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Volume Nr. 22, 12.02.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
22. Sitzung vom 12. Februar 1976 
838 
4. Die SPD und der Senat wollen in bestimmten Fällen 
offenbar verhindern, daß konstruktive Vorschläge der 
Opposition realisiert werden, weil ein übertriebenes 
und auch billiges Prestige- und Parteidenken über 
wiegt. 
Dies, meine Damen und Herren, sind Dinge im Rahmen 
eines demokratischen Parlaments, die wir sehr bedauern. 
Wir wollen hier die Verwaltung an die Schlamperei, um 
die es geht, erinnern. Und wenn man schon nicht sagt, es 
handele sich beim Senat um einen „Saftladen", dann kön 
nen Sie sich andere Formulierungen einfallen lassen. Aber, 
meine Damen und Herren, das, weis hier vorgezeichnet Ist, 
macht deutlich, daß dieser Senat im Umgang mit dem 
Parlament nicht die Note „befriedigend“ und nicht einmal 
die Note „ausreichend“ verdient, sondern sein Verhalten ist 
mangelhaft und tief zu bedauern. — Vielen Dank! 
(Beifall bei der CDU — Abg. Königstein: Hören 
Sie doch auf mit der doofen Rederei!) 
Präsident Lorenz: Das Wort zur Beantwortung hat Herr 
Bürgermeister Oxfort. 
Oxfort: Bürgermeister; Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich darf zunächst meiner Genugtuung darüber 
Ausdruck geben, daß der Herr Präsident des Abgeordneten 
hauses keinem „Maulhelden und Schwätzer“ das Wort er 
teilt hat, aber offenbar ist das eine Formulierung, die wir 
untereinander in Zukunft gebrauchen können, ohne daß 
man das rügen müßte, verehrter Herr Kollege Lummer! 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Die vorliegende Große Anfrage, an der vom Inhalt her 
verschiedene Mitglieder des Senats beteiligt sind, werde ich 
hier in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters in 
ihrem gesamten Umfang behandeln. Dazu möchte ich fol 
gendes vorausschicken: 
Der Senat hat selbstverständlich nicht das geringste 
Interesse daran, die Arbeit des Abgeordnetenhauses in 
irgendeiner Form zu behindern. Über die Mehrzahl der von 
der Großen Anfrage erfaßten Gegenstände hat es Unter 
richtungen in den Ausschüssen gegeben, so daß sich nie 
mand berechtigt fühlen darf, den Eindruck zu vermitteln, 
daß der Senat untätig bleibe und damit bewußt oder un 
bewußt die Parlamentsarbeit hemme. 
Ob die CDU-Fraktion allerdings überhaupt eine sachliche 
Auskunft des Senats wünscht, muß angesichts der von ihr 
gewählten Überschrift ihrer Großen Anfrage und der hier 
gegebenen Begründung mehr als zweifelhaft bleiben. Wer 
Auskunft verlangt, nimmt sein Urteil, Herr Kollege Lum 
mer, nicht vorweg. 
Ich kann die Anfrage der Opposition daher insoweit nur 
als Polemik verstehen, als eine Polemik, die auf Demontage 
des Regierungsansehens gerichtet ist. Diese Absicht ist 
leicht zu durchschauen: die Anfrage der Opposition ist auf 
die Öffentlichkeit ausgerichtet, da ihre Chancen zur Durch 
setzung eigener Initiativen äußerst gering sind. 
(Zuruf des Abg. Zemla — Unruhe bei der CDU) 
— Verehrte Damen und Herren Kollegen, Sie werden doch 
gestatten, daß ich den Herrn Vorsitzenden Ihrer Fraktion 
noch zitiere, der sich in dem Aufsatz über „Die Funktionen 
der parlamentarischen Opposition“ in „Das Berliner Parla 
ment“ 1975, Seite 265, entsprechend geäußert hat. Aber 
vielleicht ist das Ganze auch ein Ausdruck Sonthofencr 
Gesinnung, die immer mehr um sich greift. 
(Zurufe von der CDU — Abg. Wischner: Das war 
wieder mal ein echter Oxfort!) 
— Ich habe den Eindruck, daß einige Damen und Herren 
der Opposition sich mit mir von Sonthofener Gesinnung 
abzusetzen wünschen. 
(Abg. Wronski: Nom, keineswegs!) 
Das würde ich ln der Tat begrüßen! 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Der Senat, meine Damen und Herren, hat seinerseits 
nicht die Absicht, auf dem Instrument der Polemik mitzu 
spielen. 
