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Volume Nr. 30, 10.06.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 10. Juni 1976 
1241 
Lüder, Senator für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine 
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zel 
lermayer! Der Senat hat in seinen Richtlinien der Regie 
rungserklärung für die laufende Legislaturperiode gesagt 
— und Sie haben das soeben angesprochen und einen sehr 
deutlichen Hinweis gegeben auf das von Ihnen vertretene 
Gewerbe und den von Ihnen soeben dargelegten Bereich —, 
daß der Ausbau der Dienstleistungsfunktion unserer Stadt 
angestrebt wird; und unter diesen Satz fällt auch die Frem 
denverkehrspolitik. Neben dem notwendigen Ausbau des 
Ausstellungs-, Messe- und Kongreßwesens — und hier wä 
ren wir dankbar, wenn die Opposition nicht nur hinter vor 
gehaltener Hand, sondern auch öffentlich den Bau des Inter 
nationalen Kongreßzentrums Berlin, ICC, als einen wichti 
gen Beitrag zur Fortentwicklung Berlins anerkennen 
würde — gehört hierzu — •— 
(Abg. Franke: 
Auch nicht hinter vorgehaltener Hand!) 
— Darüber, lieber Herr Franke, daß wir e i n Kongreß 
zentrum brauchen, waren wir uns bisher jedenfalls immer 
einig; und dieses sollte auch einmal von dieser Seite hier 
gesagt werden. 
(Abg. Franke: Wir haben doch nie Zweifel daran 
gelassen, daß wir dieses nicht brauchen!) 
Und neben den Ausbau des Kongreßwesens gehört notwen 
dig die Weiterentwicklung und Förderung des Tourismus 
in Berlin. Die Werbemaßnahmen des Senats für die unter 
schiedlichen Zielgruppen des Berlin-Besucher-Verkehrs sind 
innerhalb des Senats koordiniert und weiter verstärkt wor 
den. Nachdem die Werbung zur Imagepflege Berlins in den 
letzten Jahren mit Erfolg durchgeführt wurde, beabsichtigt 
das Presse- und Informationsamt in Verbindung mit dem 
Verkehrsamt und der AMK Berlin, seine generelle Berlin- 
Werbung stärker auf wichtige Angebote und Ereignisse in 
Berlin abzustellen. Ich nehme hier Bezug auf die Beant 
wortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion, die der 
Herr Regierende Bürgermeister vorhin hier gegeben hat. 
Durch diese Maßnahme soll auch der Fremdenverkehr nach 
Berlin gestärkt werden. Die Planungsleitstelle des Senats 
hat zusätzlich im Rahmen ihrer ressortübergreifenden Pla 
nungen eine Konzeption zur Förderung der Attraktivität 
Berlins insbesondere in den Bereichen Kultur und Freizeit 
erarbeitet. 
Der Senat hat das Gutachten des Deutschen Instituts für 
Wirtschaftsforschung vom Dezember 1974 über den Frem 
denverkehr in Berlin (West), auf das die Frage Bezug 
nimmt und auf das Sie eingegangen sind, sorgsam geprüft 
und ausgewertet und erste Schlußfolgerungen aus dem Ent 
wurf dieses Gutachtens hinsichtlich des Stellenwerts des 
Fremdenverkehrs bereits in seiner Beantwortung einer Gro 
ßen Anfrage Ihrer Fraktion vom November 1974 gezogen. 
In der Zwischenzeit hat das Verkehrsamt insbesondere 
die Angaben des Gutachtens über die regionale Besucher 
struktur ausgewertet und ermittelt, aus welchen Bundes 
ländern, Regierungsbezirken und Städten die Besucher Ber 
lins kommen. Entsprechend hat das Verkehrsamt seine 
Werbung in den Regionen aktiviert, die bisher nach Er 
kenntnissen des Gutachtens weniger Besucher nach Berlin 
aufwiesen. 
In dem Zusammenhang allerdings zwei klärende Bemer 
kungen, weil es jetzt schon zweimal von CDU-Seite heute 
gesagt worden ist: Der Pfingstverkehr stellt sich in diesem 
Jahr anders dar, als es von Ihnen genannt worden ist. Wir 
können nicht den Pkw-Verkehr unmittelbar zu den Feier 
tagen nehmen, sondern wir müssen das nehmen, was an 
Besuchern hier war. Und da Ist nach allen Erkenntnissen, 
die dem Verkehrsamt vorliegen, eine Zunahme des Besu 
cherverkehrs, allerdings über eine längere Dauer, zu ver 
zeichnen; und deswegen war unmittelbar an den Pfingst- 
feiertagen dieses Jahres an den Grenzübergängen weniger 
Pkw-Verkehr, aber insgesamt waren mehr Besucher in Ber 
lin für eine längere Zeit. — Und die zweite Bemerkung: 
Es ist vorhin davon gesprochen worden, der Fremdenver 
kehr insgesamt habe abgenommen. Für 1976 haben wir eine 
Steigerungsrate bis April um 5"/« gegenüber dem Vorjahr. 
