Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
28. Sitzung vom 20. Mai 197G
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Dieser Bau hat schon heute fast den Charakter eines Wahr
zeichens für Berlin!"
(Heiterkeit bei der CDU)
Das sind die Worte von damals, und was aus Ihnen gewor
den ist, wissen Sie ganz genau.
(Zurufe von der CDU: Stimmt ja auch! —
Prophetische Gabe! — Abg. Hucklenbroich
meldet sich zu einer Zwischenfrage)
— Wenn ich Nein gesagt habe, habe ich Nein gemeint, Herr
Hucklenbroich.
(Abg. Hucklenbroich: Ach, Sie wollen weglaufen?
— Ist gut!)
Ich bitte um Verständnis. Sie können später, ich bin nach
her gerne bereit, auch Zwischenfragen zu beantworten.
Nehmen Sie das andere Beispiel, das sich unter dem
Stichwort der Filzokratie eingebürgert hat.
Wir haben erfahren, daß Berlin immer noch einen relativ
hohen Nachrichtenwert hat. Und ich gebe durchaus zu,
manches Ereignis, das an anderer Stelle in gleicher Weise
geschieht oder geschah, würde ln der internationalen oder
auch nur der bundesrepublikanischen Presse nicht die Reso
nanz haben, wie sie vorhanden ist, wenn das in Berlin ge
schieht. Das war früher immer so, daß Berlin im positiven
Sinne Nachrichtenwert beanspruchen konnte, und man muß
es dann wohl in Kauf nehmen, daß dann auch die negativen
Dinge in besonderer Weise ausstrahlen. Wenn Sie aufmerk
sam die Zeitungen gelesen haben — und nicht nur die Zei
tungen —, dann mußten Sie zu dem Ergebnis kommen, daß
dieses Stichwort KPM und Filzokratie sehr weite Kreise
gezogen hat, einen negativen Dunstkreis um den Begriff
Berlin in der gesamten bundesrepublikanischen Presse ver
breitet hat.
Nun will ich hier naturgemäß nicht der Versuchung an
heimfallen, das Ergebnis des Untersuchungsausschusses vor
wegzunehmen.
(Zurufe von der SPD)
Darauf kommt es nicht an. Aber man wird schon jetzt auf
grund der Aussagen des Regierenden Bürgermeisters fol
gende Alternative sehen müssen; Entweder trifft es nämlich
zu, daß der Regierende Bürgermeister nichts wußte. Er hat
ja selber vor diesem Parlament gesagt — wenn ich zitieren
darf —:
Und ich erkläre hier eindeutig, daß es mir zu diesem
Zeitpunkt nicht bekannt war, daß der Unterausschuß
des Ausschusses für Verkehr und Betriebe mehr und
mehr ln die Richtung eines möglichen Fehlverhaltens
von Herrn Schwäbl ermittelte, weil ich mich auf die
präzisen Erklärungen stützte, die der für diesen Be
reich zuständige Senator vor dem Abgeordnetenhaus
von Berlin abgegeben hat. Nehmen Sie diese Dar
stellung als eine Erklärung meines Verhaltens, sie ist
keine Entschuldigung.