(Was? und Gelächter bei der CDU — Zuruf 
des Abg. Zemla) 
Für zeitliche Verzögerungen gibt es in allen Fällen, wie 
sich zeigen wird, ausschließlich sachliche Gründe. 
(Abg. Wronski: Plausible Ausreden!) 
Eine zweite Vorbemerkung: Der Senat ist nach unserem 
Verfassungsrecht — im Gegensatz zu der Auffassung des 
Herrn Kollegen Lummer — kein Exekutivorgan des Parla 
ments. Sie hätten vielleicht — statt die große Lippe im 
Wahlkampf zu üben — ein wenig Zeit gebrauchen sollen, 
um sich mit dem Verfassungsrecht zu befassen, Herr Kol 
lege Lummer. 
(Beifall bei der SPD — 
Abg. Landowski: Aber er hat Erfolg gehabt!) 
Drittens: Mit der Beantwortung der Großen Anfrage will 
ich bewußt — ich betone: bewußt — keine Antwort auf die 
Frage geben, inwieweit schlichte Parlamentsbeschlüsse 
einer auslaufenden Legislaturperiode den Senat in einer 
neuen Legislaturperiode zu binden vermögen. Diese Frage 
kann man sehr verschieden beantworten. Ich weiß, daß die 
parlamentarische Praxis anderer Länder — ich erwähne 
hier als Beispiel nur das Land Schleswig-Holstein — die 
Verneinung dieser Frage nahelegt. Auch im Lande Berlin 
gibt es eine Praxis, die in die gleiche Richtung deutet: Ich 
erinnere an die Anträge am Anfang dieser Wahlperiode 
über Beschlüsse des Abgeordnetenhauses der vergangenen 
Wahlperiode, insbesondere zum Haushaltsplan 1975, und an 
die Erneuerung der Berichtsersuchen über die Durchfüh 
rung des Viermächte-Abkommens sowie Ein die Bericht 
erstattung des Senats über Berlin betreffende Angelegen 
heiten. Eine vergleichbare Praxis wurde auch in vergange 
nen Legislaturperioden eingehalten. Ich will das Problem 
aber hier und heute dahingestellt sein lassen und sage aus 
drücklich, daß meine Antwort für den Senat sich auf alle 
Punkte der Großen Anfrage beziehen wird, ohne daß sie in 
irgendeiner Form ein Präjudiz für künftige Fälle bildet. 
Der Senat verfährt damit auf der Linie der aktuellen 
Praxis des Deutschen Bundestages und betrachtet es jen 
seits aller rechtlichen Erwägungen als ein nobile officium, 
auch auf Anträge einer ausgelaufenen Legislaturperiode 
zurückzugreifen. Dies entspricht, wie auch die Opposition 
weiß, durchaus der bisherigen Haltung des Senats, der 
diesen Rückgriff auf durch die Legislaturperiode überholte 
Gegenstände bereits in verschiedenen Fällen vollzogen hat. 
Die Große Anfrage selbst macht dies in der Nummer 2 
der Fragestellung deutlich. 
Ich beabsichtige, mich in meiner Antwort zu den einzel 
nen Punkten kurz und bündig zu fassen und mich dabei 
jeder Polemik zu enthalten, auch wenn sie hier und dort 
durchaus am Platze sein könnte. Und nun im einzelnen: 
Zu 1.1: Der Entwurf der Richtlinien liegt seit langem 
vor. Als der Senat im November ihren Erlaß bis Ende 
jenes Monats in Aussicht stellte, ging er davon aus, daß 
bis dahin eine bundesgesetzliche Regelung in Kraft sein 
würde, auf welche die Richtlinien zugeschnitten werden 
sollten. Leider ist das Bundesgesetz, wie Sie wissen, noch 
nicht zustande gekommen. Daher sieht sich der Senat ge 
zwungen, die angekündigten Maßnahmen weiterhin zurück- 
zustellen, bis entweder das Bundesgesetz wirksam wird oder 
im Bundesrat endgültig scheitert. Sollte die bundesrecht 
liche Regelung scheitern, werden die Richtlinien schnellstens 
vorgelegt. 
Zu 1.2: Der Senat hat durch die Mitteilung zur Kenntnis 
nahme Nr. 132 vom 23. Dezember 1975 um Fristverlänge 
rung bis zum 31. Mai 1976 gebeten. Dies geschah im Inter 
esse der Beteiligung der Betroffenen. Die vorgesehene In 
formations- und Befragungsaktion und die Auswertung 
aller Beiträge wird so rechtzeitig fertiggestellt sein, daß 
der Termin vom 31. Mai 1976 gehalten wird.
	        
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