Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
23. Sitzung vom 26. Februar 1976
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Man kann also ohne Bewertung methodisch feststellen,
daß in der Frage von Verfassungsänderungen die CDU
eine mehr zur Änderung bereite und die Fraktionen der
Regierungskoalition eine mehr beharrende Haltung ein
nehmen. Entsprechend verlief die Abstimmung im Justiz
ausschuß. Der Antrag der CDU wurde mit den Stimmen
der beiden Fraktionen der Regierungskoalition abgelehnt.
— Ich danke Ihnen!
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Sickert: Eine Berichterstattung für den
Verfassungsausschuß wird nicht gewünscht. Ich eröffne
die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Rastem-
borski.
Rastcmborski (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! In der Zeit zwischen der I. Lesung dieses von
uns eingebrachten Initiativantrages und der heutigen
II. Lesung hat die Wahl des Kammergerichtspräsidenten
dann nun doch stattgefunden, und der dort Vorgeschlagene
ist mit einer sehr großen Mehrheit gewählt worden, mit
einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln dieses Hauses.
Wir dürfen im Anschluß an diesen Wahlakt wohl mit Ge
nugtuung feststellen, daß hier ein fähiger und in der Lei
tung einer wichtigen Behörde erfahrener Jurist gefunden
wurde. Wir dürfen weiter mit Genugtuung feststellen, daß
der Vorgeschlagene mit einer sehr breiten Mehrheit dieses
Hauses in sein Amt berufen wurde, womit, meine ich,
durchaus dokumentiert ist, daß dieses Parlament in einer
Situation parteipolitischer Polarisation sich durchaus in
der Lage findet, in einem solchen Bereich eine gemeinsame
Verantwortung zu tragen.
Meine Fraktion glaubt weiter, mit einer gewissen Ge
nugtuung feststellen zu können, daß der Senat im Verlauf
dieses zunächst zweifelhaften Auswahlverfahrens einen ge
wissen Lernprozeß durchlaufen hat, wie man solche Ent
scheidungsvorgänge handhaben und zu einem guten Ende
führen soll, daß es nämlich für alle Beteiligten und auch
für die Sache dienlicher ist, Vorschläge auch der Opposition
zur Kenntnis zu nehmen und in die Überlegungen mit ein
zubeziehen.
Wenn ich Sie, meine Damen und Herren von den Koali
tionsfraktionen in der Beratung der I. Lesung und auch in
den Ausschußberatungen richtig verstanden habe — —
Stellv. Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Rastem-
borski, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rastemborskl (CDU): Ja. bitte!
Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Abgeordneter
Wronski!
Wronski (CDU): Herr Kollege Rastemborski, haben Sie
eigentlich bemerkt, daß von der zuständigen Senatsver
waltung Justiz überhaupt keiner da ist? Haben Sie nicht
den Eindruck, daß Sie zu leeren Bänken sprechen ?
(Beifall bei der CDU)
Rastemborski (CDU): Herr Kollege Wronski, ich danke
Ihnen für diesen Hinweis. Dies zeigt wohl, daß der von mir
erhoffte Lernprozeß dann nun doch nicht in der Konse
quenz bei dem zuständigen Senatsmitglied stattgefunden
Stellv. Präsident Sickert: Gestatten Sie eine weitere
Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Rastemborski ?
Rastemborski (CDU): Ja, bitte!
Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Abgeordneter
Rheinländer!
Rheinländer (SPD); Herr Kollege Rastemborski, sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Senatsdirek
toren nur während der Fragestunde Platz auf der Regie
rungsbank nehmen müssen und daß sich der zuständige
Senatsdirektor im Plenarsaal aufhält.
(Beifall bei der SPD)
Rastemborski (CDU); Ich wäre dankbar, wenn dann
wenigstens ein anderes Senatsmitglied, das hier anwesend
ist, bereit wäre, diese Ausführungen der antragstellenden
Fraktion zur Kenntnis zu nehmen.
(Unruhe bei der SPD)
Meine Damen und Herren von der
Stellv. Präsident Sickert: Herr Abgeordneter Rastem
borski, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage ?
Rastemborski (CDU); Ach nein, ich möchte jetzt nun
doch meine Ausführungen zu Ende bringen.
(Heiterkeit bei der SPD)
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen,
Ihr Verhalten bestätigt mir im voraus,
(Zuruf von der SPD: Ist doch Ihr Verhalten! —
Weitere Zurufe von der SPD)
was ich hier darstellen will.
(Heiterkeit bei der SPD)
Sie werden sich nach dem Wahlakt, den wir im Dezem
ber schließlich mit so gutem Ergebnis vollzogen haben,
wahrscheinlich einreden: Es ist ja eigentlich alles in Ord
nung, die bisherige gesetzliche Regelung hat sich bewährt
und sollte so bleiben. — Wir halten eine solche Schluß
folgerung einfach für naiv, sie ist nicht juristisch konse
quent, sie ist auch politisch nicht vertretbar. Für jeden,
dem es ernstlich darum geht, das Ansehen und die Distanz
der Justiz zu den politischen Entscheidungsprozessen in
der Legislative zu wahren, kann es, meine ich, aus den
Vorgängen des vergangenen Sommers einschließlich des
dann letztendlich gelungenen Wahlaktes nur die Konse
quenz geben, daß das, was hier dann doch gut gelaufen
ist, zur gesetzlichen Regel wird.
(Beifall bei der CDU)
Ein solches Verfahren — und da lassen Sie mich die we
sentlichen und tragenden Argumente unserer Seite noch
einmal zusammenfassen — verhindert künftige Fehlgriffe
des Senats, und ein solches Verfahren verhindert eine pein
liche kontroverse Personaldebatte in der Öffentlichkeit.
Ich möchte ln diesem Zusammenhang noch einmal aus
drücklich festhalten, daß nicht wir es waren, die diese
Personaldebatte angefacht und in die Öffentlichkeit —
peinlicherweise — getragen haben.
(Abg. Schmitz: So ist es!)
Das von uns gewünschte Verfahren zwingt die Verant-
llchen in jedem Fall, eine sorgfältige Auswahl zu treffen
und eine Auswahl nach rein fachlichen und sachlichen Ent
scheidungskriterien. Dies ist mit der bisher gültigen so
genannten kleinen Qualifizierung — nämlich absolute