Die eine Möglichkeit ist also die, daß er nichts wußte, die
andere wäre die, daß er mehr wußte. Wenn er nichts wußte,
dann kann man ihm beim besten Willen den Vorwurf nicht
ersparen, daß er sich um Dinge nicht gekümmert hat, die
seines Amtes sind; denn, meine Damen und Herren, der Re
gierende Bürgermeister ist aufgrund der Verfassung der
jenige, der die Richtlinien der Politik bestimmt und auch
überwacht, im Einvernehmen mit dem Senat. Ich weiß, ich
kenne die Verfassung so gut wie Sie. Aber nichtsdestoweni
ger bestimmt er sie, soll er sie bestimmen — Entschuldi
gung, leider ist es ja oft genug bei dem Sollen geblieben —,
soll er sie bestimmen, und soll er sie überwachen. Dazu ge
hört genau dieses, und dazu ist er ja auch ln der Lage, auf
grund der Verfassung über alle Amtsgeschäfte Auskunft
zu verlangen. Aber, meine Damen und Herren, dies, was
KPM angeht, hat ihn offenbar alles nicht interessiert. Denn
da hat es doch eine Fülle von zarten — wenn ich beschei
den bin — Anstößen gegeben, ob das vom Herrn Vitt war
oder vom Herrn Llehr war oder vom Herrn Oxfort war;
wie immer, sie alle haben jedenfalls hinreichend deutlich
gemacht, daß sie ihn darauf hingelenkt haben, wenn auch
nicht von vornherein die gesamte Problematik klargewor
den ist. Aber es mußte für denjenigen Politiker, der das
hat, was Max Weber von ihm fordert: ein bißchen Augen
maß und ein bißchen Fingerspitzengefühl, klar sein, daß
hier, was ja sowieso die Spatzen in Berlin von den Dächern
pfiffen, etwas begraben war, was sehr viel Gestank ver
breiten konnte. Aber den Regierenden Bürgermeister in
teressierte das offenbar gar nicht; von Rechts wegen
müßte sein Name „Hase“ lauten,
(Beifall bei der CDU)
denn das war offenbar nicht seines Amtes. Er hat alle
Warnungen in den Wind geschlagen und sich nicht um
diese Problematik gekümmert. Mich erinnert dieses Ver
halten des Regierenden Bürgermeisters eigentlich an eine
Tiergruppe, die gelegentlich dargestellt wird — nun ist der
Vergleich mit Sicherheit hinkend, wenn nicht mehr, und ich
bin auch der festen Überzeugung, daß Darwin sich funda
mental geirrt hat —, aber es gibt eben jene Tiergruppe, wo
da drei an der Zahl
(Abg. Schulze; Die ist aber in Ihrer Größe,
Herr Lummer!)
jene signifikanten Zeichen von sich geben: Nichts sehen,
nichts hören und nichts sagen. Und dies genau hat der
Regierende Bürgermeister im Zusammenhang nicht nur
dieses Falles praktiziert. Karl Schiller hätte das früher —
als er noch in Berlin war, war das eines seiner Lieblings
worte — als „Attentismus" bezeichnet.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Fülle von weiteren
Beispielen, die auch noch eine andere
(Heiterkeit bei der SPD)
Sie kennen vielleicht Fremdworte nicht, Karl Schiller
war wirklich ein überragender Kenner von Fremdworten;
ich weiß das.
(Unruhe bei der SPD)
Nun hat der Regierende Bürgermeister in der damaligen
Erklärung, die ich eingangs zitierte — im übrigen darf ich
daran erinnern, daß diese Worte demnächst zehn Jahre alt
werden, es war nämlich die Regierungserklärung aus
dem Jahre 1967, als er Albertz ablöste —, genau diese
Vorwürfe gegenüber dem damaligen Regierenden Bürger
meister Albertz erhoben, daß er voller Zwielichtigkeiten ge
wesen sei und hier in Berlin das Vertrauen zerstört habe.
Und von daher kam ja seine Forderung; Das ist eine wich
tige Basis unserer Existenz, und hier wollen wir sauber
sein.
Wie aber sieht es mit diesem zweiten Punkt aus neben
dem Vertrauen, mit den Zweideutigkeiten wiederum, wenn
ich es bescheiden ausdrücke, manche angemessenen Aus
drücke sind ja gelegentlich nicht parlamentarisch. Nehmen
wir ein paar Beispiele dafür. Zunächst einmal das Beispiel
Nationalstiftung und dabei den Unterfall Standortfrage
und dabei den Unterfall Haltung der CDU-regierten Bun
desländer. Da hat Herr Schütz hier in der Plenarsitzung
am 22. 4. folgendes gesagt:
Wir
— an den Kollegen Lorenz gerichtet —
ln SPD und F.D.P. brauchen niemanden zu überzeu
gen, daß diese Nationalstiftung sein muß, und wir
brauchen niemanden zu überzeugen, daß sie ln Ber
lin sein muß. Sie müssen in Bayern und ln Baden-
Württemberg, dort, wo es um die praktischen Dinge
geht, Ihre Überzeugungsarbeit leisten.
(Sehr gut! bei der SPD)