Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
23. Sitzung vom 20. Februar 1970
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hü, mal hott hieß —, um die Einrichtungsdarlehen, um die
Haltung des Rechnungshofes zum Kongreßzentrum — die
uns ohnehin noch irgendwann beschäftigen wird — und
wohl auch, wie mir jedenfalls scheint, um die Haltung des
Regierenden Bürgermeisters, nachdem die sowjetischen
Bürgermeister einen Besuch in Berlin abgesagt hatten.
Das ist kein unendlich tröstliches Bild, was hier der Se
nat bietet, wenn man nur mal einige Zeilen aus einigen
Zeitungen sieht. — Wenn ich mal zitieren darf: „Reaktion
der SPD ein starkes Stück“, „Schütz ließ Schwäbl wie
einen heißen Teller fallen“, „Korber schoß Striek ab“ —
heute —, „Herz wirkte mit" — nicht dabei, sondern bei
einer anderen Sache —,
(Heiterkeit)
„Ein Fall für die Stadtreinigung“ und einiges mehr. — Es
gibt vielerlei Überschriften, die es bis zu einem gewissen
Grade amüsant machen, sie hier zu zitieren. Aber die
Sache ist zu ernst, als daß man es vielleicht ganz dort
hinbringen sollte. Es ist so, daß — so meine ich — für
diese Auseinandersetzungen, die vorhanden sind, diese
Schwierigkeiten, die immer wieder entstehen auf Grund
nicht ausreichender Koalitionsbasis und auf Grund von
Verfilzungen, sehr viel — vielleicht im schlichten Sinne —
handwerkliche Kraft, Zeit und Kraft aufgewandt werden
müssen, um diese Probleme zu erledigen, die natürlich alle
samt dem eigentlichen Regieren für diese Stadt verloren
gehen. Diese Stadt braucht aber gerade heute eine Regie
rung, die stabil ist, die eifrig ist und die frei von inneren
Querelen ist. Diese Regierung ist es nicht. Diese Regierung
zerreibt sich an dem Sand, den sie selber ln das Getriebe
befördert hat.
(Beifall bei der CDU)
Es sind da alle Zeichen des Verbrauchtseins feststellbar.
Und darüber sollten die Betroffenen — manche haben es
ja schon getan — ernsthaft nachdenken und wohl auch
ernsthafte Konsequenzen ziehen.
Hier ist also, so scheint mir, ein hohes Maß an Verfilzun :
im Spiel, und wir müssen versuchen, Licht da hineinzubrin
gen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn wenn man diesen
Begriff — er kommt ja nicht von ungefähr — schon ver
wendet, und das ist ja traditionell häufig genug geschehen,
dann muß man sich vielleicht auch mal erinnern, was das
denn eigentlich bedeutet, dieser Charakter eines solchen
Werkstoffes. Er hat ja auch wohl einen bildhaften Bezug
zu dem, was hier vor sich geht. Und Filzherstellung und
Herstellung oder Errichtung von Filzokratie ist wohl etwas,
was vergleichbar ist. Beim Filz jedenfalls geht es aufgrund
einer lexikalischen Aussage so vor sich:
Nach systematischer Vorarbeit werden die gekrempel
ten
(Zuruf des Abg. Hucklenbroich)
— Herr Hucklenbroich —
geschuppten und gekräuselten Fasern — meist vom
Schaf —
— meist —
(Heiterkeit bei der CDU)
— wenn es ein guter Filz ist —
in der Filzerei miteinander kräftig verhakt, bis sie
gleichsam ineinanderkriechen und die jeweils ge
wünschte außerordentliche Verfestigung erreichen.
(Allgemeine Heiterkeit — Beifall bei der CDU)
Nun heißt es im Ergebnis dann so:
Der so fabrizierte Filz zeichnet sich durch hohe Spalt
festigkeit und nur geringe Abriebsmöglichkeiten aus.
Das ist es, worum es geht.
