Path:
Volume Nr. 44, 09.12.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
44. Sitzung vom 9. Dezember 1970 
Ist genau das Beispiel, das wir als unredliche und unsolide 
Politik in dieser Stadt bezeichnen und politisch auf das 
Schärfste verurteilen müssen. 
(Beifall bei der CDU) 
Zur Schulpolitik gehört wahrscheinlich wie zu keinem 
anderen Bereich unseres kulturellen Lebens Wahrhaftig 
keit. Und wenn Sie mit diesen Forderungen in die Lande 
hinausgehen, dann müssen Sie sich fragen lassen, wie Sie 
das, was hier gefordert wird, finanzieren wollen. Die 
Lehrerarbeitslosigkeit können Sie selbstverständlich so 
sehr leicht beseitigen, weil Sie mit Sicherheit Hunderte 
von Lehrern einstellen müssen; aber wecken Sie doch 
nicht Erwartungshaltungen, die Sie hinterher nicht er 
füllen können! Ich habe den Eindruck, daß Sie hier die 
Funktion des Zauberlehrlings übernommen haben, ohne zu 
wissen, wie Sie diese Rolle zu Ende spielen wollen. 
Gerade ln der Grundschule, meine Damen und Herren, 
brauchen wir Ruhe. Das Förderungsprogramm der Grund 
schule zwingt uns einfach, diese Entwicklung in Ruhe 
durchzuführen, damit sich die Lehrer in der Grundschule 
mit diesem Programm beschäftigen können. Das ständige 
Erneuern, dieses ständige Reformieren, diese Euphorie, 
ja diese Wut, Reformen durchzuführen, hat sich bis jetzt 
nur schädlich auf die gesamte Schule ausgewirkt. 
(Beifall bei der CDU) 
Ein behutsames Weiterentwickeln ist deswegen angebracht, 
und dazu gehören auch Überlegungen der Bundeseinheit 
lichkeit, die die CDU-Fraktion in dem Antrag zum grund 
ständigen Gymnasium hier eingebracht hat, damit zum 
Beispiel Eltern, die nach Berlin kommen mit Kindern, 
die in der 5. Klasse eines Gymnasiums in Westdeutsch 
land gewesen sind, diese Kinder hier weiter aufs Gym 
nasium schicken können und sie nicht in die Grundschule 
schicken müssen. 
Meine Damen und Herren, der Attraktivität Berlins 
würde es dienen, wenn Sie unserem Vorschlag, der in der 
nächsten Woche im Schulausschuß beraten wird, Ihre 
Zustimmung geben. Sie verniedlichen nämlich das Pro 
blem der über- oder Unterforderung in der Grundschule, 
das zu einem sehr viel größeren Problem geworden ist, 
als Sie es wahrhaben wollen. 
Zur Grundschule gehört auch, daß ich dem Senator 
hier empfehlen kann — ohne daß das irgendwelche Ko 
sten verursacht —, daß man sich mehr um die Abstim 
mung der Rahmenpläne kümmern sollte, insbesondere 
sollte man die Kommissionen wiederbeleben, die in ein 
zelnen Bezirken zur Abstimmung der Rahmenlehrpläne 
zwischen Grundschule und Gymnasium bestehen. Und ich 
empfehle Ihnen insbesondere die Bezirke, die so gerne 
von Ihnen als sozial schwach bezeichnet werden, nämlich 
Kreuzberg, Tiergarten, Neukölln und Wedding. Hier könn 
ten Sie einmal beweisen, was Sie unter Sozialpolitik ver 
stehen, wir müssen es Ihnen leider immer wieder sagen, 
und Sie versuchen hier, auf eine politisch-soziale Variante 
zurückzukommen. Das kostet kein Geld, ist aber ein 
Zeichen von hoher pädagogischer Verantwortung, und 
Sie sollten versuchen, auch das zu erfüllen. 
Kritik ist weiterhin an der generellen Versetzung in 
der Grundschule zu üben. Wir glauben, daß damit den 
Kindern nicht in dem Umfang gedient wurde, wie Sie es 
getan haben. Wir haben den Eindruck, daß man damit 
ausschließlich den Eltern dienen wollte, und das kann 
nicht Ziel einer sinnvollen Schulpolitik sein. Die Nicht 
versetzung sollte immer eine pädagogische Entscheidung 
sein, aber wir haben den Eindruck, daß die Ideologie der 
Gleichmacherei bei dieser Entscheidung Pate gestanden 
hat. 