Nun zurück zu dem Gutachten. Das Gutachten ist zusätz 
lich nebst einer Analyse des Verkehrsamtes wichtigen 
westdeutschen Reiseveranstaltern und Verkehrsträgern zu 
gänglich gemacht worden, so daß von diesen Stellen eben 
falls die Werbung für Reisen nach Berlin verstärkt wurde. 
Die zweite wesentliche Erkenntnis des Gutachtens besteht 
darin, daß auf einen Berlin-Besucher, der in einem gewerb 
lichen Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt, vier Be 
sucher entfallen, die bei Verwandten oder Bekannten ln 
Berlin privat wohnen. Das Verkehrsamt hat diese Tatsache 
zum Anlaß genommen, durch eine Sonderwerbeaktion mit 
einem Aufwand von ca. 100 000 DM auf das komplette An 
gebot des Berliner Beherbergungsgewerbes noch stärker 
hinzuweisen. Das Material dieser Sonderwerbeaktion ist 
1975 gezielt im In- und Ausland eingesetzt und auf beson 
deren Werbeveranstaltungen vorgestellt worden. 
Seit einiger Zeit ist Berlin in das Städte-Touren-Pro- 
gramm der Deutschen Bundesbahn, der Belgischen, Nie 
derländischen und Französischen Staatsbahnen sowie der 
Schweizerischen Bundesbahn aufgenommen. Mit Erfolg 
wurden Charter-Flugprogramme mit der ausländischen 
Reiseindustrie abgesprochen, insbesondere mit Reiseveran 
staltern in der Schweiz, in Österreich und in Großbritan 
nien. 
Zu den Einzelfragen aus Ihrer Großen Anfrage darf ich 
wie folgt Stellung nehmen: 
Zu 1: Die Bundesregierung hat 1975 erstmalig eine grund 
sätzliche fremdenverkehrspolitische Konzeption mit der 
Überschrift; „Tourismus in der Bundesrepublik Deutsch 
land — Grundlagen und Ziele“ vorgelegt. Der Bundesrat 
hat hierzu am 1. Juli 1975 Stellung genommen, jedoch mit 
der Mehrheit seiner CDU/CSU-geführten Länder bedauert, 
daß die von der Bundesregierung beschlossene fremdenver 
kehrspolitische Konzeption angeblich nicht in ausreichend 
enger Abstimmung mit den Ländern erarbeitet worden sei. 
Diese Mehrheit des Bundesrates hat eine Reihe von verfas 
sungsrechtlichen und sachlichen Bedenken vorgebracht, die 
im Ergebnis dazu führen, daß die angestrebte Zusammen 
arbeit zwischen Bund und Ländern sich in der gegenwärti 
gen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht hat 
verwirklichen lassen. Ich bedauere es, daß die Mehrheit im 
Bundesrat diesen Schritt gegangen ist, weil wir damit 
fremdenverkehrspolitisch nicht vorangekommen sind. Zur 
Zeit konnte vom Senat wegen dieses Sachstandes nur si 
chergestellt werden, daß Berlin bei späteren Vorhaben, die 
sich aus der Tourismuskonzeption der Bundesregierung er 
geben könnten, entsprechend berücksichtigt wird. Als Zwi 
schenmaßnahme konnte das Verkehrsamt erreichen, daß 
die Deutsche Zentrale für Tourismus — DZT —, die für die 
Auslandswerbung der Bundesrepublik Deutschland ein 
schließlich Berlin (West) zuständig ist, ihre Berlin-Aktivi 
täten verstärkt. Berlin hat sich in der Gemeinschaftsanzei 
genwerbung der DZT, deren Etat 1976 um 2 Mio DM er 
höht wurde, verstärkt in den Ländern Schweiz, Österreich 
und Niederlande einschalten können. 
Zu 2: Der Planungsausschuß für regionale Wirtschafts 
struktur hat am 15. Dezember 1975 ln Ausführung des Ge 
setzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der 
regionalen Wirtschaftsstruktur“ vom 6. Oktober 1969 den 
Fünften Rahmenplan für den Zeitraum 1976 bis 1979 be 
schlossen, der am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten 
ist. Mit dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe und 
dem Gesetz über die Gewährung von Investitionszulagen 
waren die Instrumente geschaffen worden, die in den Ge 
bieten wirksam werden, a) deren Wirtschaftskraft erheb 
lich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich dar 
unter abzusinken droht oder b) ln denen Wirtschaftszweige 
vorherrschen, die vom Strukturwandel in einer Weise be 
troffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf 
das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder abseh 
bar sind. 
Die Bundesregierung hat durch Rechtsverordnung die 
Fremdenverkehrsgebiete Westdeutschlands festgelegt, für 
die die vorerwähnten Gesetzesvorschriften gelten. Berlin ist 
nach den Kriterien für die Auswahl der Gebiete nie Förder 
gebiet im Sinne dieser Gemeinschaftsaufgabe gewesen. Eine 
Inanspruchnahme der Förderungsmaßnahmen des Fünften 
Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
	        
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