(Heiterkeit bei der CDU)
Ich sage, unter solchen Voraussetzungen ist es natürlich
schwierig, Klarheit hineinzubringen in die Situation. Aber
genau darum geht es, wenn man ernsthaft den Versuch
machen will, einige Probleme zu lösen, vor denen wir
stehen. Und es ist noch eine Reihe von Dingen hier einfach
politisch zu bewerten und auch bezogen auf das Handeln
der Personen zu bewerten. — Stichworte wieder: Da war
die GFö, ein Kind, das in den Brunnen fiel, aber nicht ohne
Kosten für das Land Berlin. Da wurden zwei — wie mir
schien, von vornherein aussichtslose — Prozesse in Szene
gesetzt, um sein Prestige zu wahren, jedenfalls war das der
Versuch. Aber man scheiterte. — Da bleibt doch die Frage
einfach, wie sich denn der Senat verhalten hat bei dieser
Entscheidung, solche Prozesse zu führen. Gibt es denn da
keine Juristen im Senat? Vielleicht hat der Justizsenator
sich dazu geäußert ? Ich würde gern wissen, wie er sich
dazu geäußert hat. Es wäre mal interessant zu wissen,
denn ein relativer Laie konnte schon ohne prophetische
Begabung sagen, daß diese Prozesse in die Hose gehen.
Einen haben Sie zurückgezogen, im andern ist das Ergebnis
seit gestern bekannt. Es konnte gar nicht anders sein.
Und es gibt eine Reihe widersprüchlicher Aussagen, die wir
klären müssen.
Ich sage das auch hier in aller Deutlichkeit: Man kann
zu Personalentscheidungen diese oder jene Meinung haben.
Es kann auch sein, daß man aus bestimmten internen
Gründen den Direktor einer Porzellanmanufaktur aus
wechseln muß. Das kann alles Vorkommen. Aber mit faden
scheinigen Vorwänden eine Begründung für eine Kündi
gung herbeizuzaubem, herbeizureden, dies ist mehr als
peinlich. Und genau das aber ist hier geschehen, und das
nicht einmal zum Schaden des Betroffenen, sondern zum
Schaden der Porzellanmanufaktur. Wenn man dabei mit
bedruckten Rändern und so einem Zeug operiert: Da gibt
es doch genug Hinweise, Gutachten, Informationen, was man
da tun kann, um den Begriff „Manufaktur“ zu erhalten.
Wenn man gerade einen Prozeß gewonnen hat, warum
sollen wir dann ohne Not unsere eigene Manufaktur in die
Pfanne hauen, bloß weil jemandem eine Visage nicht paßt
oder weil man da jemanden los werden will ?
(Beifall bei der CDU)
Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein.
Das sind die Dinge, um die es hier geht. Es geht also,
wenn ich das mal so zusammenfassend sagen darf, um die
Rollenverteilung, es geht um die rechte Zuordnung zwi
schen Verfehlungen auf der einen und den Personen auf
der anderen Seite, die sie möglicherweise begangen haben
und die in diesem oder jenem Umfang Verantwortung
tragen. Und es geht generell darum, daß wir diesen Geruch
und Beigeschmack von Verfilzung los werden im Interesse
nicht nur einer Partei, aber auch in deren Interesse, denn
ein Staat, eine Demokratie, eine parlamentarische Demo
kratie, ist immer so gut wie die Parteien. Es geht also auch
um den Staat und um die Parteien. Ich darf noch einmal
abschließend hier erinnern an das Wort, das damals offen
bar viele in den Wind geschlagen haben, und wir haben ja
hier darüber geredet im Parlament, und „das hat der Bun
deskanzler gar nicht so gemeint", hat Herr Neubauer
damals gesagt. Aber der Bundeskanzler hat eben gesagt
und es auch wohl so gemeint, jedenfalls die Wirklichkeit
hat ihn in diesem Punkte — nicht ln allem, worüber er
gesprochen hat — bestätigt. Er sagte damals — ich zi
tiere —:
Ebenso, denke ich, muß man deutlich erkennen, daß
das, was hier mit dem Stichwort „Verfilzung“ oder mit
Skandalen angedeutet wurde, Ämterpatronage, eine
schreckliche Rolle spielt. Hier in Berlin, bei mir zu
Hause in Hamburg, in Hessen, das ganze Ruhrgebiet
ist eine Brutstätte für kommunale Ämterpatronage.
Dies ist sehr abträglich. Das hat mit Sauberkeit, die
uns früher einmal nachgesagt wurde, nicht mehr viel
zu tun.
— Das ist das Zitat. Damit sind wir beim Thema — im
doppelten Sinn des Wortes, versteht sich — „Reinigung der
Stadt" oder „Stadtreinigung“. Mit diesem Thema sollten