Und da ich durchaus bereit bin, die Gemeinsamkeiten 
in den Vordergrund zu stellen, hier eine Anregung zum 
Bereich der Mittelstufenzentren: Der Senator hat bei der 
Entscheidung, die Einrichtung einer gymnasialen Ober 
stufe an Mittelstufenzentren zu fordern, leider nicht die 
Möglichkeiten auf ge zeigt, wie dies ln den Bezirken sinn 
voll verwirklicht werden soll. Die Bezirke selbst — ins 
besondere der Bezirk Wilmersdorf — haben sich an den 
Schulsenator gewandt, um Handreichungen zu erhalten, 
und ich kann nur sagen, daß die CDU-Fraktion eigent 
lich nur zwei Lösungen akzektieren kann, nämlich ent 
weder die Separatlösung oder die Filiallösung, weil wir 
glauben, daß das der Schülerentwicklung am besten 
Rechnung tragen würde. 
Zum Problem der Mittelstufenzentren will ich hier nichts 
weiter sagen, meine Damen und Herren, ich kündige aber 
an, daß die CDU-Fraktion im nächsten Jahr hierzu eine 
parlamentarische Initiative ergreifen wird. Lassen Sie 
mich aber noch ein Wort zu den Mittelstufenzentren sa 
gen, das von unserer Fraktion gar nicht oft genug betont 
werden kann: Wir sind — und das betone ich — ent 
schieden gegen eine einseitige Bevorzugung der Bildungs 
zentren aus einem verfehlten Bildungsansatz heraus. 
(Beifall bei der CDU) 
Wir glauben, daß die Kosten, die in die Bildungszentren 
investiert worden sind, in keinem Verhältnis stehen, das 
gegenüber den Grund-, Haupt-, Real- und Berufsschulen 
vertretbar ist, die in renovierungsbedürftigen Gebäuden 
untergebracht sind, und das ist — wenn Sie so wollen — 
eine Verhöhnung der Lehrer, Eltern und Schüler, die mit 
diesen Bildungszentren zu tun haben und sehen, was hier 
getan wird und woanders getan werden müßte. 
(Beifall beider CDU) 
Meine Damen und Herren, der aufwendige Maßstab der 
Ausstattung an den Bildungszentren wird nun — und das 
ist das Schlimme dabei — zum großen Teil überhaupt 
nicht angenommen. Es gibt Fälle, daß zum Beispiel dort 
Schreibmaschinen herumstehen und nicht benutzt werden, 
weil keine Lehrer vorhanden sind, die diese Maschinen 
sinnvoll einsetzen können, bis hin zu dem vom Senat so 
sehr geliebten Projekt der Arbeitslehre, für das ebenfalls 
Maschinen in die Schulen hineingebracht worden sind, die 
nicht genutzt werden, weil sie entweder entzwei sind oder 
die Lehrkräfte fehlen, um diese Maschinen sinnvoll ein 
zusetzen. Hier fordern wir Ausgewogenheit, ziehen Sie 
insbesondere die Konsequenzen beim Bau der berufsfeld 
bezogenen Oberstufenzentren. 
Und nun zur Oberstufenreform, ein Problem, das uns 
auch im Schulausschuß beschäftigt hat aufgrund des Be 
richtsauftrags an den Senat. Wir sind der Meinung, daß 
der Senat bei der Behandlung dieser Reform die Kom 
plexität der Oberstufenreform nicht hinreichend erkannt 
hat, und wir haben auch vermißt — das darf ich hier 
noch einmal betonen —, daß der humane Aspekt, dem 
auch die Schule verpflichtet ist, nicht ausreichend ge 
würdigt wurde. Wir vermissen weiterhin eine klare Stel 
lungnahme zur Reform der Reform, die im Jahr 1977 
beginnt, und müssen außerdem beklagen, daß der Schul 
senator die Normenbücher, die im nächsten Jahr ein 
geführt werden, geschaffen hat, ohne mit den dafür zu 
ständigen Gremien zu sprechen, und er Eltern, Schüler 
und Insbesondere Lehrer in eine Ungewißheit entläßt, 
anstatt mit ihnen über diese Probleme zu diskutieren. 
Diese Unruhe, die Sie in die Schule gebracht haben, 
hätte vermieden werden können, wenn Sie frühzeitig sach 
lich informiert hätten. 
Ein letztes Wort noch zu der beruflichen Bildung. Bel 
der beruflichen Bildung haben wir es mit den berufsfeld 
bezogenen Oberstufenzentren zu tun. Die baulichen und 
curricularen Planungsmängel sind eklatant. Wir bedau 
ern insbesondere, daß es der Senat nicht erreicht hat, 
hier mit der Wirtschaft zu einem partnerschaftlichen 
Verhältnis zu kommen und auf diese Art und Weise die 
Oberstufenzentren so auszubauen, daß die Wirtschaft das, 
was dort getan wird, mittragen kann. Die Kritik richtet 
sich insbesondere gegen die technisch-apparativen Zen 
tren und gegen das Berufsgrundbildungsjahr, wobei ich 
sagen muß, daß das Berufsgrundbildungsjahr deswegen 
in seiner Entwicklung bedauerlich ist, weil bei der letzten 
Planung der Bund-Länder-Kommission die SPD-Länder 
nicht vertreten waren, sondern ausschließlich CDU-Länder 
1919
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.