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Volume Nr. 30, 10.06.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 10. Juni 197G 
1230 
Ich will noch einmal auf diese vor ein paar Wochen ver 
öffentlichten Zeitungsberichte zurückkommen. Da stand 
dann auch vierspaltig in der „Morgenpost“: „Für Berlin 
wird noch mehr geworben!“, und der Untertitel lautete da 
— wie bei anderen Zeitungen —: „Eine Stadt mit sympathi 
schen Menschen!“. Das wagt man von sich selber ja beschei 
denermaßen und pflichtgemäß nie zu sagen, und auch nicht 
die Berliner, die oft mit dem Ruf, großsprecherisch zu sein, 
hier und da aneckten. Da ist es schon wichtig, auch das, 
was hinter dieser „Sympathie“-Aussage steckt, die nun von 
daußen kommt, von Nutzen sein zu lassen für unsere Stadt 
politik im werbenden Sinne; zu dem was in den letzten 
Punkten des Regierenden Bürgermeisters aufgezählt wurde 
bietet das doch den eigentlichen Beiklang. Wir müssen uns 
klarmachen, daß offenbar gerade junge Menschen etwas 
mehr für Berlin übrig haben, ganz abgesehen davon, ob sie 
herziehen und hierbleiben. Offenbar ist die Anziehungs 
kraft, das Sympathische, das Offene an unserer Stadt, doch 
ein Pfund, mit dem wir relativ wenig wuchern. Das Urteil 
von draußen lautet übrigens zusätzlich: Eine Stadt mit 
„engagierten“ Menschen, eine anziehende, in vielen Hin 
sichten ungemein interessante Stadt. Dann sollten wir da 
mit aber auch gemeinsam ans Werk gehen, unabhängig von 
den politischen Auseinandersetzungen, die sein müssen und 
die weiter von uns hier ausgetragen werden. Das Grund 
urteil und das Grundempfinden der Menschen müssen wir 
mit einbringen in das, was aussagekräftig für das Werbe 
konzept einer Stadtverwaltung ist, wie wir es hier heute 
erörtern. 
Wir haben Anlaß, mit den zusätzlichen Konzepten, von 
denen der Regierende Bürgermeister sprach, von denen in 
den Zeitungen die Rede war, kräftiger ins Positive zu ge 
hen und die Werbetätigkeit des Presse- und Informations 
amts, insbesondere auch die des von Frau Dr. Wolff gelei 
teten Amtes, auch einmal in diesem Haus hier ausdrück 
lich zu loben. Was da seit Jahren getan worden ist, ist posi 
tiv. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. — 
Vereinzelter Beifall bei der CDU) 
Wer über Ostern, Pfingsten oder jetzt ln diesen Tagen mit 
Besuchern erläuternd durch diese Stadt geht, der fühlt, wie 
positiv die Urteile sind. An vielen Ecken und Enden spüren 
wir, was Attraktivität zusätzlich bringt. Da geht es nicht 
um eine Tagung oder um ein Fest, es geht um eine ständige 
Werbung, zu der wir alle mit aufgerufen sind. Wir tun Etli 
ches ja schon im Umgang mit unmittelbaren Bekannten 
oder wenn wir hier Gruppen empfangen. Aber da müssen 
wir „einen Zahn zulegen“; und wir haben tatsächlich im 
Vergleich zu Städten der Bundesrepublik günstigere und 
vielfältigere Voraussetzungen. Wir wissen das vom kultu 
rellen Bereich, wir wissen es vom Freizeitwert Berlins, 
trotz der Sonderlage und der Teilisolierung: wir wissen es 
von dem Grün in dieser Stadt, wir wissen es bis hin zu den 
Museen usw. 
Vielleicht bringt uns eine — etwa jährliche — Zwischen 
bilanz zu solchen Werbekonzeptfragen auch gemeinsam zu 
größerem Schwung in dieser Richtung. Gestern klang es 
sogar bei der Debatte zum „Kreisel“ an, daß es gemein 
same Aufgaben gibt; heute sind wir nun ganz bestimmt an 
einem solchen Punkt, wo die Gemeinsamkeit des „An-einem- 
Strick-Ziehens“ die Geschäfte bestimmen kann. Lassen Sie 
uns dazu übergehen, nicht nur zu bekräftigen, daß Berlin 
eine Reise wert ist; wir müssen heraus aus der Psychologie 
der „hängenden Mundwinkel“, aus dem etwas miesen Ge 
fühl, das wir im Blick auf unsere 25, 30 Jahre schwieriger 
Nachkriegsgeschichte unwillentlich entwickelt haben. Wir 
haben ganz gute Ansätze, wo wir dieses Positive anbringen 
können. Ich sehe — und sage das auch einmal ganz offen — 
da eine Möglichkeit der Tendenzwende zum Positiven. Wenn 
Sie das vergleichen mit dem Zustand vor zwei, drei oder vier 
Jahren in dieser Stadt, dann haben wir eine gute Chance, 
nicht nur den Besucherstrom nach Berlin zu stärken, son 
dern auch das Befinden unserer Mitmenschen zum Positive 
ren hin ganz entscheidend klarer werden zu lassen. Und in 
diesen Tagen, da Berlin geradezu „überfüllt“ ist, ist das ja 
auch ein Anlaß, darüber nachzudenken. 
