacht — ist das eine 
Haltung, die nicht mehr auf den Betroffenen sieht, sondern 
auf alles das, was sich in der Vorlaufphase ereignet. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Lassen Sie mich bitte noch ein zweites sagen: Was ist 
denn die Verantwortung aller Demokraten in diesem Haus 
in bezug auf die Universität? Wir wollen doch verhindern, 
daß Organe dieser Universität — auch der Präsident — an 
die Seite der Kommunisten gedrängt und in Abhängigkeit 
von ihnen gebracht werden. Was bewirken Sie eigentlich 
mit dieser Volksfront-Propaganda? Was bewirken Sie mit 
dieser Art von Politik? Statt diesem Manne zu helfen und 
ihm eine Chance zu geben, betreiben Sie die Politik der 
Verweigerung; leider auch der Professor Schwan. Ich halte 
das für falsch. Wir müssen alles versuchen, um guten Wil 
len und gute Ansätze bei diesem nun gewählten Mann in 
unserem Sinne zu beeinflussen, 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
und zwar im Rahmen der Gegebenheiten, die das Gesetz 
und die Autonomie der Universitäten uns vorschreiben. 
Daran kommen w.r nicht vorbei, auch wenn uns vieles nicht 
paßt. 
Ich habe eine Bitte: überlegen Sie trotz des Bundeswahl- 
kampfes, ob der Universität und damit auch dem Ansehen 
der Stadt damit gedient ist, wenn wir diese Institution und 
politisch-demokratische Parteien als Förderer einer Volks 
front denunzieren, oder ob es nicht darauf ankommt, unsere 
Einflußnahme dahin geltend zu machen, daß auch an der 
Freien Universität demokratische Positionen gestärkt und 
ausgebaut werden. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat Frau Abgeord 
nete Dr. Besser. 
Frau Dr. Besser (CDU): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich möchte zunächst hier noch einmal zu einem 
Satz Stellung nehmen, den der Regierende Bürgermeister 
angesprochen hat. Herr Regierender Bürgermeister, ich 
halte es für eine Diffamierung von Abgeordneten in die 
sem Hause, denen Sie das Recht absprechen wollen, für 
Freiheit einzutreten, und die dafür schon eingetreten sind, 
als wir noch eine Diktatur in diesem Lande hatten. 
(Beifall bei der CDU — 
Unruhe bei der SPD und der F.D.P.) 
Wir haben in allen Parteien solche Menschen, bei Ihnen 
wie bei uns. Aber, dann das für eine Partei allein in An 
spruch nehmen zu wollen, wie Sie das hier versucht ha 
ben, 
(Unruhe bei der SPD und der F.D.P.) 
dies ist eine Diffamierung der anderen! Und nehmen Sie zur 
Kenntnis, daß die ganze Politik, die von uns betrieben wird, 
aus diesen Erfahrungen — als Menschen, die für Freiheit 
unter einer Diktatur gekämpft haben — betrieben wird. 
Die CDU hat sich sehr intensiv seit mehr als einem Jahr, 
und zwar mit Mitgliedern aller Parteien in der Freien Uni 
versität, darum bemüht, einen Präsidenten zu finden, der 
den Ansprüchen eines freiheitlich-demokratischen Staates 
genügt. Wonach, Herr Regierender Bürgermeister, haben 
Sie mich denn gefragt ? Ich möchte das hier gar nicht wei 
ter erörtern. 
Refos, was sind denn Refos? Eine ganze Truppe von 
lauter Splittern, die zu einer Gruppe zusammonzubringen 
auch Ihnen nicht gelungen ist; darum geht es doch hier im 
Grunde genommen. Sie brauchen sich doch nur mal zu 
überlegen: Wer ist denn jetzt der neugewählte Vorsitzende 
der Jungsozialisten, der dort draußen auch intensiv mit 
wirkt? Der kommt vom SHB! Und muß ich Ihnen das 
Telegramm des Sozialistischen Hochschulbundes in Erinne 
rung rufen, das an die DDR zum Tode von Herrn Ulbricht 
ging? Das ist ja wohl nicht notwendig. 
Im „Rote-Zellen-Bericht" von 1970 — wir haben den ab 
gekürzt hier immer so genannt — 
(Abg. Hauff: 
Was für ein Thema haben wir denn?) 
haben Sie selber festgestellt, wo diese Gruppen hingehören, 
die sich jetzt in der Linken Fraktion zusammengeschlossen 
haben. Wir brauchen Ihnen hier also gar nichts Neues zu 
erzählen. Und ich darf oder muß Ihnen, Herr Senator Löff 
ler, eine Frage stellen: Wenn Ihnen Herr Lämmert so 
außerordentlich befriedigende Erklärungen abgegeben hat, 
wie versteht sich denn das dann mit seinem Versuch, die 
Stimmen der ganz Linken mit der Erklärung zu fischen, die 
Radikalenüberprüfung sei abzulehnen, weil sie ein Klima 
der Duckmäuserei, der Subordination und des Denunzian 
tentums schaffe: und eine Absage an kommunistische Grup 
pen innerhalb der Universität werde es von ihm nicht ge 
ben, nachdem auch diese Kräfte auf dem Campus zugelas 
sen seien. Das ist doch die Frage an die Regierung dieser 
Stadt, an den Senat, der dort verantwortlich ist, und der 
dort die entsprechende Staatsaufsicht wahrzunehmen hat. 
(Abg. Wronski: Kennen Sie diese Äußerungen 
des Herrn Lämmert?) 
Zu dieser Äußerung brauchen wir eine befriedigende Er 
klärung in diesem Hause. Es ist nicht das Interesse der 
CDU gewesen, als hier ein Universitätsgesetz gemacht 
wurde, aus dem Universitätspräsidenten eine politische 
Figur zu machen. Das haben Sie getan. Das ist Ihnen aber 
gelungen, und demzufolge muß man darüber dann hier auch 
in aller Offenheit sprechen. 
(Beifall bei der CDU) 
Und demzufolge spielt das auch eine Rolle bei der Frage, 
ob Sie ihn bestätigen oder nicht bestätigen. Die Abwiege 
lungsmethode, die Sie uns hier vorführen, kennen wir seit 
sieben Jahren; das hat bisher überhaupt nicht zu irgend 
welchen Ergebnissen geführt. In einem konkurrieren wir 
hier miteinander, das will ich Ihnen gerne zugeben: Die 
Freiheit zu verteidigen! Aber für uns fehlt bei Ihnen viel 
fach die erforderliche Entschiedenheit auf diesem Gebiet, 
die fehlt eben. 
Es gibt keine Frage, daß seinerzeit Herr Kreibich mit lin 
ken Stimmen gewählt worden ist; er hat dafür zahlen müs 
sen. Herr Borrmann ist mit linker Rückendeckung in der 
Universität tätig; er zahlt ständig dafür. Herr Lämmert ist 
auf diese Weise gewählt worden; er wird dafür zahlen; 
darüber gibt es überhaupt gar keine Frage. Und sehen Sie,
	        
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