Wir, meine Damen und Herren — und damit schließe 
ich —, billigen und begrüßen die Antwort, die der Regie 
rende Bürgermeister für den Senat auf diese Große Anfrage 
gegeben hat, und wir werden überlegen, ob wir uns gemein 
sam alle Jahre eine Zwischenbilanz insbesondere zu diesen 
Bemühungen geben lassen werden. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Lummer. 
Lummer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Wenn man sich die Frage vorlegt, welchen Sinn diese 
Große Anfrage gehabt hat, dann kommt man gewiß zu dem 
Ergebnis, daß hier der Versuch gemacht wurde, eine posi 
tive Selbstdarstellung des Senats und der SPD und darüber 
hinausgehend auch Berlins zu geben. 
(Abg. Papenfuß: 
Das gefällt Ihnen wohl nicht!) 
Dieses ist niemand verwehrt, sondern kann durchaus sei 
nen guten Sinn haben; aber dies war ein wenig begleitet 
von der kritischen Bemerkung, die Opposition würde gele 
gentlich — um nicht zu sagen öfter — ein Zerrbild der Ber 
liner Wirklichkeit zeigen, ein Stück Miesmacherei betreiben 
und damit der Stadt Schaden zufügen. Ich gebe zu, daß die 
Rolle der Opposition, was diesen Punkt betrifft, durchaus 
ambivalent und einigermaßen schwierig ist, denn es ist ihre 
Funktion, die Senatspolitik kritisch zu begleiten, und es ist 
andererseits auch ihr Interesse — weil es eine Berliner 
Opposition ist —, die Stadt draußen nicht ohne Not schlecht 
darzustellen, auch wenn es in Berlin selbst Schlechtes genug 
gibt. Insofern kollidieren hier bei uns zugegebenermaßen 
die Interessen, und ich würde meinen, daß wir mit gutem 
Grund sagen können, daß wir diese Ambivalenz immer ge 
sehen haben und bei aller Bereitschaft und Notwendigkeit 
der Kritik im inneren nach draußen hin immer auch Berlin 
so dargestellt haben, daß es für den Besuch — sei es im 
touristischen oder im dauerhaften Sinn — ein lohnenswer- 
tes Objekt ist. 
Aber manchmal ist es schlicht und einfach notwendig — 
und das hat auch die heutige Darstellung durch den Regie 
renden Bürgermeister und den Vorsitzenden der SPD-Frak- 
tion gezeigt —, einem bewußt zur Schau getragenen Zweck 
optimismus der SPD realistische Kategorien hinzuzufügen. 
Da ist eine Meinungsbefragung, die hier zitiert worden ist; 
aber bekanntermaßen ist das nicht die einzige Meinungs 
befragung und auch nicht die einzige Frage, die gestellt 
worden ist, sondern es gibt andere Meinungsbefragungen, 
die dem Herrn Vorsitzenden der SPD zum Beispiel bekannt 
sind, etwa die Meinungsbefragung, die der Sender Freies 
Berlin veranstaltet hat, und in der zu lesen ist, daß je 
der dritte Jugendliche aus Berlin (West) zwischen 13 und 
24 Jahren — jeder dritte —, wenn er nur könnte, Berlin 
verlassen würde. Das ist sicherlich eine Zahl, die durchaus 
besorgniserregend ist. 
(Abg. Dr. Haus: Ist in allen Städten so; 
in Hamburg auch!) 
— Aber ich bitte um Verzeihung, wir sind uns doch im kla 
ren darüber, daß bestimmte Dinge nicht vergleichbar sind 
und daß Umzüge aus den Ballungszentren in Hamburg oder 
München weg in die Randgebiete nicht vergleichbar sind 
mit dem Fortgang aus Berlin. Wenn also solche Grundhal 
tungen hier vorhanden sind, die dann noch in dieser Be 
fragung dadurch ergänzt werden, daß immerhin 26 •/, der 
befragten Jugendlichen in Berlin sich hier politisch nicht 
sicher fühlen, dann ist das etwas, was man nicht unter 
schlagen darf bei einer Darstellung, dann muß man das 
auch vor Augen haben, wenn man Werbung in Berlin und 
für Berlin betreibt. Und ich meine, es ist keine sehr zu 
treffende und richtige Darstellung, wenn man sich nur auf 
jene eine Meinungsbefragung beschränkt. 
Wir sind uns sicherlich darin einig, daß für Berlin ge 
worben werden muß, und ich möchte wohl sagen; Werbung 
tut not, heute — genaugenommen — mehr denn je! — Und 
dafür gibt es einige Gründe.
	        
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